Schienentransport als entscheidender Faktor des Wasserstoffhochlaufs

Die SRP Consulting AG und die DB Netz AG bestätigen den Bedarf aus der gemeinsamen „Marktuntersuchung Wasserstofftransport auf der Schiene“ heraus. Der erforderliche schnelle Hochlauf der Wasserstoffindustrie in den kommenden Dekaden wird durch Maßnahmenpläne aus Politik und  verbrauchender Industrie bestätigt. Unter noch höherem zeitlichem Druck steht der Hochlauf angesichts des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine und dem Streben der EU nach Importautarkie von russischen fossilen Energieträgern. Zentrale Herausforderung ist die Produktion grünen Wasserstoffs, deren Lösungssuche im Fokus des Diskurses steht. Seltener thematisiert wird die ebenso essentielle Frage, wie der Wasserstoff von einer Vielzahl von Quellen sicher an eine noch größere Zahl von Verbrauchern transportiert wird. Der Transport droht ein „Bottle-Neck“ in der grünen Transformation der Industrie zu werden.

Die künftigen Wasserstoffverbraucher im industriellen Maßstab, sind über ganz Deutschland verteilt. Ihre Versorgung durch lokale Elektrolyseure ist nicht im erforderlichen Umfang möglich, weshalb Importe die Angebotslücke schließen werden. Der Großteil dieser Importe wird Deutschland über nationale sowie niederländische und belgische Häfen erreichen. Die entstehenden Relationen ergeben eine Transportaufgabe, für die der Verkehrsträger Schiene als nötige Ergänzung zur Pipeline bestens geeignet scheint. Um diese Eignung nachzuweisen und das Potential der Schiene genauer beschreiben zu können, wurde die gemeinsame Marktuntersuchung der Projektpartner SRP Consulting AG und DB Netz AG aufgesetzt. Oberste Prämisse im Projekt war, durch Einbeziehung der wichtigsten Marktteilnehmer, Erkenntnisse für eine schnelle Umsetzung zu erarbeiten.

Neben einer Onlinebefragung von 1.368 Gleisanschließern in Deutschland fand ein intensiver Austausch mit Stakeholdern möglicher Umsetzungsprojekte statt: hierzu zählten Wasserstofferzeuger, Hersteller der nötigen Transporttechnik,  Eisenbahnverkehrs-unternehmen, Betreiber von Terminals und Wasserstoffabnehmer. Die Aktualität des Themas zeigt sich in der hohen Rücklaufquote von knapp über 20 Prozent. Dabei antworteten fünf Prozent der Unternehmen, die heute bereits Wasserstofflieferungen erhalten und 25 Prozent der Unternehmen, die bereits eine spezifische Wasserstoffstrategie verfolgen.

Befragung unter den Gleisanschließern der DB Netz AG, n = 281; Befragungszeitraum April 2022

Rollende Pipeline auf der Schiene

Rollende Pipeline auf der Schiene

- Potentiale in Ganzzugäquivalenten & CO2-Einsparung Transport via Zug ggü. LKW -

Der unmittelbar assoziierte Infrastrukturträger für Gastransporte ist die Pipeline. Wasserstoffpipelines existieren derzeit jedoch nur fragmentiert zwischen einigen Chemieparks im Osten und Westen Deutschlands. Der Aufbau einer flächendeckenden Pipelineinfrastruktur wird zwar häufig als kurzfristig machbar dargestellt, steht faktisch aber vor gravierenden Herausforderungen und ist nicht rechtzeitig zu leisten, um der schnell wachsenden Wasserstoffnachfrage Rechnung zu tragen.

