Die Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) Susanne Henckel sagte: „Wir haben zurzeit viel Sand im Getriebe", und bestätigte damit den enormen Modernisierungsbedarf bei nahezu allen Verkehrsträgern. "Gleichzeitig versuchen wir aber, vor die Welle zu kommen, indem wir Hochleistungskorridore definieren und so die Kapazität erhöhen. In diesen Korridoren werden alle notwenigen Bauarbeiten in einem Zuge durchgeführt, damit die Strecke nur einmal gesperrt werden muss." Henckel verwies auch auf das Brückenbauprogramm, das als Vorbild diene, in dem entsprechend ein Kernnetz definiert und priorisiert werde.

„Wir sind momentan vor allem damit beschäftigt zu reparieren.“

Susanne Henckel

Zur Verkürzung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sollten laut Henckel Prozesse künftig stärker standardisiert und digitalisiert werden, etwa im Hinblick auf Umweltverträglichkeitsprüfungen und die Bereitstellung von Informationen via Building Information Modelling (BIM). Entsprechende Gremien im Bundeskanzleramt und auch in den jeweiligen Ministerien würden Beschleunigungsmaßnahmen bis Ende des Jahres ausarbeiten.

Aus Sicht des DVF ist zudem Transparenz und Verbindlichkeit bei den Verkehrsinvestitionen unabdingbar. Nur mit einer belastbaren und langfristig angelegten Finanzplanung, die auch die Inflation berücksichtigt, erhält die Wirtschaft Planungssicherheit und kann die notwendigen Kapazitäten aufbauen.

ÖPP: Schneller und verlässlicher bauen

ÖPP: Schneller und verlässlicher bauen

Quelle: Universität Stuttgart/ Prof. Dr.-Ing. Hans Christian Jünger

Um partnerschaftliches und verlässlicheres Bauen ging es auch im Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Hans Christian Jünger vom Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart, der Best Practices im Bereich der öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) und der Nachhaltigkeit vorstellte. Der Vergleich von konventionell realisierten Teilstücken mit Bauabschnitten, die beim Ausbau der Autobahn A8 als ÖPPs erstellt wurden, zeigte, dass die partnerschaftlich realisierten Abschnitte deutliche Vorteile in Bezug auf Termin- und Kostenstabilität aufweisen. „Bei der konventionellen Umsetzung dauerte die Realisierung im Durchschnitt 0,9 Monate pro Kilometer (ca. 16 Prozent) länger als geplant, der Bau der Teilstücke via partnerschaftlichem Ansatz (ÖPP) konnte termingetreu realisiert werden. Außerdem überschritten die Gesamtbaukosten bei der konventionellen Erstellung um durchschnittlich 3,7 Millionen Euro pro Kilometer (ca. 49 Prozent)“, so Jünger. Bei ÖPP ist die Betrachtung aufgrund des nachhaltigeren Lebenszykluskostenansatzes aus Realisierungs-, Unterhalts- und Betriebskosten nicht direkt mit den reinen Realisierungskosten der konventionellen Beschaffung vergleichbar. Insgesamt habe ÖPP die erwartete Qualität unter Beweis gestellt und lasse durch die Berücksichtigung des Lebenszyklusansatzes auch eine höhere Verfügbarkeit während des Betriebs erwarten. Im Anschluss gab Jünger einen Überblick zum Modell der integrierten Projektabwicklung (IPA), das bereits bei komplexen Infrastrukturprojekten erfolgreich zur Anwendung komme. In Hinblick auf das optimale Erreichen der Projektziele gehe es darum, das Wissen zwischen Bauherrn, Planer und Bauwirtschaft zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zusammenzuführen und ein gemeinsames Interesse für einen wirtschaftlichen Ablauf sicherzustellen. Die Grundlage hierfür bilde ein Mehrparteienvertrag, der die Aufgabenlösung und ein finanzielles Anreizsystem zum Inhalt habe.

Nachhaltiges Bauen mit Zertifizierung

Nachhaltiges Bauen mit Zertifizierung

V. l. Groß, Kreißg

Nicht nur schnelles, verlässliches und kostentreues Bauen ist wichtig, sondern ebenso Nachhaltigkeit beim Bau. Die Herausforderung dabei ist, Nachhaltigkeit messbar und damit beleg- und zertifizierbar zu machen. Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V., erläuterte, dass die Definition von entsprechenden Kriterien zur Zertifizierung der Prozesse und für den Vergleich alternativer Lösungen in Arbeit seien. Die Lebenszyklusbetrachtung, ein ganzheitlicher Ansatz und die Überprüfung der Performance gelten dabei als wichtige Elemente.

