EU Recovery Program: 5 Punkte für einen starken Mobilitätssektor

Für einen wirkungsvollen Hochlauf der EU-Verkehrswirtschaft

Berlin, 15. Mai 2020 – Mit Blick auf den Corona-Wiederaufbauplan, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am kommenden Mittwoch vorstellen will, erklärt DVF-Präsidiumsvorsitzender Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner heute in Berlin: „Mit unseren 5-Punkten für einen starken Mobilitätssektor haben wir Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen einen Fahrplan für einen wirkungsvollen Hochlauf des europäischen Verkehrssektors an die Hand gegeben.“

„Eine schwere europaweite Rezession erscheint derzeit als sicher. Es ist daher richtig, bereits jetzt die Möglichkeiten zu durchdenken, wie die europäische Wirtschaft sich nach dem Abklingen der Pandemie nicht nur wieder erholen kann, sondern darüber hinaus die Weichen für Innovation und nachhaltiges Wachstum richtig zu stellen“, so Klinkner weiter. Das Recovery Program europäisch zu denken, sei logisch und notwendig, da die europäischen Volkswirtschaften äußerst eng verflochten seien. Unter den 10 wichtigsten Handelspartnern Deutschlands sind 2019 acht europäische Nachbarländer, davon sieben EU-Staaten.

„Die Maßnahmen eines europäischen Recovery Program müssen die EU langfristig stärken“, sagt der DVF-Präsident. Ziele seien die nachhaltige Belebung der europäischen Wirtschaft und gleichzeitig die stärkere Integration innerhalb der EU sowie die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit bei gleichzeitiger Stärkung der Handelsbeziehungen zu außereuropäischen Partnern. Zudem müsse die europäische Förderung auf Zukunftsmärkte ausgerichtet sein. Dazu zählen insbesondere Digitalisierung inklusive KI und digitale Infrastruktur, Forschung, Mobilfunk, Security und Gesundheit. Zoll- und Handelsschranken mit Drittländern müssten abgebaut werden, sofern dies auch umgekehrt gewährleistet werde.

Die 5 Punkte für einen starken Mobilitätssektor sind:

1. Investitionen in die Infrastruktur hochfahren und Hürden abbauen

Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind weiter zu erhöhen. Infrastrukturprojekte weisen nach Berechnungen des McKinsey Global Institute eine volkswirtschaftliche Rendite von rund 20 Prozent auf. Es ist deshalb notwendig, den mittelfristigen Finanzrahmen der EU schnellstmöglich zu verabschieden. Gleichzeitig gilt es, Hemmnisse bei der Planung und Realisierung von Projekten abzubauen. Die stetig wachsenden Anforderungen im materiellen Umweltrecht und Umweltverfahrensrecht der EU müssen effektiv gehandhabt und dürfen nicht weiter verschärft werden. Ein ökonomischer Fitness-Check und eine bessere Abwägung in der europäischen Regulierung sind deshalb notwendig. Das betrifft beispielsweise Planungsthemen im Hafenbereich, bei Verkehrsinfrastrukturen, Lärmschutz-Regulierungen, NOx-Emissionen usw. Das Erschließen neuer industrieller Felder wie Elektromobilität, Wasserstoffwirtschaft, Digitalisierung und KI wird nach der Corona-Krise wirtschaftlich noch weiter an Bedeutung gewinnen. Schnelligkeit bei der Umsetzung und Nachhaltigkeit sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander.

2. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sichern, um Klimaziele zu erreichen

Die deutsche Mobilitätswirtschaft bekennt sich zur Einhaltung der Klimaziele für 2030 und 2050. Die Mobilitätswende bringt jedoch bereits in wirtschaftlich normalen Zeiten die Unternehmen vielfach an die Grenzen ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Auf eine weitere Verschärfung der Klimaziele 2030, wie sie mit der Diskussion zum European Green Deal angestoßen wurde, sollte die EU verzichten. Es gilt, sich auf die Einhaltung der bisher geltenden Reduktionsziele zu konzentrieren und die Unternehmen darin zu unterstützen, diese zu erreichen. So wird etwa diskutiert, dass das Ambitionsniveau ab 2021 nicht linear, sondern zeitlich gestreckt ansteigt: bis 2025 moderat, ab 2025 deutlich, nach 2030 nochmals stärker. Dies würde der tatsächlichen Entwicklung von Technologie und Märkten entsprechen.

Für den Luft- und Seeverkehr müssen marktbasierte Instrumente im internationalen Rahmen umgesetzt werden. Die EU darf den Alleingang beim Emissionshandel in diesen Bereichen nicht verlängern oder ausbauen. Gerade nach der Krise gilt: Das Erreichen ambitionierter Ziele braucht eine solide wirtschaftliche Basis.

3. Standort stärken durch europäische Champions

Das europäische Kartellrecht muss sinnvolle Fusionen europäischer Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen, ermöglichen. Der Blick nur auf den europäischen Markt wäre hier zu eng geführt. Angesichts großer internationaler Unternehmenszusammenschlüsse ist dies die einzige Möglichkeit, den Industrie- und Produktionsstandort Europa zu stärken und einen Ausverkauf der europäischen Unternehmen zu verhindern. Gleichzeitig sind Übernahmen europäischer Unternehmen durch Dritte unter strenge Auflagen zu stellen. Bei einer Verschiebung der wirtschaftlichen Kräfte auf dem Weltbinnenmarkt darf Europa nicht verlieren!

4. Zukunftsmärkte in europäischer Zusammenarbeit erschließen

Die Erschließung von Zukunftsmärkten für europäische Technologie und die Beschaffung von Rohstoffen aus Drittländern müssen als gemeinsames europäisches Projekt betrieben werden, und zwar entlang der Standards der internationalen Initiative für mehr Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor (EITI). Die Investitionsanstrengungen, die etwa zur Entwicklung der Wasserstofftechnologie notwendig sind oder aber der Aufbau großer Kapazitäten zur Erzeugung synthetischer Kraftstoffe sind nur in europäischem Rahmen sinnvoll. Nur so kann der Industriestandort Europa sich kompetitiv zu globalen Player positionieren. Eine europäische Industriepolitik ist nötiger denn je.

5. Tempo und Effizienz durch Harmonisierung von Standards erreichen

Für ein zügiges Hochfahren des Verkehrs- und Logistiksektors nach der Krise ist es wichtig, dass wir in verschiedenen Sektoren mehr Effizienz durch Harmonisierung erreichen. So geht es darum, eine EU-weit einheitliche Tank- und Ladeinfrastruktur für alternative Antriebe und Kraftstoffe und einheitliche Rahmenbedingungen etwa mit Blick auf die Bereitstellung von Wasserstoff zu schaffen. Diese Maßnahmen sparen Geld und motivieren die Kunden dazu, auf die E-Mobilität und alternative Antriebe umzusteigen. Ein weiteres Feld für die Harmonisierung sind das automatisierte Fahren und die vernetzte Mobilität. Auch die Verwirklichung des Single European Sky würde die Airlines von überflüssigen Kosten entlasten und darüber hinaus einen bedeutenden Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten. In der Harmonisierung von Standards liegen die größten Effizienzgewinne.