DVF: Wasserstoff und E-Fuels ambitioniert vorantreiben

Bund muss bessere Rahmenbedingungen für klimaschonende Kraftstoffe schaffen

DVF: Wasserstoff und E-Fuels ambitioniert vorantreiben

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Berlin, 20. November 2020 - Bei der Podiumsdiskussion des Deutschen Verkehrsforums zu Wasserstoff und E-Fuels hat Wolfgang Langhoff, Vorstandsvorsitzender BP Europa SE und DVF-Präsidiumsmitglied, dafür plädiert, die Umsetzung der deutschen Wasserstoffstrategie entschlossener anzugehen, sonst werde das Ziel von minus 40 Prozent weniger CO2 im Verkehrssektor bis 2030 nicht erreicht: „Selbst ein rasanter Zuwachs von Elektrofahrzeugen von sieben bis zehn Millionen Fahrzeugen bis 2030 wird nur die Hälfte der notwendigen CO2-Reduktion ermöglichen. Das heißt, dass ein erheblicher Reduktionsbeitrag von flüssigen oder gasförmigen Lösungen kommen muss.“

Insbesondere Wasserstoff und Wasserstoffderivate seien elementar für den Klimaschutz. „Grundvoraussetzung für den Roll-Out der Wasserstoffwirtschaft ist eine Umsetzung der europäischen Richtlinie für erneuerbare Energien RED II, die es ermöglicht, aus dem anfänglich noch teuren grünen Wasserstoff einen Business-Case zu machen. Im Vergleich zum Erstentwurf des Bundesumweltministeriums braucht die Industrie eine ambitionierte und verlässliche Umsetzung der RED II in Deutschland mit einer Anrechnungsfähigkeit von grünem Wasserstoff für die Reduzierung von CO2 im Verkehrssektor und eine Doppelanrechnung auf die Treibhausgasquote“, so Langhoff weiter.

Dem Appell einer ambitionierten Umsetzung der Wasserstoffstrategie schloss sich Andreas Feicht, Staatssekretär, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie an: „Von staatlicher Seite wollen wir den Markthochlauf mit erheblichen Mitteln aus dem Konjunkturprogramm unterstützen. Neben der Förderung sind für die Markthochlaufphase aber auch richtige Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung. Dazu gehören zum Beispiel eine ambitionierte RED II-Umsetzung und die EEG-Umlagebefreiung von Elektrolyseuren, wofür sich das Bundeswirtschaftsministerium einsetzt.“

Damit im Mobilitätssektor eine Nachfrage seitens der Nutzer nach Wasserstoff entstehen kann, sollte auch nach den Worten von Prof. Dr. Armin Schnettler, CEO New Energy Business, Siemens Energy AG, die RED II schnell umgesetzt werden: „Das wird zu einem deutlichen Anstieg der Nachfrage führen – und über synthetische Kraftstoffe sofort zu einer Senkung der CO2-Emissionen. Wir müssen die Wasserstoffwirtschaft jetzt schnell in die industriell skalierte Umsetzung bringen – nicht mehr in „kleinen Pilotprojekten“ denken.“

Um den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu beschleunigen, sei es entscheidend, dass der Wasserstoff seinen Vorteil, nämlich die Speicherbarkeit, endlich ausspielen könne, sagte Dr. Ingrid Nestle MdB, Sprecherin für Energiewirtschaft, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. „Dafür ist es notwendig, den Strom für die Herstellung von Wasserstoff gezielt dann günstig zu machen, wenn die Erneuerbaren viel Strom erzeugen.“

Feste Quote für Wasserstoff als Anreiz

Zur Frage, welche Verkehrsträger zunächst von Wasserstoff versorgt werden sollte, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete: „E-Fuels werden eine zentrale Rolle im Flugverkehr und in der Schifffahrt spielen. Aus meiner Sicht ist noch offen, wo Wasserstoff direkt eingesetzt werden wird und wo synthetische Kraftstoffe die beste Option sein werden. Letztere sind deutlich leichter im Handling, so dass sich auch die relativ teure Abscheidung von CO2 aus der Luft lohnen könnte. Eine feste Quote für synthetisches Kerosin könnte einen wichtigen Anreiz darstellen, um den Aufbau einer nationalen und internationalen Wasserstoffwirtschaft zu fördern."