Als Pilotprojekt in Deutschland dient der Ausbau der BAB 6 mit Neckarquerung, auf das der Bewertungsrahmen aus dem Hochbau angepasst wird. „Dabei geht es darum, den Kriterienkatalog für Planung und Bauphase in der Praxis zu testen, Erfahrungen zu sammeln und ein Referenzmodell für eine Bewertungsskala zu entwickeln. Bereits in der Vorplanung und Linienbestimmung kann später ein Vorzertifikat erteilt werden. Die Phase II mit Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung und Planfeststellung wird mit einem Planungszertifikat versehen, die Bauphase und der Betrieb werden ebenfalls separat zertifiziert“, erklärte Kreißig den komplexen Prozess. Bis Ende Oktober 2022 solle die Bewertung des Pilotprojekts fertiggestellt, sowie bis zum Jahresende 2022 die Evaluation der Pilotphase und die Kosten-Nutzen-Abwägung einzelner Kriterien abgeschlossen sein.

Mehr Service und Sicherheit durch private Parkraumbewirtschaftung

Mehr Service und Sicherheit durch private Parkraumbewirtschaftung

Quelle: Apcoa Parking, Frank van der Sant

In Deutschland ist die Parkraumbewirtschaftung eine hoheitliche Aufgabe, ganz im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten. Frank van der Sant, CCO der APCOA GmbH, zeigte, dass APCOA in Europa bereits 1,8 Millionen Stellplätze an 12.000 Standorten betreibt. Laut van der Sant würden dabei im Auftrag der öffentlichen Hand neben der reinen Bereitstellung und Bewirtschaftung des Parkraums auch Aufgaben wie Parkraumüberwachung, Umweltdienste wie beispielsweise Schadstoffmessungen, Schülerlotsenaufgaben oder Bargeldmanagement übernommen. „Wir bieten zudem innovative Dienste wie die Platzreservierung für Logistikfahrzeuge im öffentlichen Raum. Aktuell entwickeln wir unsere Parkhäuser gemeinsam mit Partnern in Urban Hubs weiter, in denen wir vernetzte Lösungen aus den Bereichen Logistik, Mobilität, Elektrifizierung, sowie neue Technologien anbieten.“

„Gerade mit Blick auf den Anspruch einer Smartcity muss auch das Parken am Straßenrand besser integriert werden.“

Frank van der Sant

Die Durchsetzung von Vorgaben der öffentlichen Hand beim privatwirtschaftlichen Parkraummanagement sei in anderen europäischen Ländern fester Bestandteil der Dienstleistung. Als weiteren Pluspunkt der privatwirtschaftlichen Bewirtschaftung benannte van der Sant ein besseres Personalmanagement, das zusammen mit dem Angebot bürgernaher Dienstleistungen und dem Einsatz digitaler Technologien zu einem höheren Servicelevel und einer höheren Einnahmensituation gegenüber dem Nutzer führe. Auch die Einnahmensituation der öffentlichen Hand wir dadurch verbessert.

Wille zur besseren Zusammenarbeit zwischen WSV und Baubranche

Thomas Groß, Geschäftsführer Hülskens Wasserbau, berichtete über die Entwicklung der Charta für die Zusammenarbeit auf Baustellen an Wasserstraßen. In den 14 Artikeln habe sich der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie mit der Wasserstraßen– und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) auf zentrale Elemente wie einen fairen Umgang, eine gute Vorbereitung, frühe Zusammenarbeit, den Einsatz digitaler Technologien und eine kooperative Projektkultur geeinigt. Diese Faktoren seien online in Workshops gemeinsam und unter Moderation erarbeitet worden. Darüber hinaus hätten die Verhandlungen Offenheit und gegenseitige Anerkennung erzeugt.

„Die Charta ist ein emotionaler Baustein, dem jetzt ein weiteres, eher technisch vertragliches Element für das partnerschaftliche Zusammenarbeiten folgt."

Thomas Groß

"In vier Workshops und zwei weiteren, die noch stattfinden werden wir bis Anfang nächsten Jahres analog zur Charta ein Grundgerüst für die Integrierte Projektabwicklung (IPA) im Wasserbau schaffen, um in Zukunft auch bei besonders komplexen Projekten ein hohes Maß an Qualität, Termin- und Kostentreue auf Basis einer guten und partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu erreichen“, erläuterte Groß. Dazu werde gemeinsam mit der Generaldirektion Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (GDWS), dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und dem Verband Beratender Ingenieure (VBI) ein Handbuch für IPA entwickelt.