"Am Ende des Tages wird nur die Wasserstofftechnologie CO2 einsparen“
12.03.2025
Herr Walter, welchen dringendsten Wunsch nach den Wahlen hätten Sie?
Dass wir möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung bekommen.
Und mit Blick auf die künftige Regierungsarbeit . . .
. . . natürlich ein gut ausgestattetes und stabiles Luftfahrt-Forschungsprogramm, sodass wir uns mit Blick auf Dekarbonisierung, Digitalisierung und neue Technologien in der Luftfahrtindustrie darauf einstellen können. Das ist nicht nur für Airbus wichtig, sondern für die gesamte Zulieferkette. Denn es hilft ja nichts, wenn wir am Ende tolle Ideen haben, aber nicht wissen, wo wir die Teile herbekommen können.
Was steht noch auf dem Wunschzettel?
Zweiter Schritt wäre die Luftverkehrssteuer. Im alten Koalitionsvertrag war vorgesehen, dass die Einnahmen aus dieser Steuer wieder in den Bereich Luftfahrtindustrie zurückfließen. Das hat aber nicht stattgefunden. Daher wären wir Verfechter einer Luftverkehrsabgabe. Die wäre dann zweckgebunden. Und wir könnten damit technische Entwicklungen in den Bereichen klimaverträgliches Fliegen, nachhaltige Flugkraftstoffe aber auch Wasserstoff unterstützen. Das wäre für uns sehr wichtig.
"Im alten Koalitionsvertrag war vorgesehen, dass die Einnahmen aus dieser Steuer wieder in den Bereich Luftfahrtindustrie zurückfließen. Das hat aber nicht stattgefunden."
Die Luftfahrt klagt über zu hohe Kosten im internationalen Vergleich. Zurecht?
Unsere Kunden, die Fluggesellschaften, leiden derzeit sehr stark unter der Abgabenflut am Luftverkehrsstandort Deutschland. Das Fliegen aus unserem Land heraus ist sehr teuer geworden. Hier wünschen wir uns Entlastung. Airliner sichern auch die Mobilität und Konnektivität eines exportorientierten Industrielandes wie Deutschland. Und wenn wir im weltweiten Wettbewerb weiter führend bleiben wollen, dann ist Mobilität ein wichtiges Thema. Wenn man von Deutschland aus nicht mehr fliegen kann, dann ist das nicht unbedingt förderlich für die Industrie. Aber auch nicht für die Menschen.
Klassiker auf dem Zettel der Industrie sind derzeit Regulierung, Energie, Sanierungsstau oder Fachkräfte. Welche Rolle spielen diese Themen für den Flugzeugbau?
Wir müssen unsere Standorte für die Produktion ständig weiterentwickeln. Deshalb ist es essenziell für uns, dass sich Produktion in Deutschland, in ganz Europa lohnt. Denn Airbus ist ein europäisches Unternehmen. Wir brauchen vor allem stabile Rahmenbedingungen, damit wir wissen, ob sich Investitionen von heute in 15 oder 20 Jahren noch rechnen. Wenn wir Investitionen aufgrund von Regeländerungen nicht mehr nutzen können, dann wäre das fatal.
"Wir brauchen vor allem stabile Rahmenbedingungen, damit wir wissen, ob sich Investitionen von heute in 15 oder 20 Jahren noch rechnen. "
Wie auch die Folgen des Dauerbrenners Bürokratie.
Ja, die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren ist für uns ein ganz wichtiges Thema. Und die Berichtspflichten müssen dringend entschlackt werden. Das ist auch und gerade für viele kleine und mittelständisch geprägte Zulieferunternehmen wichtig.
"Und die Berichtspflichten müssen dringend entschlackt werden. Das ist auch und gerade für viele kleine und mittelständisch geprägte Zulieferunternehmen wichtig."
Immerhin hat die EU-Kommission gerade angekündigt, das umstrittene Lieferkettengesetz vorerst auszusetzen und zu entschärfen. Eine echte Entlastung für die Branche?
Jede Erleichterung hilft.
Ist der Standort Deutschland im Airbus-Konzern gesichert?
Da sind wir, glaube ich, gut aufgestellt. Unser neues Langstreckenflugzeug A321XLR wird in Hamburg mitentwickelt und gebaut. Unser Werk in Stade hat extrem viel Know-how bei kohlefaserverstärkten Kunststoffen. Wir sind hierzulande führend in der Brennstoffzellenentwicklung. Nur um ein paar Beispiele zu nennen. Ein europäischer Konzern, der aufgebaut ist auf Standorte in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien, wird ohne Deutschland nicht funktionieren. Aber eben auch nicht ohne die anderen Nationen. Es ist gerade die Stärke dieses Unternehmens, dass jeder seine Spezialitäten einbringt.
Von der anderen Seite des Atlantiks drohen große Herausforderungen. Der amerikanische Präsident will die heimische Industrie schützen. Mit Zöllen, mit Handelsbeschränkungen und Local-Content[1]-Vorschriften. Worauf richten Sie sich ein?
Wir sind heute ein globales Unternehmen mit europäischen Wurzeln, aber wir bieten mit unserem Werk in Alabama schon Local Content. Heißt: wir kaufen viel aus den USA ein, wir verkaufen in die USA, wir produzieren, wir montieren, wir entwickeln in den USA wie kaum ein anderes Unternehmen. Mit mehr als 5.000 Mitarbeitern in den USA ist Airbus heute ein wesentlicher Bestandteil der US-Luftfahrtindustrie und leistet einen entscheidenden Beitrag zur amerikanischen Wirtschaft. Grundsätzlich aber gilt: gegenseitige Zölle sind immer ein lose-lose-Geschäft.
