Uwe Brinks

"Brauchen rechtlichen Rahmen, der klimafreundliche Investitionen anreizt"

Berlin, 01.03.2021

zur Interviewliste

Seit Januar 2017 leitet Uwe Brinks als Chief Executive Officer DHL Freight einen der führenden Anbieter von Straßentransporten in Europa. In seiner Funktion ist er für die operative Führung und strategische Entwicklung des Geschäftsbereichs verantwortlich. DHL Freight kann dank seines internationalen Netzwerks flexible, zuverlässige und effiziente Straßen-, Intermodal- und Schienentransportlösungen anbieten. Dem DVF-Präsidium gehört Uwe Brinks seit 2019 an.

Quelle: Deutsche Post DHL, Rudolf Wichert-Fotograf
Quelle: Deutsche Post DHL, Rudolf Wichert-Fotograf

Herr Brinks, im März hat Deutsche Post DHL Group eine neue Nachhaltigkeits-Roadmap vorgestellt. Wie stellen Sie sich für die nächsten zehn Jahre auf? Was ergibt sich daraus spezifisch für DHL Freight? Wie erleben Sie Ihre Kunden und Partner hinsichtlich Klimaschutz und Nachhaltigkeit?

Wir haben mit unserem neuen Nachhaltigkeitsfahrplan und den „Science Based Targets“ wissenschaftlich abgesicherte Ziele zur CO2-Reduktion beschlossen. Damit werden wir bis 2030 sieben Milliarden Euro in grüne Technologien investieren und den Anteil alternativer Kraftstoffe in der Straßenflotte auf über 30% sowie von E-Fahrzeugen in unserer Zustellflotte auf 60% erhöhen. In meinem Geschäftsbereich bei DHL Freight wird dies unter anderem durch die Umsetzung unserer Truck Technology Roadmap erfolgen, die unseren Weg zu einem sauberen Transport mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen darstellt. Schwerpunkte sind neben der weiteren Optimierung der Transporte, die Verlagerung von der Straße auf die Schiene, die Implementierung von Brückentechnologien wie Bio-LNG und langfristige Lösungen wie Wasserstoff- und batterieelektrische Lkw. So wollen wir bis 2030 1,2 Millionen Tonnen CO2 einsparen und bis 2050 das Null-Emissionsziel erreichen. Immer mehr Kunden fragen nach nachhaltigen Transportleistungen. Wichtig wird daher sein, zeitnah verbindliche Standards zu setzen, die teurere, aber emissionsarme Produkte auch in der CO2-Bilanzierung der Kunden abbilden. So kann ein Kreislauf in der ganzen Branche entstehen, der die Dekarbonisierung im Transport antreibt.

Was müsste in Deutschland und Europa verstärkt getan werden, um es Unternehmen zu erleichtern, diese Ziele zu erreichen?

Wir brauchen klimafreundlichere Rahmenbedingungen. Drei Aspekte möchte ich besonders hervorheben: Erstens brauchen wir einen rechtlichen Rahmen, der klimafreundliche Investitionen anreizt und belohnt. Hierzu müssen z. B. Abgaben neu aufeinander abgestimmt werden. Abgaben auf den CO2-Gehalt von Kraftstoffen z. B. sollten nur einmal erhoben werden – über den Zertifikatehandel oder die Energiesteuer. Zweitens: Viel diskutierte Lösungen für den Straßengüterverkehr wie Wasserstoff sind erst 2030 auf dem Markt verfügbar. Weil wir heute schon etwas beitragen wollen, sollte die Politik jetzt Biokraftstoffe, wie Bio-LNG und HVO, als Brückentechnologie anreizen. Die Mautbefreiung, die Akzeptanz im Rahmen der EU-Taxonomie-Vorgaben und die Anrechenbarkeit auf die CO2-Minderungsziele sind klimapolitisch für die nächste Dekade im Straßenverkehr entscheidend. Drittens müssen wir Produktionsanlagen und Infrastrukturnetze für Strom und Wasserstoff schnell europaweit aufbauen.

Zudem sollten klimaschädliche politische Entscheidungen zurückgenommen werden, wie die Leerfahrten produzierende Rückkehrpflicht von Lkw alle acht Wochen.

So wollen wir bis 2030 1,2 Millionen Tonnen CO2 einsparen und bis 2050 das Null-Emissionsziel erreichen.

Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen verkehrspolitischen Herausforderungen für die nächste Wahlperiode? 