Der bisher genutzte Verkehrsträger Straße funktioniert zwar noch für die Wasserstoffwirtschaft im Jahr 2022: Die zu transportierenden Mengen sind noch gering und das Ziel einer ganzheitlich CO2-minimierten Wertschöpfungskette wird ausgeblendet. Diese bisher mit der Erprobungscharakteristik gerechtfertigten Nachlässigkeiten der Innovations- und Förderphase werden dauerhaft jedoch nicht mit den Klimazielen vereinbar sein. Auch steigt der politische Druck täglich, die Lkw-Flut auf den Autobahnen zu reduzieren und eine reale Verkehrswende herbeizuführen. Die Betriebssicherheit der Schiene bietet demgegenüber die Möglichkeit, Gefahrstoffe auf dem risikoärmsten Verkehrsträger zu befördern. Ab einer gewissen Transportdistanz ist demnach anzustreben, Wasserstofftransporte die (noch) nicht über die Pipeline geführt werden können, über die Schiene abzuwickeln. Die Schiene kann das drohende „Bottle-Neck“ beim Wasserstofftransport ganz im Sinne der angestrebten Verkehrswende verhindern.

Durch die „Rollende Pipeline“ könnte der Energieverbrauch und damit einhergehend der CO2-Ausstoß ggü. dem Straßentransport um ein Vielfaches reduziert werden. Die zu erwartende Dezentralität der Verbraucher birgt das Potential, die Transportaufkommen auf weniger stark ausgelastete Netzabschnitte zu verteilen.

Intelligentes Transportnetz für nachhaltige Transformation

Intelligentes Transportnetz für nachhaltige Transformation

- Identifizierte potenzielle Quellen und Senken für Wasserstofftransporte -

Die Darstellung zeigt eine Standortauswahl jener bestehender Industrien, die aufgrund ihres hohen Energiebedarfs als Wasserstoffsenken in einem relevanten Maßstab in Betracht kommen. Dabei liegen die Industriestandorte in relevanter Anzahl über Deutschland verteilt. Ferner zeigt die Darstellung die Wasserstoffquellen in Form der Importhäfen und lokaler Produktionsanlagen, größtenteils Elektrolyseure, von denen sich viele aktuell noch im Planungsstadium befinden. Die stark ausgeprägte Dezentralität und die daraus folgende Vielzahl abzudeckender Relationen ist offensichtlich. Große zukünftige Wasserstoffproduzenten und -verbraucher sind bereits durch das dichte deutsche Schienennetz und die vorhandenen Gleisanschlüsse an die Verteilungsinfrastruktur vieler industrieller Anlagen angebunden. Für Wasserstoffverbraucher, die nicht direkt an das Schienennetz angebunden sind, bietet der Intermodalverkehr mit dem Transfer vom Zug auf den Lkw für die „letzte Meile“ eine Anlieferungsstrategie, die bis zu 0 des CO2-Ausstoßes im Vergleich zum reinen Straßentransport einspart.

Technisch machbar und bereit zur Pilotumsetzung

Technisch machbar und bereit zur Pilotumsetzung

- Technologievergleich Wasserstofftransport auf der Schiene -

Die notwendigen Transporttechnologien sind bereits verfügbar oder in einem Entwicklungsstadium, das lediglich auf den Anstoß der ersten Pilotprojekte wartet, um final für den Schienentransport zugelassen zu werden. Im Rahmen der durchgeführten Marktuntersuchung wurden die folgenden fünf Technologien betrachtet: Aus den unterschiedlichen Stärken-Schwächen-Profilen folgt, dass all diese Transporttechnologien relevant sind und sich ihre Nutzung eher in Zeitpunkt und Anwendungsfall unterscheidet.

Es ist an den Marktteilnehmern des Schienenverkehrs – Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmen, Tank- und Waggonhersteller sowie Terminalbetreibern und Häfen – die Kräfte zu bündeln und den entstehenden Markt proaktiv zu bearbeiten. Lässt man die Etablierung anderer Verkehrsträger in Innovationsmärkten erst einmal zu, ist die Verlagerung zu einem späteren Zeitpunkt ungleich schwieriger.

Im nächsten Schritt sind Pilotprojekte unter Einbeziehung von Wasserstoffproduzenten oder -importeuren und entsprechenden Verbrauchern erforderlich, welche die Machbarkeit, die betrieblichen Vorteile und auch die Herausforderungen des Praxiseinsatzes rechtzeitig aufzeigen. Im Projekt der SRP Consulting AG und der DB Netz AG berichteten erste große Industrieunternehmen in konstruktiven Gesprächen von konkreten Plänen, den Zug der grünen Industrietransformation ins Rollen zu bringen.