Carbon Management Strategie der Bundesregierung – Perspektiven für den Sektor

27.06.2025

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Copyright © Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben
Copyright © Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben

Die Bundesregierung setzt auf Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilization (CCU), um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Diese Technologien sind für die Wirtschaft essenziell, um Treibhausgasneutralität dort zu ermöglichen, wo Emissionen nicht allein durch Energieeinsparungen reduziert werden können. Der Lenkungskreis Infrastruktur beschäftigte sich intensiv mit dieser Thematik und beleuchtete diese aus den Blickwinkeln der Regierung, der Emittenten und der Transportwirtschaft.

Seit 2019 verankert die Bundesregierung gesetzliche Klimaneutralitätsziele mit klaren Reduktionsvorgaben für verschiedene Sektoren. Insbesondere die Industrie steht vor großen Herausforderungen, da ein erheblicher Teil der Emissionen prozessbedingt entstehen und nicht allein durch Maßnahmen zur Energieeinsparung reduziert werden können. CCS und CCU sind also entscheidend, um auch Sektoren wie die Baustoffindustrie klimaneutral aufzustellen. Laut Malte Bornkamm, Leiter des Referats IV E 2 - Marktrahmen zur Dekarbonisierung der Industrie, internationale Kooperation im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), bedarf es der Entwicklung einer robusten Strategie für CCS und CCU, die auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die CO2-Speicherung und Regelungen für den Transport des CO2 umfasst, um Planungssicherheit zu schaffen.

„Insbesondere der Transport über Pipelines birgt Herausforderungen, da diese an bestehende Infrastrukturen angebunden werden müssen. Wichtig ist außerdem der Dialog mit Stakeholdern, um die Akzeptanz für CCS und CCU zu fördern. Die Technologien sind anspruchsvoll und stoßen in der Bevölkerung oft auf Skepsis, weshalb transparente Kommunikation und Beteiligung an Planungsprozessen unerlässlich sind“, sagte Bornkamm.

"Insbesondere der Transport über Pipelines birgt Herausforderungen, da diese an bestehende Infrastrukturen angebunden werden müssen."

Zusammenfassend stehe die Bundesregierung vor der Aufgabe, eine ganzheitliche Strategie für CCS und CCU zu entwickeln, die rechtliche, technische und infrastrukturelle Aspekte integriere. Darüber hinaus seien internationale Kooperationen und ein kontinuierlicher Austausch erforderlich, um die Strategie bestmöglich einzubetten und erfolgreich umzusetzen.

 

Copyright © BMWK/ Malte Bornkamm

CMS: Potenziale und Transportbedarf aus Sicht der Emittenten

Copyright © Dykerhoff
Copyright © Dykerhoff

Dyckerhoff als Unternehmen der italienischen Buzzi SpA stellt seit über 160 Jahren Zement und Transportbeton her. Zement entsteht in einem CO2-intensiven Prozess durch das Abbauen von Kalkstein, der bei 1450 °C gebrannt und zu Pulver zermahlen wird. Mit Sand, Kies und Wasser wird daraus Transportbeton, der per Fahrmischer zu Kunden gelangt. Katja Gärtner, Head of Communication & Marketing, und Robert Sterner, Leiter Logistik Verkehrsträger Bahn, erläuterten, welche Anstrengungen das Unternehmen bei der Dekarbonisierung unternehme, da die Zementindustrie mit einem Anteil von etwa 7–8 Prozent wesentlich zu den globalen CO2-Emissionen beitrage.

"Zwei Drittel der Emissionen entstehen durch unvermeidbare chemische Prozesse bei der Zementherstellung, ein Drittel durch Brennstoffe."