Ich denke, Klimaschutz und Verkehrswende bleiben dominierende Themen.  Daneben zeichnen sich Vorhaben wie die Umsetzung der neuen europäischen Maut-Vorgaben ab. Ich hoffe, dass die Mautbefreiung für Bio-LNG fortgeschrieben wird, aber auch, dass dem Tankering - also dem Mitführen von zusätzlichem Treibstoff - als Folge des deutschen CO2-Preises durch einen Kompensationsmechanismus entgegengewirkt wird. Alles in allem muss die Politik die Breite der Transportbranche mehr beachten. Gerade die Speditions- und Logistikbranche ist von vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt, die bei all den großen Entwicklungen mitgenommen werden müssen. So ist die Beantragung der Förderprogramme für diese Zielgruppe oft zu aufwändig. Auch ein Label für grüne Flotten könnte dem Mittelstand eine sichtbarere Anerkennung für Investitionen geben. Mehr Aufmerksamkeit muss die Politik der Digitalisierung und dem Fachkräftemangel schenken.

Herr Brinks, eine weitere große Herausforderung unserer Zeit bleibt die Pandemie. Corona hat aber nicht überall zu Verlusten geführt, z. B. hat Deutsche Post DHL Group ihr Geschäft sogar ausweiten können. Ist DHL ein Krisen-Gewinner?

Es ist sicherlich richtig, dass wir als Konzern bisher gut durch die Pandemie gekommen sind. Der Schutz unserer Mitarbeiter hat für uns oberste Priorität und dank unserer Hygienekonzepte konnten wir zu jedem Zeitpunkt voll weiterarbeiten. Aber insbesondere im Straßentransport haben wir die Auswirkungen der Corona-Pandemie gemerkt, als mit dem ersten Lockdown in Asien und Europa Produktionsstätten stillstanden. Neben einem deutlichen Volumenrückgang im Automobilsektor hat auch unser Geschäftsbereich DHL Global Event Logistics, der auf Veranstaltungen und Messelogistik spezialisiert ist, die Auswirkungen der Pandemie zu spüren bekommen. Wir haben schnell auf die Veränderungen reagiert und uns durch innovative Lösungen ein weiteres, erfolgreiches Standbein aufgebaut. Gleichzeitig sehen wir auch - getrieben durch den Onlinehandel - deutliche Volumenzuwächse im Transportsegment e-Commerce. Und es erfüllt uns mit Stolz, dass wir als Logistiker mit dem Transport von Schutzausrüstung sowie Impfstoffen einen aktiven Teil zur Bekämpfung der Pandemie beitragen können.

Der Schutz unserer Mitarbeiter hat für uns oberste Priorität und dank unserer Hygienekonzepte konnten wir zu jedem Zeitpunkt voll weiterarbeiten.

Immer wieder neue Quarantäne- und Einreisebestimmungen mit unterschiedlichen Nachweispflichten. Sogar die Bundesländer haben ihre eigenen Regeln. Wie geht ein global agierendes Unternehmen wie DHL Freight damit um?

Durch die Pandemie haben Politik und Gesellschaft sehr schnell erkannt, wie systemrelevant die Logistik ist. Das hat unseren Mitarbeitern viel Anerkennung eingebracht und politisch zu viel Verständnis für unsere operativen Bedürfnisse geführt. Aber natürlich hat es auch bei uns zu Beginn der Pandemie ordentlich geruckelt. Insbesondere an den plötzlich  eingeführten innereuropäischen Grenzen war die Lage sehr unübersichtlich. Klar ändern sich die Vorgaben in Europa auch jetzt sehr kurzfristig und es kommt zu Verzögerungen, aber nichtsdestotrotz rollt es bei DHL Freight im Großen und Ganzen gut und ohne größere Einschränkungen. Auf Konzernebene haben wir die Coronavirus-Taskforce ins Leben gerufen Hier findet eine Koordination mit internationalen Organisationen (z. B. WHO oder RKI) statt. Wir arbeiten in allen Regionen eng mit den zuständigen Behörden zusammen und setzen alle vom RKI empfohlenen Maßnahmen um. Zudem verfügen wir über die notwendigen Notfallpläne für alle Einrichtungen, um die Sicherheit unserer Mitarbeiter und Kunden sowie die Aufrechterhaltung des Betriebs zu gewährleisten.

Abschließend unsere persönliche Frage: Gehen Sie lieber im Kaufhaus shoppen oder im Internet?

Das kommt tatsächlich ganz darauf an. Ich weiß die Vorzüge beider Shoppingvarianten zu schätzen. Es gibt Produkte, bei denen ziehe ich den stationären Handel und das Einkaufserlebnis vor Ort tatsächlich vor. Bei Büchern zum Beispiel, auch wenn dies etwas analog klingen mag. Aber für mich gehört es zum Leseerlebnis, die Buchhandlung nach dem nächsten spannenden Krimi durchzustöbern. Trotzdem freue ich mich natürlich auch – nicht zuletzt aus alter Verbundenheit – wenn mir ein Kollege von DHL Paket etwas online Erworbenes nach Hause liefert.

Die „DVFragt nach-Interviews“ geben die Meinung der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner wieder.