3-Säulen-Strategie zur Krisenbewältigung
25.05.2020
Das DVF hat aus dem Kreise seiner Mitglieder Maßnahmenvorschläge für Mobilitätswirtschaft und Logistik in einem Maßnahmen-Tracker (lebensadernoffenhalten.de) zusammengetragen, die auf unterschiedliche Zielsetzungen einzahlen und im Folgenden als Drei-Säulen-Strategie vorgestellt werden. Wichtig ist: Die Maßnahmen aller drei Säulen müssen bereits jetzt eingeleitet werden! Mit Blick auf die Wirkungshorizonte langfristig greifender Instrumente müssen bei den Unternehmen schon heute die richtigen Impulse für Investitionen in die Zukunftssicherung und Wettbewerbsfähigkeit nach der Krise gesetzt werden.
Säule 1: Lebensadern offenhalten
Mobilität und Logistik haben für den Wiederhochlauf der Wirtschaft eine Schlüsselfunktion: Beschäftigte müssen sicher und zuverlässig an ihren Arbeitsplatz, Waren und Zulieferprodukte an ihren Bestimmungsort gebracht werden. Vor dem Hintergrund der Einschränkungen der individuellen Mobilität und des Güterverkehrs nebst einhergehenden massiven Nachfragerückgängen ist eine wirtschaftliche Aufrechterhaltung des Angebots seitens der Verkehrsunternehmen und Logistiker kaum möglich. Hier bedarf es unterstützender Maßnahmen, die nicht nur die wirtschaftliche Dimension, sondern auch das öffentliche Interesse berücksichtigen:
- Europäische Zusammenarbeit krisenfest machen, Grenzöffnung und -abwicklung europaweit koordinieren (z.B. mittels einheitlicher Fast Lanes an den Grenzen für Logistik und Pendler)
- Ausgewählte Regulierungskompetenzen im Verkehr in künftigen Krisensituationen befristet auf die Bundesebene ziehen, um gemeinsame Lösungen und Fristen sicherzustellen
- Systemrelevante Dienstleistungen erhalten (z.B. Flugsicherung, Sicherheitskontrollen, Zoll, Schleusendienste, Zulassungsinstanzen)
- Mobilität von Fachkräften ermöglichen (z.B. bei Grenzpendlern, Crew-Wechseln) und vorbeugende Quarantänemaßnahmen vermeiden
- Voraussetzungen für stärkere Digitalisierung der Logistikketten schaffen, um kontaktlose Abwicklung/Prozesse zu stärken (z.B. via e-Frachtbrief)
- Kontrolle von Schutzmaßnahmen als hoheitliche Aufgabe festschreiben, um Öffentlichen Verkehr zu entlasten
- Geltende Ausnahmebestimmungen und insbesondere vereinfachte Kontrollvorschriften bei Bedarf befristet fortführen (z.B. bei Betriebszeiten und Flughafenslots, Einfahrbeschränkungen, Qualifikationszeugnissen, Arbeitszeitbestimmungen)
Säule 2: Wirtschaft und Mobilität stabilisieren
Da eine Vielzahl der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie auf die Einschränkung der Verkehrsströme ausgerichtet ist, haben fast alle Unternehmen des Sektors mit einem massiven Nachfrageeinbruch zu kämpfen. Diesem stehen hohe Fixkosten gegenüber, die vor dem Hintergrund der bestehenden Reise- und Kontaktbeschränkungen einen kostendeckenden Betrieb unmöglich machen. Hersteller und Zulieferindustrie werden durch den Absatzeinbruch vor große Probleme gestellt. Gestörte Lieferketten haben empfindliche Auswirkungen auf die Produktionsabläufe. Zudem wirken die Verwerfungen in den Lieferketten auch auf den Logistiksektor, der z.T. dramatische Auftragsrückgänge verzeichnet und durch Grenzschließungen mit besonderen Härten konfrontiert ist.
Um diese Effekte aufzufangen, bedarf es auch weiterhin schnell wirkender Maßnahmen, die auf die Sicherung von Liquidität und Beschäftigung abzielen:
- EU-Beihilferegelungen großzügig handhaben, um direkte Liquiditätshilfen und Zuschüsse für die Mobilitätsbranche zu ermöglichen
- Abschreibungsbedingungen erleichtern, Grenze für Verlustrücktrag temporär ausweiten, Zahlungsziele bei Steuern und Gebühren verlängern
- Eigenkapitalvorschriften der Banken zur Stundung von Zins- und Tilgungszahlungen anpassen
- Befristete Flexibilisierung beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Urlaubsrecht ermöglichen
- Anwendungsbereich von Kurzarbeitergeld auf weitere Beschäftigtengruppen ausweiten, Bundesanteil aufstocken und Bezugszeitraum verlängern
- Mehrwertsteuersatz entlang der Mobilitätskette reduzieren
- Kompensationsforderungen für die Unternehmen abfedern; Gutscheinlösungen weiter vorantreiben
- Rettungsschirm für ÖPNV und SPNV errichten, Pönalen aussetzen
- Übernahme der Luftsicherheitsgebühren durch den Bund prüfen, Moratorium für Luftverkehrssteuer einführen
- Deckungslücke bei Flughafengesellschaften schließen
Säule 3: Für die Zukunft vorbauen
Parallel zu den Maßnahmen in Säule 1 und 2 müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um die Unternehmen des Mobilitäts- und Logistiksektors zukunftssicher aufzustellen und damit die gesamte Wirtschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen zu lassen. Konkret müssen schon heute Investitionen in Innovationen, insbesondere mit dem Fokus auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit, gefördert werden, um nach der Krise möglichst schnell von wirtschaftlichen Hilfen unabhängig zu werden und langfristig konkurrenzfähig zu sein. Darüber hinaus sollten aber auch die Standortbedingungen geprüft und ggf. angepasst werden, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Konkreten Handlungsbedarf sehen wir insbesondere bei den folgenden Punkten:
- Investitionshochlauf fortsetzen und eine ausreichende und planungssichere Mittelbereitstellung mittels Einrichtung eines Fonds für klimabedingte Investitionen in den Mobilitätssektor gewährleisten
- Digitalisierung investiv vorantreiben und den Digitalisierungsgrad durch Anschubfinanzierungen erhöhen
- Planungsbeschleunigung weiter vorantreiben (z.B. Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren integrieren)
- Reformen für den Bürokratieabbau anstoßen und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken (z.B. durch Reform der Einfuhrumsatzsteuer)
- Bewegung im Fachkräftemarkt nutzen und den Personalaufbau in der öffentlichen Verwaltung forcieren
- Belastungsrahmen für die Mobilitätswirtschaft wettbewerbsfähig ausrichten