Klinkner fordert mehr Mut zu neuen Finanzierungsformen

  • ​​​​​​Höhere Investitionen für Infrastrukturvorhaben und Transformation notwendig
  • Sondervermögen oder Eigenbewirtschaftung für Infrastrukturprojekte einführen
  • Langfristige Finanzierungsvereinbarung für den Erhalt der Bundesfern- und Wasserstraßen

Berlin, 16. März 2022 – DVF-Präsidiumsvorsitzender Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner hat den Kabinettsentwurf für den Bundeshaushalt 2022 aus Sicht der Mobilitätswirtschaft bewertet: „Dieser Entwurf schreibt den Investitionshochlauf der Vorjahre fort und setzt wichtige Akzente bei der Digitalisierung und Transformation des Mobilitätssektors. Die Bereitstellung von 200 Milliarden Euro bis 2026 für die Energie,- Verkehrs- und Industriewende ist insgesamt zu begrüßen. Dennoch bleiben dringende Finanzierungsfragen offen, an denen das Gelingen der Mobilitäts-, Energie- und Digitalwende hängt. So wird etwa die notwendige Digitalisierung der Schiene ausgebremst und die Verwendung der Finanzmittel aus dem Klima- und Transformationsfonds erfolgt nur teilweise zusätzlich zu den bereits bestehenden Investitions- und Förderlinien der einzelnen Ressorts.“

Klinkner forderte: „Wir erwarten mehr Mut von der Ampelkoalition für neue Finanzierungsstrukturen. Der Infrastrukturbereich benötigt für die gleichzeitige Transformation der Mobilität, der Energieversorgung und der Digitalisierung höhere und längerfristig verbindliche Investitionsmittel. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe kann nicht allein aus dem Bundeshaushalt bewältigt werden und bedarf einer zusätzlichen gesicherten Finanzierungsgrundlage. Nur so kann die Klimaschutzstrategie im Einklang mit den Vorgaben der Daseinsvorsorge umgesetzt werden.“

Deshalb müssten nach Einschätzung des DVF-Präsidiumsvorsitzenden die hierfür nötigen Finanzmittel langfristig festgeschrieben und verbindlich zugesagt werden, idealerweise durch ein Sondervermögen oder Infrastrukturgesellschaften zur Eigenbewirtschaftung. „Für den Erhalt der Netze haben sich vertragliche Vereinbarungen wie die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und DB AG bewährt. Die Lernkurve sollte jetzt bei den Bundesfernstraßen und den Wasserstraßen mit entsprechenden 10-jährigen Finanzierungsvereinbarungen fortgesetzt werden“, so Klinkner weiter.

 

 

 

Bewertung einzelner Bereiche:

Die Haushaltsansätze für die Verkehrsinvestitionen gleichen die massive Kostensteigerung der vergangenen Jahre für Bauleistungen und Rohstoffe bei weitem nicht aus. Bei Straßen- und Eisenbahnbrücken klafft eine riesige Investitionslücke. Bei den Bundeswasserstraßen wurde die mittelfristige Finanzplanung reduziert. Die mittelfristige Finanzplanung ist für alle Verkehrsträger anzuheben.

Sehr hohe Investitionen sind auch für die Antriebsumstellung und die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und Strom im Verkehrssektor erforderlich. Das DVF begrüßt daher die Zweckbindung der Mittel im Klima- und Transformationsfonds. Die Anhebung der Förderung für E-Pkw und Ladeinfrastruktur im Jahr 2022 ist gut. Allerdings ist nicht nachvollziehbar, warum die Ausgaben für Elektromobilität und Ladeinfrastruktur im Finanzplan der Bundesregierung bereits ab 2023 signifikant sinken sollen. Auch die Reduzierung der Anschaffungsförderung für saubere Nutzfahrzeuge im Wirtschaftsplan des EKF für 2022 wirft Fragen auf. Bis 2030 muss der Mobilitätssektor zusätzlich zur Umstellung der Pkw auch die Elektrifizierung des Straßengüterfernverkehrs bewerkstelligen. Dies bedarf deutlich höherer, nicht niedrigerer Investitionen.

Mehr Engagement des Bundes ist außerdem bei der Versorgung des Verkehrssektors mit grünem Wasserstoff und E-Fuels erforderlich. Zuweisungen und Zuschüsse für die Klimaneutralität der Luftfahrt will die Bundesregierung in 2022 erhöhen. Leider werden jedoch an anderer Stelle Investitionen in saubere Flugkraftstoffe und -antriebe im selben Umfang gekürzt. Die Bereitstellung von 30 Millionen Euro in 2022 für klimaneutrale Schiffe ist hingegen ein positives Signal.

Gravierend ist das Stoppschild, das der Bundeshaushalt 2022 der Digitalisierung der Schiene entgegenhält. Statt die bestehende Finanzierungslücke für die Modernisierung und Automatisierung der Schiene zu schließen, stellen sinkende Investitionsmittel das Gesamtprojekt in Frage. Die Digitalisierung der Schiene ist der entscheidende Schlüssel für mehr Kapazität im Netz. Jährliche Investitionen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro wären bei linearer Investitionslinie bis 2035 nötig. Das Gesamtprojekt schlägt laut Studie des Bundesverkehrsministeriums aus dem Jahr 2018 mit 32 Milliarden Euro zu Buche. Der Bund plant für 2022 lediglich 580 Millionen Euro ein. So kann aufgrund fehlender Bundeshaushaltsmittel in Milliardenhöhe weder der Scan-Med-Korridor als Starterpaket-Projekt bis zum Jahr 2030 noch der bundesweite DSD-Rollout bis zum Jahr 2035 gelingen.