Katja Gärtner

„Zwei Drittel der Emissionen entstehen durch unvermeidbare chemische Prozesse bei der Zementherstellung, ein Drittel durch Brennstoffe. Dyckerhoff arbeitet intensiv an Lösungen, um diese Emissionen zu reduzieren. Dazu gehören alternative Brennstoffe und die Entwicklung emissionsarmer Zementsorten“, sagte Gärtner. Im Werk Deuna plane Dyckerhoff Investitionen in Höhe von 350 Millionen Euro zur Errichtung einer CO2-Abscheideanlage. „Das kryogene Verfahren soll pro Jahr 620.000 Tonnen CO2 effizient abscheiden. Das entspricht nach heutigem Stand knapp 22 Prozent der gesamten CO2-Emissionen aus Industrie, Gewerbe und Energieumwandlung des Landes Thüringen,“ verdeutlichte Gärtner das Potenzial.

"Jährlich werden über eine Million Tonnen Zement per Bahn bewegt..."

Robert Sterner

Logistik und Infrastruktur

Den Infrastrukturbedarf für den Transport von Zement als auch künftig CO2 skizzierte Robert Sterner anhand der Verteilung der Dyckerhoff-Standorte in Deutschland. „Dyckerhoff betreibt in Deutschland sieben Zementwerke und über 100 Transportbetonwerke, ergänzt durch Standorte in Luxemburg, Tschechien und Polen. Jährlich werden über eine Million Tonnen Zement per Bahn bewegt, doch Zugausfälle erschweren uns zunehmend die Logistik. Eine Erweiterung der Kapazitäten, um auch noch die CO2-Transporte aufzunehmen, wird ohne staatliche Förderung nicht möglich sein“, zeigte sich Sterner überzeugt.

CMS: Erfordernisse an die Transportunternehmen

https://www.verkehrsforum.de/de/presse/bilder-und-videos/2025-03-26-lenkungskreis-infrastruktur

Heiner Dettmer, CEO der Dettmer Group GmbH & Co. KG, stellte eingangs sein Unternehmen, die Dettmer Group, vor. Als eine der größten Binnentankreedereien Deutschlands spiele sie eine zentrale Rolle im CO2-Transport, um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen. Mit ihrem Tochterunternehmen Dettmer Rail, das jährlich 10 Millionen Tonnen Fracht per Schiene bewege, und der Mainline-Pipeline, die Kerosin zum Frankfurter Flughafen bringt, verfüge die Dettmer Group über eine robuste Logistikinfrastruktur, die auch für CO2-Transporte relevant sei.

Risiken vorhanden

Der CO2-Transport berge je nach Transportmittel unterschiedliche logistische und wirtschaftliche Risiken, betonte Dettmer. Pipelines erforderten komplexe Planungen und rechtliche Genehmigungen, insbesondere mit Grundstückseigentümern, sowie ausreichende Hafenkapazitäten für einen wirtschaftlichen Betrieb. „Der Schienenverkehr ist eine Alternative, jedoch befinden sich spezielle Kesselwagen für CO2 noch in der Genehmigungsphase und die Produktionskapazitäten sind begrenzt. Zudem beeinträchtigen bis zum Abschluss der Sanierungsarbeiten auf der Gleisinfrastruktur, Zugausfälle oder Verspätungen die Zuverlässigkeit, was die Effizienz und damit den wirtschaftlichen Einsatz gefährdet. Die Binnenschifffahrt bietet an Emittern mit Wasserzugang Potenzial und wäre eine Alternative, benötigt jedoch Investitionen in die Wasserstraßeninfrastruktur“, zeigte Dettmer die Unsicherheiten auf.

"Der Schienenverkehr ist eine Alternative, jedoch befinden sich spezielle Kesselwagen für CO2 noch in der Genehmigungsphase und die Produktionskapazitäten sind begrenzt."

Heiner Dettmer

Insgesamt erfordere der CO2-Transport erhebliche Investitionen. „Um die Klimaziele zu erreichen, sind staatliche Förderungen für den Ausbau von Pipelines und Hafenanlagen sowie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für CO2-Kesselwagen nötig“, sagte Dettmer und verwies darauf, dass Investitionen in die Schienen- und Wasserstraßeninfrastruktur essenziell seien, um logistische Engpässe zu vermeiden.