"Grundsätzlich aber gilt: gegenseitige Zölle sind immer ein lose-lose-Geschäft."
Das heißt, die Flugzeugindustrie befürchtet durch die neue Trump-Administration keine so heftigen Störungen wie andere Wirtschaftszweige?
Das lässt sich derzeit nicht abschließend bewerten. Wir schauen uns das an.
Das Klima hat im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Die CO2-Reduktion dürfte für die Luftfahrt trotzdem ein wichtiges Thema bleiben. Airbus hat gerade seine Pläne für ein Wasserstoff-Flugzeug aufgeschoben. Warum?
Lassen Sie mich dies einordnen. An unserer Ambition für ein Wasserstoff-Flugzeug hat sich nichts geändert. Was wir verschoben haben, ist die Industrialisierung, aber es ist nach wie vor ein sehr großes Forschungsprogramm innerhalb von Airbus. Allerdings müssen wir feststellen, dass sich das Ökosystem langsamer als gedacht entwickelt, weshalb es auch wirtschaftlich zu riskant ist, ein solches Flugzeug zu früh in den Markt zu bringen. Daher die zeitliche Anpassung. Zudem ist dies ja nicht die einzige Antwort auf klimaverträgliches Fliegen. Wir haben immer ein Drei-Säulen-Prinzip verfolgt. Daran hat sich nichts geändert, allenfalls an der einen oder anderen Stelle auf der Zeitschiene. Wir wollen Produkte produzieren, die generell weniger Treibstoff verbrauchen. Wenn wir heute ein neues Flugzeug in Dienst stellen, dann können Sie damit bis zu 20 Prozent Kerosin einsparen. Zweitens können alle unsere Flugzeuge mit bis zu 50 Prozent nachhaltigem Treibstoff - Sustainable Aviation Fuel (SAF) - fliegen. Und wir arbeiten an den 100 Prozent bis 2030. Die dritte Säule Wasserstofftechnologie haben wir ein Stück nach rechts verschoben, weil wir sehen, dass wir die Infrastruktur für den Wasserstoff nicht vorfinden.
"Wenn wir heute ein neues Flugzeug in Dienst stellen, dann können Sie damit bis zu 20 Prozent Kerosin einsparen."
Heißt, der Wasserstoffflieger ist nicht aufgegeben?
Nein, auf keinen Fall. Wir hatten das Ziel, bis 2035 ein solches Flugzeug vorzustellen. Aber ohne Infrastruktur macht das keinen Sinn. Die Brennstoffzelle wird der Weg sein im Vergleich zur Direktverbrennung von Wasserstoff. Am Ende des Tages wird nur die Wasserstofftechnologie CO2 einsparen. Auch die Emission von NOX, das für die Kondensstreifen verantwortlich ist, lässt sich damit kontrollieren. Das ist die Technik der Zukunft.
"Am Ende des Tages wird nur die Wasserstofftechnologie CO2 einsparen. Auch die Emission von NOX, das für die Kondensstreifen verantwortlich ist, lässt sich damit kontrollieren. Das ist die Technik der Zukunft."
Ist denn wenigstens SAF-Treibstoff ausreichend und überall verfügbar? Schließlich sind Fluggesellschaften bereits heute zur Beimischung verpflichtet.
Wir wollen bei SAF auch mit gutem Beispiel vorangehen. So nutzen wir SAF für unsere Beluga-Flüge oder bieten es den Kunden bei Auslieferungsflügen an. SAF ist heute nicht mehr Labormaßstab mit Pipette und weißem Kittel, sondern wir füllen rund 20 Tonnen in den Bauch einer Beluga beim Flug von Norddeutschland nach Toulouse.
Herr Walter, das Thema Fachkräftemangel scheint Sie trotz dieser technologischen Herausforderungen im Flugzeugbau nicht zu bedrücken.
Wir haben den Hochlauf in den letzten Jahren eigentlich gut regeln und ausreichend Fachkräfte gewinnen können. Mit Blick auf die Zukunft sollten wir uns durchaus Sorgen machen, was den Nachwuchs an Ingenieuren angeht. Da gibt es nicht nur Wettbewerb mit anderen Branchen in Deutschland. Auch die Zahl der Studienanfänger sinkt. Den Bedarf an Fachkräften können wir nur dann decken, wenn wir international interessant bleiben und Fachkräfte aus anderen Nationen anlocken können. An unserem Standort Hamburg arbeiten Menschen aus 60 Ländern.
"Mit Blick auf die Zukunft sollten wir uns durchaus Sorgen machen, was den Nachwuchs an Ingenieuren angeht. "
Sie selbst sind Maschinenbauingnieur und seit fast zwei Jahrzehnten im Flugzeugbau. Wie werben Sie Nachwuchskräfte heute und welche Ausbildung würden Sie denen empfehlen?
Das ist Hochtechnologie, was wir hier in Europa machen. Davon gibt es nicht mehr so viel. Empfehlen würde ich alles, was Richtung Technik und Digitalisierung geht. Das brauchen wir.
[1] regionaler Wertschöpfungsanteil der Produkterstellung, der sich durch Erbringung lokaler bzw. nationaler Zulieferteile bzw. am Montagestandort erbrachter Arbeitsleistung aufaddiert
Die „DVFragt nach-Interviews“ geben die Meinung der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner wieder.