Neue Wege der Infrastrukturfinanzierung

Point of no Return: Wir brauchen neue Wege der Infrastrukturfinanzierung

23.10.2024

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Dr. Eck; Quelle: DVF/Photothek
Dr. Eck; Quelle: DVF/Photothek

Mit seinem Strategiepapier „Zukunftsinvestitionen sicherstellen, Finanzierung von Verkehrswegen reformieren“ an die Bundesminister Lindner, Habeck und Wissing hat sich das Deutsche Verkehrsforum für neue Wege der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung stark gemacht. Im Lenkungskreis Infrastruktur führte DVF-Geschäftsführer Dr. Florian Eck mit Verweis auf die wachsende Finanzierungslücke die Beweggründe dafür aus und zeigte Lösungsansätze für eine verlässliche und bedarfsgerechte Finanzierungsstruktur unserer Verkehrswege.

So sei in den vergangenen zwei Jahren zwar ein sprunghafter Anstieg der Investitionen im Verkehr zu verzeichnen, der die in den Jahren zuvor bereits entstandene Investitionslücke zum Bundesverkehrswegeplan jedoch nicht schließen konnte. Die Folge: ein Fehlbetrag, der sich unter Berücksichtigung von Baukostensteigerungen auf etwa 80 Milliarden Euro im aktuellen Jahr kumuliert. Das Institut der Deutschen Wirtschaft sieht für das Verkehrsnetz sogar einen Gesamtinvestitionsbedarf bei Bund, Ländern und Gemeinden in Höhe von 100 Milliarden Euro jährlich im Zeitraum 2025 bis 2030.

„Die Schere zwischen benötigten und zur Verfügung stehenden Finanzmitteln öffnet sich trotz steigender Investitionen im Verkehrshaushalt immer weiter. Um das drohende Erreichen eines Point of no Return zu vermeiden, bedarf es einer grundlegenden Änderung der Finanzierungsstrukturen, die zudem mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit für Industrie und Betreiber schaffen“, erklärte Eck. Dazu habe das DVF in seinem Strategiepapier sechs Maßnahmenfelder definiert, die unter anderem die Entwicklung bedarfsgerechter Infrastrukturpläne, die Schaffung eines ausreichenden Rahmens im regulären Bundeshaushalt, die Überwindung der starren Kameralistik und das Thema Sondervermögen betreffen.

„Die Schere zwischen benötigten und zur Verfügung stehenden Finanzmitteln öffnet sich trotz steigender Investitionen im Verkehrshaushalt immer weiter."

Am Beispiel des Verkehrsträgers Schiene läge ein zentraler Fokus, mittels eines Infraplans zunächst den Netzzustand der Schieneninfrastruktur zu ermitteln und auf dieser Basis tragfähige Umsetzungspläne zu entwickeln. Diese müssten dann finanziell abgesichert werden. Eck: „Das erhöht die Transparenz und hilft sowohl den Infrastrukturbetreibern als auch dem Bund, Anforderungen zu kommunizieren.“

Eck betonte zudem die Notwendigkeit, vorhandene Haushaltsmittel besser zu nutzen, indem Investitionen priorisiert, Konsumausgaben reduziert und die Finanzierung langfristig abgesichert werde. Laut dem DVF-Geschäftsführer könne letzteres in Form eines Fonds oder Sondervermögen realisiert werden, aber auch Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen, die sich bereits bei der Schieneninfrastruktur bewährt haben, könnten auf andere Verkehrsträger ausgeweitet werden.

"Die Diversität von Finanzierungsmodellen ist grundsätzlich eine hilfreiche Grundlage, um Vertrauen zu schaffen und langfristige Planungen vorzunehmen.“

Das Sondervermögen wird als Möglichkeit zur Gewährleistung einer höheren Flexibilität innerhalb der Projektbudgets genannt, wobei die parlamentarische Kontrolle erhalten bleiben müsse, so Eck. Ebenso spricht das DVF-Strategiepapier von Kreditermächtigungen für kurzfristige finanzielle Engpässe. Eck betont, dass „die Diversität von Finanzierungsmodellen grundsätzlich eine hilfreiche Grundlage ist, um Vertrauen zu schaffen und langfristige Planungen vorzunehmen.“

Wie kann ein Sondervermögen konzeptioniert sein?

Quelle: Porsche Consulting/Maximilian Kreipe
Quelle: Porsche Consulting/Maximilian Kreipe

Eine verlässliche und planbare Finanzierung der Infrastruktur ist wichtig, aber im Bundeshaushalt schwierig und einer jährlichen Verteilungsdiskussion unterworfen. Maximilian Kreipe, Senior Manager Mobility Infrastructure, Porsche Consulting GmbH, skizzierte daher via Greenfield-Ansatz, wie ein Sondervermögen bzw. Infrastrukturfonds ausgestaltet und gespeist werden könnte.

