Mobilität für Deutschland - Pressespiegel

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Familienabteile werden von Kleingruppen zweckentfremdet

19.06.2025

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In der Debatte um das Ende der günstigen Familienreservierung rechtfertigt sich jetzt Bahnchef Richard Lutz: Statt Eltern mit Kindern nutzten auch viele Kleingruppen das Angebot, daher habe der Konzern reagieren müssen.

In der aufgeheizten Debatte um die Abschaffung der Familienreservierung hat erstmals der Vorstand der Deutschen Bahn Stellung bezogen und seine Entscheidung gegenüber der Politik gerechtfertigt. Die pauschale Familienreservierung für zuletzt 10,40 Euro sei in den vergangenen Jahren immer wieder missbräuchlich genutzt worden, schreiben Bahnchef Richard Lutz und der für den Fernverkehr zuständige Vorstand Michael Peterson in einem Brief an die Riege von Politikern und Verbänden, die die Entscheidung zuletzt scharf kritisiert hatten. Dies sei etwa durch übermäßige Platzbuchungen und Mehrfachreservierungen geschehen oder durch Kleingruppen, die das Angebot zweckentfremdet hätten.

Die Folge: Viele reservierte Sitzplätze blieben nach Angaben des Staatskonzerns leer, während tatsächlich reisende Familien oft keine Plätze mehr buchen konnten. Das Fazit des Vorstands: „Um diese strukturellen Fehlentwicklungen zu beheben und eine effizientere Sitzplatzauslastung zu erreichen, war eine Neujustierung unumgänglich“, heißt es in dem Brief, der der F.A.Z. vorliegt.

Bei der missbräuchlichen Verwendung nutzten die Kunden die Tatsache aus, dass der Betrag einer Familienreservierung den Kosten von zwei reservierten Plätzen von bisher jeweils 5,20 Euro entsprach. Die Kostenersparnis ergab sich also schon bei einer Reservierung von drei Plätzen. Immer wieder sollen Zugkontrolleure allerdings im Familienabteil auf reine Erwachsenengruppen gestoßen sein, die die Abgeschiedenheit des Abteils zum Beispiel für Arbeitsbesprechungen nutzten, heißt es aus Bahnkreisen. (...)

Mischt sich die Politik an den falschen Stellen ein?

Umgekehrt sorgte die anhaltende Debatte sowohl in der Branche als auch in der Belegschaft für Irritationen, schließlich verhallen auf der anderen Seite die Forderungen nach politischen Vorgaben für die strategische Ausrichtung der Bahn schon seit langer Zeit fast ungehört. „Die anhaltende Debatte um die Familienreservierung sollte die Politik als Anlass nehmen für eine Diskussion über die Aufgaben der Bahn in den kommenden Jahren“, findet etwa Ralf Damde, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von DB Regio und Aufsichtsrat des Konzerns. Dabei könne es auch darum gehen zu entscheiden, ob die Bahn gewinnorientiert arbeite und in welchen Bereichen sie stärker gemeinwohlorientiert ausgerichtet sein solle.

Auch die Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrsforums, Heike van Hoorn, hält es für symptomatisch, dass sich Politiker nur in die Debatte um die Familienreservierung einmischen, aber die Rolle der Bahn in den kommenden Jahren nicht thematisieren. Sie verweist darauf, dass die Bahn im Wettbewerb mit privaten Anbietern stehe und Gewinne erwirtschaften müsse.