Zum anderen sei eine Anpassung an die politischen Ziele des „European Green Deal“ und der „Sustainable and Smart Mobility Strategy“ erforderlich. Die „Sustainable and Smart Mobility Strategy“ enthalte spezifische Ziele für die Schiene:

- Der Marktanteil des Schienengüterverkehrs soll bis 2030 um 50 Prozent gesteigert und bis 2050 verdoppelt werden.

- Das Verkehrsaufkommen im Hochgeschwindigkeitsverkehr soll bis 2030 verdoppelt und bis 2050 verdreifacht werden.

- Der kollektive Verkehr unter 500 km Entfernung soll bis 2030 klimaneutral werden.

“ETCS wird die nationalen Signalsysteme auf dem TEN-V-Netz ersetzen."

Christof Schoser

Laut Schoser führe die neue Verordnung eine zusätzliche Ebene im TEN-V-Netz mit der Bezeichnung „erweitertes Kernnetz“ ein. Das Kernnetz soll bis 2030, das erweiterte Kernnetz bis 2040 und das Gesamtnetz bis 2050 fertiggestellt sein. Neben den neun geographischen TEN-Korridoren umfasst die Verordnung auch zwei sogenannte horizontale Prioritäten. Die erste beziehe sich auf die Modernisierung und Digitalisierung des Schienenverkehrs in Form von ERTMS. Die zweite auf den europäischen Seeverkehrsraum („European Maritime Space“). Im Übrigen definiert die neue Verordnung eine Reihe von neuen oder strikteren Infrastrukturstandards für die verschiedenen Verkehrsträger.

Schoser sagte: “ETCS wird die nationalen Signalsysteme auf dem TEN-V-Netz ersetzen. Im Gesamtnetz soll der Rollout auf die funkbasierte Technik bis 2050 abgeschlossen sein. Parallel dazu sollen die nationalen Sicherungssysteme auslaufen. Auch will die Verordnung eine Stärkung der Governance und eine Verbesserung der Koordination auf europäischer Ebene erreichen.”

Herausforderungen bei TEN-V

Grenzüberschreitende Hindernisse wie unterschiedliche Signalsysteme beeinträchtigen die Effizienz im transeuropäischen Verkehrsnetz (TEN-V). Jakop Dalunde, Schattenberichterstatter TEN-V sagte, dass Eisenbahnunternehmen national problemlos fahren könnten. Grenzüberschreitend bestünden jedoch Hindernisse wie unterschiedliche Signalsysteme. Bei anderen Verkehrsträgern wie Flugzeug und Straße gäbe es diese Hindernisse so nicht. Daher wolle man im Schienennetz von TEN-V Hindernisse abbauen, um Güter und Passagiere leichter durch die EU transportieren zu können.

Barrierefreies Einsteigen im Schienenfernverkehr

Bildquelle: Talgo/ Andreas Netzel
Bildquelle: Talgo/ Andreas Netzel

Der neue ICE L mit Niederflureinstieg verspricht eine barrierefreie und komfortable Reiseerfahrung für alle Fahrgäste. „L“ steht dabei für „Low Floor“ und bedeutet Niederflugeinstieg. Die Auslieferung soll sich bis 2031 erstrecken. Der Zug wird somit künftig auf vielen deutschen Strecken aber auch grenzüberschreitend anzutreffen sein, so Andreas Netzel, Leiter Vertrieb und Geschäftsentwicklung, Prokurist, Mitglied der Geschäftsleitung, Talgo (Deutschland) GmbH.

„Der Rahmenvertrag mit der DB AG umfasst bis zu 100 Züge und mehrsystemfähige Lokomotiven.“

Andreas Netzel

Der niveaugleiche Einstieg ermögliche nicht nur Rollstuhlfahrern einen einfachen Zugang, sondern beschleunige auch den Fahrgastwechsel. Erfahrungen aus Spanien zeigten, dass dies zu verkürzten Standzeiten am Bahnsteig führen kann.

