Van Hoorn: Brauchen Fairness in der Regulierung und Entschlossenheit in der Umsetzung

Verkehrssektor will ambitionierte EU-Klimaziele umsetzen

Van Hoorn: Brauchen Fairness in der Regulierung und Entschlossenheit in der Umsetzung
  • DVF erwartet Aufnahme von Straßenverkehr und Seeverkehr in Emissionshandel; fairer Umgang mit Luftverkehr nötig
  • Mitgliedstaaten müssen mehr Ambition beim Aufbau der Ladeinfrastruktur zeigen
  • Alle technologischen Optionen bei Antrieben und Kraftstoffen nutzen

Berlin, 09. Juni 2022 - Das Plenum des Europäischen Parlaments hat gestern über einen Teil des Klimaschutzpaketes „Fit for 55“ abgestimmt. Hierzu sagte die Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrsforums (DVF) Dr. Heike van Hoorn: „Die Verkehrsbranche will einen ambitionierten Klimaschutz. Die dafür notwendige Antriebs- und Kraftstoffwende muss in extrem kurzer Zeit umgesetzt werden. Was wir bislang vom Europäischen Parlament und vom Rat sehen, wird diesem Anspruch so nicht gerecht. Wir brauchen mehr Entschlusskraft bei den erforderlichen Rahmenbedingungen und eine faire Regulierung.“

Der Hauptbericht über die Fortentwicklung des europäischen Emissionshandelssystems hat im Plenum des Parlaments keine Mehrheit gefunden. Somit fehlen momentan auch die erforderlichen Beschlüsse zur Einbeziehung des Straßenverkehrs und des Seeverkehrs in den Emissionshandel. Van Hoorn: „Wir bedauern das und bitten das Parlament, die Beschlüsse nachzuholen. Europa braucht eine wirkungsvolle CO2-Bepreisung.“

Hingegen will das Europäische Parlament die freie Vergabe von Zertifikaten im Luftverkehr bereits 2025 enden lassen, Langstreckenflüge ab EU-Flughäfen und Nicht-CO2-Emissionen in den Emissionshandel einbeziehen. „Hier berücksichtigt das Parlament zu wenig die wirtschaftlichen Auswirkungen auf einen Verkehrsträger, der im weltweiten Wettbewerb steht“, so van Hoorn. „Niemandem ist damit geholfen, wenn wir die innovative europäische Luftverkehrswirtschaft schwächen.“

Sehr herausfordernd bleibt die Lage auch beim Antriebswechsel im Straßenverkehr. Bei den CO2-Flottengrenzwerten für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge hat sich das Europäische Parlament für eine vollständige Emissionsfreiheit im Jahr 2035 ausgesprochen. Für die Messung werden die Emissionen am Auspuff zugrunde gelegt. Anknüpfungspunkte für den Einsatz von grünem Wasserstoff und strombasierten synthetischen Kraftstoffen würden in der Regulierung somit fehlen.

Van Hoorn ging in diesem Zusammenhang auf die Verordnung zum Aufbau der Versorgungsinfrastruktur für alternative Kraftstoffe AFIR ein: „Das Tempo beim Aufbau der Infrastruktur hält momentan nicht Schritt mit der Verschärfung der Flottengrenzwerte. Das betrifft insbesondere das Ladenetz für die Elektromobilität, das in allen Städten und in der Fläche in ganz Europa benötigt wird. Leider sieht es so aus, als wenn die Mitgliedstaaten die Ausbauziele im Verordnungsentwurf verwässern. Wir brauchen mehr Ambition, als im Kommissionsvorschlag enthalten ist – nicht weniger.“

Über die AFIR hat das Europäische Parlament gestern noch nicht abgestimmt. Bei allen Gesetzen müssen Rat und Parlament eine inhaltliche Übereinstimmung erzielen, damit die Vorlagen verabschiedet werden können.

Das DVF-Positionspapier zu Fit for 55 geht auf weitere Handlungsempfehlungen ein, darunter folgende Punkte:

  • zügiger Ausbau der Produktion von Wasserstoff und E-Fuels für Anwendungen im Verkehrssektor, komplementär zur batterieelektrischen Mobilität
  • Quoten für nachhaltige Kraftstoffe und Energiebesteuerung im Einklang mit den Erfordernissen des internationalen Wettbewerbs
  • Zweckbindung von EU-Mitteln für den Klimaschutz, zum Beispiel zur finanziellen Unterstützung von sauberen Kraftstoffen, Infrastruktur und technologischen Innovationen
  • Ausbau des Schienenverkehrs, der Wasserstraße, des ÖPNV, des Rad- und Fußverkehrs sowie neuer Mobilitätsformen; Ausbau von Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern
  • Unterstützung der Digitalisierung und Automatisierung im Verkehrssektor
  • Planungs- und Baubeschleunigung für eine effiziente und nachhaltige Verkehrsinfrastruktur – in gleicher Weise wie für die Infrastruktur erneuerbarer Energien