Mobility as a Service: Wann kommt der Durchbruch?

12.12.2024

Zur Liste

Quelle: DVF/Photothek v.l. Hoesch, Meisner
Quelle: DVF/Photothek v.l. Hoesch, Meisner

Nikolas Hoesch, Managing Director Accenture Mobility | Geschäftsführer, Accenture und Gregor Meisner, Account Lead & Director of Operations, Accenture Song DACH stellten im Lenkungskreis Straße das Thema Mobility as a Service (MaaS) vor. Ein Blick in die Vergangenheit zeigte zunächst die Erwartungen und Prognosen vor rund 10 Jahren, die an MaaS geknüpft waren. Es habe einen regelrechten Hype um das Narrativ „Connected, Autonomous, Shared, Electric“ gegeben. Diese Erwartungen hätten sich in der Realität bisher nicht erfüllt.

Hoesch erklärte: „CASE (Connected, Autonomous, Shared, Electric) ist als Zielbild für moderne Mobilität zwar überall präsent, jedoch klafft eine beträchtliche Lücke zwischen Anspruch und Realität. MaaS kann ein Schlüssel sein, um diesem Zielbild tatsächlich näher zu kommen. Wenn MaaS Erfolg hat, bedeutet das weniger Autos, weniger Emissionen und Staus, neue Geschäftsfelder und Umsätze. Allerdings müssen dafür die Kundenresonanz erhöht, die Fragmentierung der Dienste sowie technische und bürokratische Hürden überwunden werden.“

„Entscheidend ist die Nutzerakzeptanz. Die Nutzung der Apps muss einfach und intuitiv sein."

Nicolas Hoesch

„Entscheidend ist die Nutzerakzeptanz. Die Nutzung der Apps muss einfach und intuitiv sein. Eine zentrale Mobilitäts-App ist nötig. Bisher gibt es jedoch nur Insellösungen“, so Hoesch weiter. Auch die Datenbeschaffung sei eine große Hürde. Die Daten seien über viele Unternehmen verteilt. Eine Vielzahl von Verträgen und Schnittstellen sei nötig. Schlüsselakteure seien die Automobilindustrie, die Bahnunternehmen, global agierende Internetunternehmen und der öffentliche Sektor. Besonders erfolgreiche Beispiele für MaaS fanden Hoesch und Meisner im Ausland. So habe die chinesische App „DiDi Chuxing“ in ihren Zielmärkten (China, Australien, Russland u. a.) eine dominierende Stellung erreicht. Der Dienst biete seinen Kooperationspartnern sehr hohe Anreize, verfüge über finanzielle Stärke und große Innovationskraft.

Copyright © 2024 Accenture
Copyright © 2024 Accenture

„Ein gelungenes Beispiel in Deutschland ist Jelbi“, zeigte Meisner. „Neben dem ÖPNV, sind fast 90 Prozent aller Sharing-Angebote wie Autos, Räder oder Roller in Berlin integriert. Es gibt starke Partnerschaften mit lokalen Unternehmen und Unterstützung der Politik. Das ist ein enormer Vorteil. Durch die intuitive Benutzerführung und das große Angebot erreicht Jelbi eine starke Kundenbindung.“

"Es gibt starke Partnerschaften mit lokalen Unternehmen und Unterstützung der Politik."

Meisner und Hoesch zogen beide den Schluss, dass ein Kulturwandel hin zur Kooperation nötig sei, um MaaS erfolgreich zu machen. Radikale Kundennähe, Datenzugang und ein politisch unterstützender Rahmen seien ausschlaggebend.

Transformation im Straßenverkehr – Erwartungen an die neue EU-Kommission

Mit dem Fit-for-55-Paket hat die EU den Rahmen für einen fundamentalen Wandel gesetzt. Über die erforderlichen Bausteine besteht Einvernehmen: Elektromobilität, Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe, CO2-Bepreisung, mehr ÖPNV, Schiene und Digitalisierung. Die Elektromobilität ist mit erheblichem Einsatz im Bereich Pkw angeschoben worden, aber die Zulassungszahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Das abrupte Ende der Förderkulisse in Deutschland ist ein Teil des Problems. Über den weiteren Kurs bei der Transformation hat sich der Lenkungskreis mit Jens Gieseke MdEP, Sprecher der EVP-Fraktion im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments, und Jan-Christoph Oetjen MdEP, verkehrspolitischer Koordinator der Fraktion Renew Europe, ausgetauscht.

"Es ist entscheidend, den Verbesserungsbedarf bei der Umsetzung des Green Deal schnell zu identifizieren und pragmatische, innovationsorientierte Lösungen zu finden."

