Digitalisierung beim Personenverkehr

Unternehmen müssen das Thema Digitalisierung "leben"

Quelle: DVF/Phtotothek
Quelle: DVF/Phtotothek

„Für unsere Kunden sind kosten- und zeitoptimierte Tür-zu-Tür Wegeketten der zentrale Erfolgsfaktor, den wir nur gemeinschaftlich in der Mobilitätsbranche realisieren können. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir unsere Fahrplandaten, Daten zu Sharing-Diensten und sonstigen Mobilitätsanbietern in einer offenen Datenplattform zur Verfügung stellen“, plädierte Stephan Krenz, Mitglied des Präsidiums Deutsches Verkehrsforum (DVF), Vorsitzender der Geschäftsführung Abellio GmbH, beim DVF Dialog-Forum auf der Innotrans zum Thema „

„Dazu gehört auch, dass jeder Kunde sein Ticket von jedem Start zu jedem Ziel in Deutschland möglichst digital erhalten kann“, erklärte Krenz weiter. Er begrüßte die erweiterten Angebote der Sharer und forderte seine Branche auf, deutlich agiler zu werden sowie schnell passgenaue und innovative Angebote für die Fahrgäste auf den Markt zu bringen. Eine übergreifende, offene, möglichst verkehrsträgerübergreifende Datenplattform, aus der sich die Mobilitätsanbieter bedienen können, sei ein Instrument, um passgenaue Angebote für die Kunden zu entwickeln.

Daten sind Rohstoff der Zukunft

Dem konnte sich Thomas Jarzombek MdB, Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion im Ausschuss für die Digitale Agenda anschließen: „Die Nutzung von Daten als den Rohstoff der Zukunft schafft Chancen für den öffentlichen Verkehr. Wenn wir die Daten aus modernen Fahrzeugen in Echtzeit verarbeiten und nutzen können, wird uns die Mobilitätswende 4.0 gelingen.“

Jarzombek mahnte aber auch, dass „die Digitalisierung im öffentlichen Verkehr ein innovationsfreundliches Klima braucht. In unterschiedlichsten Bereichen der Industrie sehen wir, dass eine florierende Startup-Kultur hierzulande ein idealer Nährboden für Innovationen ist.“ Ihm sei es zudem wichtig, dass neue Mobilitätsdienste mit innovativen Geschäftsideen auch aus Deutschland kommen.

„Neue intelligente Mobilitätsdienste können wesentliche Beiträge zur Verkehrswende

leisten“, sagt Berthold Huber, DB-Konzernvorstand Personenverkehr aus Sicht eines großen Verkehrsdienstleisters. „Mehr Mobilität bedeutet jedoch nicht automatisch weniger Verkehr. Das schaffen vor allem Tür-zu-Tür-Angebote, die in den ÖPNV integriert sind. Alles andere wirkt dem Verkehrskollaps in unseren Innenstädten nicht entgegen.“

ÖPNV geht neue Wege

Aus der Praxis zeigte Eva Kreienkamp, Geschäftsführerin Mainzer Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) das Beispiel „Öffentliche Mobilität - vernetzt und digital“ in Kooperation und Ko-Kreation mit privaten Mobilitätsanbietern. „Dieses Projekt leistet einen Beitrag zur Verkehrs- und Klimawende. Voraussetzungen sind klare Spielregeln, Experimentierfreude  und faire Finanzierungsmodelle der notwendigen Infrastrukturen solcher gemeinsamen Projekte in Private-Public-Partnerships. Dass zeigt der Modellversuch EMMA zwischen der R+V Versicherung und der Mainzer Mobilität", erläuterte Kreienkamp.

Als neuer Player und Start-up bietet MOIA GmbH zunächst in Hamburg und Hannover die gesamte Wertschöpfungskette des Ridesharings an, vom Fahrzeug über die Software-Umgebung bis hin zum operativen Flottenmanagement. MOIA CEO Ole Harms erklärt: „Wir möchten gemeinsam mit den anderen Mobilitätsanbietern einer Stadt die Verkehrswende erreichen. Unser Ziel ist, dass die Menschen ihr privates Fahrzeug stehen lassen und auf einen hochwertigen Mix verschiedener Angebote umsteigen. Der ÖPNV und das Taxi hinterlassen im Modalmix einer Stadt eine große Lücke, die durch Sharing-Angebote wie MOIA geschlossen werden kann. Eine Zusammenarbeit aller Mobilitätsanbieter ist daher notwendig, um die Bürger von der Verkehrswende zu überzeugen.“

Rennen im Smart Mobility offen

Joris D’Incà, Partner bei der Strategieberatung Oliver Wyman, sagt: „Noch ist das Rennen im Smart Mobility Markt völlig offen. Traditionelle Transportunternehmen, Online-Giganten aber auch innovative Start-ups bieten sich bislang ein Kopf-an Kopf-Rennen. Gewinnen werden letztendlich diejenigen, die neue Allianzen eingehen und auch den Mut haben, die Konkurrenz zu empfehlen, wenn diese günstiger oder schneller ist.“

„Digitalisierung und Vernetzung sind der Schlüssel zum Erfolg für den ÖPNV - wer das nicht erkennt und Kundenwünsche ignoriert, wird schnell abgehängt“, führt Tolga Erdogan, Digital Innovator, Ramboll GmbH, weiter aus.

Rechtsrahmen anpassen

Um neue Mobilitätsformen zu ermöglichen, muss das Personenbeförderungsgesetz angepasst werden. Diese Ansicht vertrat Torsten Herbst MdB, Obmann der FDP Bundestagsfraktion im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur: „Innovative Mobilitätslösungen brauchen beispielsweise eine intelligente Verkehrssteuerung, flexible Formen der Personenbeförderung und umweltfreundliche Antriebstechnologien. Um die individuelle Mobilität zu verbessern und digitale Mobilitätskonzepte zu ermöglichen, ist eine Modernisierung des Personenbeförderungsgesetzes daher unabdingbar."

So sah es auch Roland Werner, Uber Germany GmbH. Allerdings gehe die Anpassung des Rechtsrahmens an das digitale Zeitalter zum Teil nur langsam voran und werfe die Innovationskraft Deutschlands zurück. Werner konkretisierte: „Ein Beispiel aus unserem Alltag ist das Pooling-Verbot: Warum sollten zwei Mietwagen mit jeweils einem Passagier in die gleiche Richtung fahren, wenn sich die Fahrgäste Auto und Fahrpreis teilen könnten? Dies wäre durch einen Klick in der App möglich. Das Gesetz, das dies verbietet, stammt aber aus einer Zeit, in der es noch keine Apps gab. Regulierungen wie diese verhindern, dass die Technologie ihren Effekt hin zu mehr Effizienz und weniger Verschwendung von Ressourcen voll entfaltet und dass sich Innovationen in Deutschland durchsetzen können.“

Wichtig war Werner zudem das Thema Datenschutz mit Blick auf neue Geschäftsmodelle und Sharing Economy. Man solle dieses Thema sehr konkret diskutieren: „Wenn beispielsweise anonymisierte Daten im Mobilitätssektor verwendet werden, um schnellere Verbindungen zu schaffen, Nachfragespitzen abzufedern oder ein möglichst nahtloses Umsteigen in öffentliche Verkehrsmittel zu ermöglichen, dann wird das Angebot für den Nutzer stetig verbessert. Und das, ohne dass der Schutz der persönlichen Daten gefährdet wäre.“