Nächster Halt: Zukunftsbahnhof

Bild Quelle: DVF/Photothek/ Dr. Inga Schlichtig
Bild Quelle: DVF/Photothek/ Dr. Inga Schlichtig

Viele Bahnhöfe in Deutschland sind in einem schlechten Zustand ODER können den wachsenden Kapazitäts-anforderungen nicht gerecht werden. Dr. Inga Schlichting, Leiterin Produkt- und Portfoliomanagement, DB InfraGO AG, nannte einige Beispiele wie den Hamburger Hauptbahnhof, der gerade während der Einführung des 9-Euro-Tickets besonders überlastet war. Alte Empfangsgebäude und altersbedingte Schäden würden die Situation verschärfen. Es bestehe insgesamt eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wovon im besonderen Maße Bahnhöfe im ländlichen Raum betroffen seien.  Man wolle die Bahnhöfe somit an den heutigen verkehrspolitischen Zielen, Bedürfnissen und dem Fahrgastzuwachs ausrichten und „zukunftsfest“ gestalten.

"Bahnhöfe werden nach ihrer geografischen Lage und Funktion differenziert, um die verkehrlichen Anforderungen und Bedürfnisse der Reisenden zu adressieren."

Dr. Inga Schlichting

Von 5.400 Bahnhöfen sollen bis 2030 zunächst 1.800 modernisiert werden. Dabei sollen die Bahnhöfe künftig drei Dinge leisten:

  1. Durch attraktive Aufenthaltsqualität und digitale Fahrgastinformationen Begeisterung wecken.
  2. Durch Umgestaltung der Bahnsteige mehr Platz und Freiräume für mehr Reisende schaffen
  3. Durch Umsetzung einheitlicher Standards eine ganzheitliche Entwicklung garantieren.

„Diese Standards erstrecken sich über zwölf Leistungsbereiche – von der baulichen Gestaltung bis hin zur Reisendeninformation - und ermöglichen eine systematische Umsetzung der Maßnahmen. Bahnhöfe werden nach ihrer geografischen Lage und Funktion differenziert, um die verkehrlichen Anforderungen und Bedürfnisse der Reisenden zu adressieren“, sagte Schlichting.

Im Jahr 2024 sollten die ersten 20 Zukunftsbahnhöfe entlang des Hochleistungskorridors Riedbahn als Testlauf entstehen, bei dem neue Konzepte wie transparenter Wetterschutz erprobt würden.

Ausschreibungswettbewerb in Frankreich kommt in Fahrt: Was können wir daraus lernen?

Bildquelle: KCW/ Ludger Sippel
Bildquelle: KCW/ Ludger Sippel

Ludger Sippel, Berater bei KCW GmbH und Trans-Missions SARL, erläuterte den Stand des Ausschreibungswettbewerbs im französischen Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Trans-Missions ist eine Tochtergesellschaft der KCW GmbH und berät ausschließlich die öffentliche Hand, insbesondere die Aufgabenträger des öffentlichen Verkehrs in Frankreich. Trans-Missions hat bereits die ersten beiden Ausschreibungen im französischen SPNV der Région Sud erfolgreich begleitet und arbeitet aktuell in weiteren Ausschreibungsverfahren.

Seit 2002 sind die Regionen in Frankreich Aufgabenträger des SPNV und können das Angebot selbst definieren und regionale Tarife einführen. Vielfach haben sie auch neue Fahrzeuge finanziert und dadurch die Qualität des Angebotes verbessert, wenngleich damit die hohen Kosten der Produktion nicht gesenkt werden konnten.

„Im sehr dynamischen französischen SPNV-Markt gibt es bisher nur eine beschränkte Zahl von konkurrierenden Eisenbahnverkehrsunternehmen."

Ludger Sippel

Seit 2019 erlaubt das französische Recht wettbewerbliche Vergaben im SPNV, was fünf Regionen genutzt haben, um die Betriebskosten zu senken und das Angebot zu erweitern. Seit dem 25. Dezember 2023 ist die wettbewerbliche Vergabe obligatorisch. „Im sehr dynamischen französischen SPNV-Markt gibt es bisher nur eine beschränkte Zahl von konkurrierenden Eisenbahnverkehrsunternehmen. Marktchancen für neue Unternehmen gibt es durch die vielen in den nächsten Jahren zur Ausschreibung anstehenden Netzen, den mittelfristig zu erneuernden Fahrzeugpark und notwendige Investitionen in die Infrastruktur“, so Sippel zur aktuellen Situation. Sippel nannte als wichtiges „Learning“ die Offenheit der Aufgabenträger für neue Ideen seitens der Bieter und den Fokus der Angebotswertung in den Vergabeverfahren auf qualitativen Aspekten.