Jens Gieseke MdEP

„Trotz der intensiven Förderung der Elektromobilität im Pkw-Sektor gehen die jüngsten Absatzzahlen zurück. Das weist darauf hin, dass die Akzeptanz bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern noch nicht ausreichend ist. Wesentlich für das beeinträchtigte Vertrauen in die Elektromobilität war meines Erachtens das abrupte Ende der Förderkulisse in Deutschland. Die Elektromobilität ist eine Schlüsseltechnologie. Trotzdem brauchen wir das ganze Spektrum der Antriebsoptionen“, sagte Gieseke. Er bemängelte, dass die gegenwärtige Regulierung und die Förderinstrumente zu bürokratisch seien. Das gefährde den Erfolg der Transformation und die Industrie in Europa. Gieseke: „Es ist entscheidend, den Verbesserungsbedarf bei der Umsetzung des Green Deal schnell zu identifizieren und pragmatische, innovationsorientierte Lösungen zu finden. Die Europäische Volkspartei fordert von der neuen Europäischen Kommission eine klare Technologieoffenheit, insbesondere die Anerkennung von E-Fuels in der Grenzwertregulierung für Pkw.“

Quelle: DVF/Photothek o.: Gieseke, u.: Oetjen
Quelle: DVF/Photothek o.: Gieseke, u.: Oetjen

Sein Parlamentskollege Jan-Christoph Oetjen MdEP, forderte ebenfalls weniger Detailregelungen und Vorrang für Wettbewerbsfähigkeit. Oetjen sagte, dass der Markt und die Nutzer über technische Lösungen entscheiden müssten. „Um die Emissionen zu reduzieren, müssen alle Instrumente genutzt werden einschließlich Wasserstoff, aller alternativen Kraftstoffe, auch fortschrittliche Biokraftstoffe. Die Kommission ist aufgefordert, zügig die entsprechenden Vorlagen zur Anpassung der Regulierung zu erstellen. Die Revision der Flottengrenzwerte für Pkw darf nicht bis 2027 warten.“ Konkret vermisste der EU-Abgeordnete Fortschritte im technischen Arbeitskreis der EU-Kommission, der sich mit der Zulassung von E-Fuels in der Grenzwertregulierung befasst. Ein Nachweis von 100 Prozent CO2-Reduzierung sei praktisch unmöglich. „Wie in der RED sollten 80 Prozent genügen.“

"Die Revision der Flottengrenzwerte für Pkw darf nicht bis 2027 warten."

Jan-Christoph Oetjen MdEP

Quelle: DVF/Photothek, l.: Reimold
Quelle: DVF/Photothek, l.: Reimold

Iris Reimold, Leiterin der Abteilung Straßenverkehr im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, ging im Lenkungskreis auf die Automatisierung und Fahrzeugvernetzung ein: „Es geht auch darum, den Innovationsstandort Deutschland nach vorne zu bringen. Ein Beitrag dazu ist die vom Bundesverkehrsministerium erarbeitete Verordnung zur Genehmigung und zum Betrieb von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion in festgelegten Betriebsbereichen (AFGBV). Das Verkehrsministerium arbeitet aktiv in den technischen Arbeitsgruppen der UNECE, um den Regelungsrahmen für die Automatisierung und Vernetzung weiter voranzubringen“, so Reimold zum Sachstand. Beim autonomen Fahren müssten noch erhebliche Herausforderungen gelöst werden, insbesondere komplexe Infrastrukturen, Umgebungen und Verkehrssituationen sowie den Fahrbetrieb bei schlechtem Wetter oder schlechten Lichtverhältnissen.

"Es geht auch darum, den Innovationsstandort Deutschland nach vorne zu bringen."

Reimold sprach auch die geplante Fernlenkungs-Verordnung an. Die Fernlenkung sei etwa nützlich für Carsharing-Unternehmen und als Fallback-Lösung für autonome Fahrzeuge.  „Die Genehmigung solcher Technologien kann bereits durch die zuständigen Länderbehörden erfolgen. Sinn der Verordnung ist die Vereinheitlichung des Rechtsrahmens. Aktuell laufen Gespräche mit den Ländern und der Wirtschaft mit dem Planungshorizont, die Verordnung Anfang 2025 in Kraft zu setzen.“

"Die Genehmigung solcher Technologien kann bereits durch die zuständigen Länderbehörden erfolgen. "

Im Januar 2024 hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing die Kommission Straßengüterverkehr einberufen. Das DVF ist als Mitglied in der Kommission vertreten. Der Auftrag besteht darin, Maßnahmenvorschläge für eine kurz-, mittel- und langfristige Entlastung des Güterverkehrssektors zu erarbeiten. Reimold erläuterte die bisherigen Ergebnisse. So sei im April 2024 ein finanziell wirksames Sofortprogramm zur Unterstützung der Branche vorgestellt worden. Das Maßnahmenpapier vom Juli 2024 enthalte eine Reihe von Vorschlägen insbesondere zum Thema Entbürokratisierung. Die Kommission werde noch weiter tagen und die Umsetzung beobachten.