Wasserstraßen unter Druck

Copyright © WSV/ Thomas Rosenstein
Copyright © WSV/ Thomas Rosenstein

Die rund 7.300 Kilometer Binnenwasserstraßen sind als Teil von Deutschlands Verkehrsinfrastruktur, sowohl für den internationalen Handel als auch die Binnenanbindung, von zentraler Bedeutung. Neben den Wasserstraßen sowie aller dazugehörigen Anlagen, müssen im System Wasserstraße auch etwa 1.700 Straßenbrücken, 590 Gebäude und 800 motorisierte Wasserfahrzeuge instandgehalten werden, verdeutlichte Thomas Rosenstein, Leiter Abteilung Wasserstraßen der "Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV)", die enorme Dimension dieser Aufgabe.

„Die Wasserstraßen sind mit einer Verfügbarkeit von über 98 % sehr verlässlich. Aber bei den Bauwerken besteht dringender Handlungsbedarf, da diese teilweise in die Jahre gekommen sind. Circa 20 Prozent weisen eine kritische Zustandsnote auf.“, so Rosenstein und fuhr fort: „Ohne entsprechende Maßnahmen drohen Verschlechterungen und Engpässe, die das Wirtschaftssystem belasten, da der Schiffsverkehr trotz rückläufiger Nutzung ein wichtiger und wertschöpfender Verkehrsträger bleibt.“

„Neben einer unzureichenden Finanzierung sind der Fachkräftemangel sowie komplexe Genehmigungsverfahren hemmend bei der Umsetzung von Projekten“

Um die Infrastruktur zu stabilisieren, habe die WSV zahlreiche Vorhaben initiiert und Handlungsfelder identifiziert, u. a.:

  • Instandhaltungsprogramme: Programme zur Erneuerung von Wehranlagen und anderen kritischen Bauwerken wurden gestartet, um Sicherheit und Funktionalität zu gewährleisten.
  • Automatisierung und Digitalisierung: Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Effizienz und Attraktivität der Schifffahrt zu steigern.
  • Ökologische Optimierung: Die Wasserstraßen sollen hinsichtlich ökologischer Durchgängigkeit und Wasserqualität verbessert werden.
  • Prozessoptimierung: Präventive Instandhaltung, verschlankte Prozesse und transparente Priorisierung sollen aufwendige Neubauten vermeiden.
  • Charta für Bauwesen: Eine mit der Bauindustrie und Planern entwickelte Charta soll die Baukultur transformieren und die Zusammenarbeit fördern.

Insgesamt werden für etwa 1.400 identifizierte Projekte jährlich circa 2,5 Milliarden Euro benötigt, um die Infrastruktur nachhaltig zu modernisieren. Eine verlässliche Finanzierung sei hierbei essenziell. „Neben einer unzureichenden Finanzierung sind der Fachkräftemangel sowie komplexe Genehmigungsverfahren hemmend bei der Umsetzung von Projekten“, so Rosenstein. Um die zahlreichen Infrastrukturmaßnahmen schneller auf den Weg zu bringen, setzt die WSV auf eigene Ausbildungs- und Recruitingmaßnahmen, weniger Bürokratie und eine effizientere Projektumsetzung.

100 Milliarden Euro Investitionsstau bei der Schiene

Dr. Markus Ksoll, Leiter Wirtschaft, Politik und Regulierung bei der Deutschen Bahn AG, beschrieb den Zustand der Schiene wie folgt: „Die deutsche Schieneninfrastruktur leidet unter einem hohem Investitionsrückstau, derzeit etwa 100 Milliarden Euro. Das macht sich immer mehr bemerkbar. Steigende Ausfallwahrscheinlichkeiten stehen einer seit vielen Jahren steigenden Betriebsleistung gegenüber. Kapazitätsengpässe und schlechter Netzzustand – insbesondere auf hochbelasteten Strecken – führen zu schlechten Pünktlichkeitswerten.“

"Positive Effekte im Betrieb sind bereits erkennbar."