"Wir müssen aber jetzt beginnen breit zu denken, um die Weichen zu stellen“

„Mögliche Einnahmequellen sind beispielsweise Steuereinnahmen und Mittel aus Sondervermögen wie dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) 2.0, die in den Infrastrukturfonds eingehen könnten. Weitere Finanzierungsquellen könnten sich durch den Emissionshandel, grüne Anleihen und Finanzierungsmöglichkeiten durch Public-Private Partnerships ergeben“, erläuterte Kreipe. "Value Capturing" sei ein Konzept, bei dem durch die Entwicklung von Flächen Wertsteigerungen erfasst würden, führte Kreipe weiter aus. „Die rechtliche Umsetzbarkeit in Deutschland wäre zu prüfen. Wir müssen aber jetzt beginnen breit zu denken, um die Weichen zu stellen.“ Einen effektiven Mitteleinsatz könnte man über Erfüllungsverträge und qualitative Kennzahlen sicherstellen. Abschließend sagte Kreipe, dass für Instandhaltungsprojekte eine finanzielle Stabilität gewährleistet werden müsse, um die bestehenden Investitionslücken mit einem möglichst festen Haushaltsansatz zu schließen, bevor neue Projekte im Aus- und Neubau initiiert würden.

DB InfraGO: Der Weg zum grünen Bauen

Quelle: Jonathan Wachler / Daniel Flinner; DB InfraGO AG
Quelle: Jonathan Wachler / Daniel Flinner; DB InfraGO AG

Wie die DB InfraGo AG klimafreundlich baut, erklärten Jonathan Wachler, Grundsätze Infrastrukturplanung und -projekte, und Daniel Flinner, Projektfinanzierung und Freigaben, beide DB InfraGO AG.

Der Bau und die Sanierung der Schieneninfrastruktur, die zu einem Großteil aus Baustoffen wie Stahl und Zement bestünden, werde vorläufig zu steigenden Emissionen führen, zeigte Jonathan Wachler eingangs. Wachler sagte auch, dass ein Großteil der Emissionen auf die Grundstoffe zurückgehe und CO2-Einsparungen bereits in den frühen Planungsphasen der Projekte ansetzen müssten. „Die Zusammenarbeit mit Planern und Ingenieuren ist entscheidend, um umweltfreundliche Lösungen von Anfang an in den Planungsprozess zu integrieren. Auch die Optimierung der Baulogistik, der Maschinenpark der Auftragnehmer sowie die Überprüfung von Instandhaltungsmaßnahmen tragen zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei.“

„Die Zusammenarbeit mit Planern und Ingenieuren ist entscheidend, um umweltfreundliche Lösungen von Anfang an in den Planungsprozess zu integrieren."

Jonathan Wachler

Wachler unterstrich dabei, dass die verbleibenden 15 Jahre bis zur angestrebten Klimaneutralität in Bezug auf die Projektlaufzeiten beim Bau der Schieneninfrastruktur sehr kurz seien. Zwar sei es schon heute möglich, Materialien teilweise zu ersetzen oder durch CO2-Abscheidungsverfahren im Zementwerk emissionsärmere Baustoffe zu nutzen. Doch für viele andere Schritte müssten die Regelwerke angepasst werden. „Die Deutsche Bahn als größter Bauherr Europas spielt eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung von klimaschonenden Maßnahmen und ich sehe hier auch unsere Verantwortung in einer Vorreiterrolle“, so Wachler. Erste Erfolge hin zu „grünerem“ Bauen seien dabei auch Ergebnis des Standortvorteils für die Deutsche Bahn, der sich aus den Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa ergebe. Dazu gehöre auch eine adäquate Finanzierung, um die Transformation zu ermöglichen und die Nutzung von grünen Bauverfahren und   -materialien in Pilotprojekten sowie darüber hinaus in der Praxis sicherzustellen.

Daniel Flinner erläuterte, dass grünes Bauen in der Regel teurer ist als konventionelles Bauen. Um dennoch grüne Bauprojekten durchführen zu können, gebe es zwei Ansätze, nämlich die Verwendung von CO2-Schattenpreisen oder eines CO2-Wertungskriteriums im Rahmen der Vergabeverfahren. „Der Emissionshandel setzt allerdings derzeit einen Schattenpreis für CO2-Emissionen an, der mit 45 € pro Tonne sehr niedrig ist. Auf dieser Basis sind grüne Baustoffe immer noch teurer als konventionelle und nicht wettbewerbsfähig. Ein möglicher Ansatz sind die jährlich aktualisierten CO2-Preise des UBA: Hier liegt der CO2-Preis bei ca. 250 Euro pro Tonne CO2 “, rechnete Flinner vor. In diesen Preisregionen seien die grünen Materialien dann wettbewerbsfähig.

"Der Emissionshandel setzt allerdings derzeit einen Schattenpreis für CO2-Emissionen an, der mit 45 € pro Tonne sehr niedrig ist."

Daniel Flinner

Man spreche mit dem Bund über Pilotprojekte, in denen grüner Stahl und grüner Beton zur Anwendung kommen sollen. Diese Projekte führen zwar erstmal zu höheren Kosten, seien aber nötig, um die Klimaziele zu erreichen. Denn eine Nichteinhaltung der Klimaziele könne langfristig dazu führen, dass die aus Kompensationszahlungen resultierenden Nachteile die heute nötigen Investitionen übersteigen. „Es ist deshalb entscheidend, die Rahmenbedingungen für den Einsatz und die Finanzierung grüner Materialien jetzt mit dem Bund festzulegen, um langfristige Probleme zu vermeiden“, so Flinner.