Einfache Tankinfrastruktur für Lkw nötig

Um Brennstoffzellen-Lkw erfolgreich im Markt zu etablieren, müssten Kunden mit ihnen wettbewerbsfähig arbeiten können – und sie müssten Wasserstoff künftig ähnlich unkompliziert tanken können wie heute Diesel. Das sei für die Hersteller im Lkw-Markt wichtig, skizzierte Sven Ennerst, Mitglied des Vorstands – Entwicklung, Einkauf und Region China, Daimler Truck AG. Daher wirke man aktiv an der Standardisierung für die Erzeugung und Betankung von grünem Wasserstoff mit, damit sich die Technologie flächendeckend im Transportgewerbe etablieren könne. „Wir tauschen uns hierzu mit Industrie, Mineralöl-Unternehmen, Komponentenherstellern und der Politik aus, um frühzeitig mit dem Aufbau zu beginnen – unsere Präferenz liegt dabei auf flüssigem Wasserstoff. Dieser lässt sich preiswert global erzeugen und transportieren, so dass wir damit einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Verfügbarkeit knapper erneuerbarer Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland leisten. Darüber hinaus sind staatliche Lenkungseingriffe nötig, um grünen Wasserstoff in der Breite zu produzieren und zum Einsatz zu bringen.“

Treibstoff der Zukunft

„Für die Luftfahrt ist Wasserstoff der Treibstoff der Zukunft“, so Lars Wagner, Vorstand Technik, MTU Aero Engines AG. Dafür seien Investitionen in die Industrialisierung, in den Ausbau der notwendigen Infrastruktur ebenso notwendig wie eine Intensivierung der anwendungsbezogenen Forschung. „Das vorhandene Budget für die nationale Wasserstoffstrategie, Mittel aus dem Luftfahrtforschungsprogramm der Bundesregierung sowie die Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer sollten dafür zielgerichtet eingesetzt werden.“

Auch die Nutzfahrzeug-Branche fokussiere sich auf den Bereich, den man technologisch direkt beeinflussen könne, erläuterte Daimler Truck Entwicklungs-Vorstand Ennerst: „Konkret treiben wir vollständig lokal CO2-neutrale, rein elektrische Antriebstechnologien basierend auf Batterie und Wasserstoff bzw. Brennstoffzelle voran. Wir sehen bei beiden Technologien das Potenzial, dass diese sich bei geeigneter Anpassung der Rahmenbedingungen am Markt durchsetzen werden.“

Staatssekretär Feicht betonte, dass die laufende deutsche EU-Ratspräsidentschaft eine exzellente Gelegenheit sei, um das Thema Wasserstoff proaktiv auf europäischer Ebene voranzubringen. „Deutschland strebt hierzu eine gemeinsame Antwort der Mitgliedstaaten auf die Wasserstoffstrategie der EU-Kommission und hat hierfür eine gemeinsame Ratsschlussfolgerung zum Abschluss der deutschen Präsidentschaft angepeilt. Zudem sind auch die Important Projects of Common European Interest (IPCEI) zu Wasserstoff von großer Bedeutung. Wir werden hierzu demnächst das nationale Interessenbekundungsverfahren starten. Etliche deutsche Unternehmen haben uns bereits im Vorfeld Projektvorschläge unterbreitet.“

Die DVF-Podiumsdiskussion stand unter dem Motto „Elektromobilität sucht Verstärkung – Wie schaffen wir Wasserstoff und E-Fuels bis 2030?“. Batterieelektrische Antriebe werden zum Kernbaustein zukünftiger Mobilität im Straßenverkehr. Sie müssen aber für den Verkehrssektor insgesamt durch weitere Lösungen unterstützt werden. Im Mittelpunkt des Abends stand daher die Frage, was in den nächsten Jahren konkret zu tun ist, damit Wasserstoff und E-Fuels als Energiebasis im Mobilitätssektor erfolgreich aufgebaut werden können.