Ksoll ging auf einige Maßnahmen des Bundes ein, um die Schieneninfrastruktur zu modernisieren: „Im letzten Jahr wurde die DB InfraGO gegründet und Rekordinvestitionen in Höhe von 19,6 Milliarden Euro verbaut. Eine besonders wichtige Maßnahme war die Generalsanierung der Riedbahn, um die Zuverlässigkeit und Netzes und der Bahnhöfe da zu verbessern, wo besonders viel Verkehr stattfindet. Diese erspart viele Sperrungen in der Zukunft und werde nachhaltig wirken. Positive Effekte im Betrieb sind bereits erkennbar“, resümierte er. Mit Blick auf die Finanzierung Schieneninfrastruktur bedürfe es nicht nur einer auskömmlichen Mittelausstattung, sondern auch eines Paradigmenwechsels bei der Steuerungssystematik und Finanzierungsarchitektur. Die Branche brauche vor allem Planungssicherheit. „Um zügig mehr Qualität und Wachstum im Personen- und Güterverkehr zu erreichen, sind zudem Bürokratieabbau und Planungsbeschleunigung nötig“, betonte Ksoll.

 

Viele Brücken sind marode

Copyright ©Die Autobahn GmbH / Prof. Christian Lippold
Copyright ©Die Autobahn GmbH / Prof. Christian Lippold

Die Autobahn GmbH arbeitet daran, die Verwaltung der Bundesfernstraßen zu reformieren und die Infrastruktur verkehrssicher und modern zu gestalten. Ein zentrales Ziel sei es, die Vereinheitlichung der 16 Auftragsverwaltungen der Bundesländer unter dem Dach der Autobahn GmbH weiter voranzubringen, um Prozesse zu bündeln und Effizienz zu fördern, berichtete Prof. Christian Lippold, Geschäftsbereichsleiter Planung, Bau und Innovation, Die Autobahn GmbH des Bundes. Er ging wie seine Vorredner auf den Zustand der Infrastruktur ein und betonte insbesondere den besorgniserregenden Zustand vieler Brückenbauwerke, von denen ein Großteil aus den 60er- und 70er-Jahren stamme. „Viele Brücken sind für eine ganz andere Verkehrslast gebaut worden und den heutigen Belastungen nicht mehr gewachsen. Der Traglastindex zeigt, dass je nach Betrachtung 4.000 bis 4.500 Brücken- bzw. Brückenteilbauwerke dringend saniert werden müssen, um die Sicherheit zu gewährleisten“, mahnte Lippold.

"Der Traglastindex zeigt, dass je nach Betrachtung 4.000 bis 4.500 Brücken- bzw. Brückenteilbauwerke dringend saniert werden müssen..."

Neben einer langfristigen und verlässlichen Finanzierung, die u. a. auf Basis des Drei-Säulen-Modells bestehend aus Haushaltsmitteln, Nutzerfinanzierung und privaten Kapitals fußt, bedürfe es auch mehr Tempo beim Genehmigen, Planen und Bauen. Lippold führt aus: „Durch gezielte Maßnahmen wie das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz wurden bereits Fortschritte erzielt. So wurde u. a. für ausgewählte Projekte ein überragendes öffentliches Interesse festgelegt, in anderen Fällen können Beschleunigungseffekte durch das Entfallen der Genehmigungspflicht und die Verschiebung der umweltfachlichen Belange in die anschließenden Streckenlose erzielt werden.“

Weiteres Potenzial sieht er in der voranschreitenden Digitalisierung, die auch im Austausch mit den Behörden eine zunehmend größere Rolle spiele. Er betont aber auch: „Eine stabile und kontinuierliche Finanzierung bleibt jedoch entscheidend, um Projekte erfolgreich umzusetzen und Synergieeffekte zu erzielen“, so Lippold.