Van Hoorn: Wir brauchen schnelles Internet an jeder Milchkanne

DVF-Quergedacht: Zwischen Milchkanne und Metropole: wie wir Mobilitätswende in Stadt und Land schaffen

Van Hoorn: Wir brauchen schnelles Internet an jeder Milchkanne

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Berlin, 9. Dezember 2020 – Bei der DVF-Veranstaltung am Montagabend über die Zukunft der Mobilität in Stadt und Land hat DVF-Geschäftsführerin Dr. Heike van Hoorn eine zügige Versorgung mit schnellem Internet auf dem Land gefordert: „Bei der Frage, wie wir die Mobilitätswende schaffen, wird die Digitalisierung eine Schlüsselrolle spielen – und zwar auch auf dem Land. Nicht nur deshalb, weil die Digitalisierung die Grundlage für nachhaltigere und effizientere Mobilität ist, sondern auch, weil sie die Menschen in ihrer Entscheidung freier macht, wo sie leben wollen: in der Stadt oder auf dem Land. Dafür brauchen wir mindestens LTE an jeder Milchkanne.“

Auch die Geschäftsführerin der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH (VBB), Susanne Henckel, betonte die große Bedeutung der Digitalisierung: „Ein starker ÖPNV mit einem fairen und die letzte Meile umfassenden Angebot ist ein ganz wichtiger Baustein für gleichwertige Lebensverhältnisse überall. Für digitale Angebote, die Möglichkeit zum Home Office und eine breite Vernetzung ist aber noch ein weiterer Baustein essenziell: schnelles Internet.“ Prof. Dr. Reint E. Gropp Ph. D., Präsident des Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, befürchtete, dass in Zukunft die digitale Transformation weniger vorangetrieben werde, weil nach der Corona-Krise das Geld nicht da sei. Aus ökonomischer Sicht sei die Mittelverwendung dort am ertragreichsten, wo tatsächlicher Bedarf herrsche.

Gropp: „Ich denke schon, dass demographische Prognosen, die tendenziell recht genau sind, in die Subventionsentscheidungen und Planungsentscheidungen der Kommunen mit einfließen sollten. Sonst riskieren wir es, viele weiße Elefanten ins Nichts zu bauen. Dort wo heute und morgen Bedarf nach öffentlicher Infrastruktur ist, da sollte sie auch bereitgestellt werden. Und nicht dort, wo die Leute wegegezogen sind.“

Gesellschaftlicher Zusammenhalt

Demgegenüber hob van Hoorn die gesellschaftliche Dimension von Verkehrsangeboten und Digitalisierung hervor: „Die Mobilität von Menschen, Gütern und Daten ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Letztlich geht es hier um Zukunft und Lebensqualität, also um Bahn- und Busverbindungen, um schnelles Internet, im Notfall erreichbare Krankenhäuser und um Schulen. Deshalb werden erhebliche Finanzmittel in den ländlichen Raum investiert, beispielsweise mittels der Regionalisierungsmittel für den Schienenverkehr, mit dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz oder im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes für die Kohleregionen.“

Ebenfalls warb Henckel für den Einsatz öffentlicher Mittel: „Der ÖPNV macht die Verkehrswende in Stadt und Land erreichbar, braucht dafür aber Investitionen ins System und – neben Ticketeinnahmen und öffentlichen Zuschüssen – eine dritte Finanzierungssäule“, forderte die VBB-Geschäftsführerin. Zu dieser dritten Finanzierungssäule gehörten beispielsweise Instrumente wie die City-Maut.

Lösungen für Mobilitätswende auf dem Land

Henckel zeigte die Möglichkeiten für eine Mobilitätswende im ländlichen sowie im städtischen Raum auf. Den Schlüssel sah sie in einem starken ÖPNV und alternativen Antriebstechnologien: „Die Anfordernisse an das Verkehrsangebot sind dabei natürlich nicht immer deckungsgleich, die Herausforderung der Klimawende gilt aber überall. Gerade Ride-Pooling – oder wie früher, der gute Rufbus – und automatisiertes Fahren haben auf dem Land sehr viel Potenzial und werden auch außerhalb der sehr gut angebundenen Innenstadtbezirke bereits getestet und umgesetzt.“

Kritischer beurteilte Gropp diese Möglichkeiten: „Ich denke nicht, dass automatisiertes Fahren, Sharing etc. die Mobilitätsprobleme der ländlichen Regionen lösen können. Solche Modelle funktionieren gut in der Stadt, um die Verstopfung und die Staus zu reduzieren, aber nicht auf dem Land, wo es einfach an der Nachfrage mangelt, weil die Bevölkerungsdichte zu niedrig ist.“

In der Stadt hingegen sah Gropp den mangelnden Platz als größte Herausforderung an: „Die existierende Infrastruktur muss besser genutzt werden“, forderte er. Dem stimmte Henckel zu und sah darüber hinaus die lange Realisierungszeit für Infrastrukturprojekte als Problem: „Wir sind zu langsam."