Ohne leistungsfähiges Schienennetz droht die Deindustrialisierung Deutschlands
Parlamentsgruppe Schienenverkehr im Deutschen Bundestag
10.11.2022
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Berlin, 11. November 2022 – „Die Mobilitätswende gelingt nur mit der Schiene“, so Udo Schiefner MdB, Vorsitzender der Parlamentsgruppe Schienenverkehr im Deutschen Bundestag bei seiner Eingangsrede anlässlich des Parlamentarischen Abends, ausgerichtet vom Deutschen Verkehrsforum. „Die Infrastrukturkapazität im deutschen Netz stößt jedoch an ihre Grenzen.“ Die Beschleunigungskommission Schiene beim BMDV werde bis Ende des Jahres Maßnahmen definieren, die schnell weitere Kapazitäten auf dem Netz erschließen. Für Schiefner war dabei das Thema Akzeptanz bei Schieneninfrastrukturvorhaben sehr wichtig: „Ohne die breite und frühzeitige Beteiligung der Betroffenen, ohne Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern, werden wir nichts erreichen.“
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, Michael Theurer MdB, sagte, dass das Zielbild des Deutschlandtaktes nicht aus den Augen verloren werden dürfe, auch wenn nun schnell mehr Kapazität geschaffen werden müsse, etwa für Vorrangtransporte im Güterbereich. Es gelte jetzt das Konzept der Hochleistungskorridore umzusetzen. Als erster Hochleistungskorridor werde die sogenannte Riedbahn zwischen Frankfurt – Mannheim in 2024 saniert. Zudem sei die Digitalisierung ein wichtiger Bestandteil der Kapazitätserweiterung. Die Beschleunigungskommission solle aus 890 Vorschlägen bis Ende dieses Jahres zehn bis fünfzehn konkrete Maßnahmen identifizieren, die in den nächsten drei bis fünf Jahren umgesetzt werden können. Theurer machte sich im Vorfeld der Bereinigungssitzung für den Bundeshaushalt 2023 für eine verstetigte und ausreichende Finanzierung der Schiene stark.
Die Vorstandsvorsitzende der HHLA Hamburger Hafen und Logistik Angela Titzrath wies auf die große Bedeutung einer leistungsfähigen Schieneninfrastruktur für die deutsche Industrie hin. Laut einer aktuellen Studie werde das Ziel eines Marktanteils von 25 Prozent im Schienengüterverkehr mit den bisher beschlossenen Maßnahmen frühestens 2040 erreicht, und nicht schon 2030. Könne der zusätzliche Güterverkehr wegen der Klimaziele auch nicht mehr auf der Straße abgewickelt werden, dann drohe eine Deindustrialisierung Deutschlands.
„Das Wichtigste sind einfachere Prozesse. Weniger Bürokratie, weniger rechtliche Hürden – damit könnten wir deutlich schneller werden. Selbst einfache Verbesserungen im bestehenden Schienennetz benötigen heute häufig umfangreiche Genehmigungsprozesse“, erläuterte Dr. Philipp Nagl, Vorstandsvorsitzender DB Netz AG, und erhoffte sich schlankere Prozesse als Ergebnis der Beschleunigungskommission.
Als Mitglied der Beschleunigungskommission berichtete Matthias Gastel MdB, stellvertretender Vorsitzender der Parlamentsgruppe Schienenverkehr im Deutschen Bundestag: „Die Beschleunigungskommission wird viele Vorschläge unterbreiten, um schneller zu mehr Kapazität zu kommen und kleine wie große Infrastrukturprojekte zügiger umgesetzt zu bekommen. Darunter fällt auch die Idee für einen Infrastrukturfonds, die wir gerade noch konkreter ausformulieren. Wir erwarten, dass das Bundesverkehrsministerium die Vorschläge aufgreift und umsetzt.“
Verlässlichkeit wichtig für Kunden
Als Kundin des Netzbetreibers war HHLA-Chefin Titzrath die Verlässlichkeit der Schiene besonders wichtig. „Der Hamburger Hafen ist der größte Eisenbahnhafen Europas. Fast jeder zweite Hinterland-Container erreicht oder verlässt den Hafen auf der Schiene. Die HHLA leistet mit ihrer Bahntochter Metrans einen wesentlichen Beitrag zur Verlagerung von Gütern auf den umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene. Im Sinne unserer Kunden sind wir ständig darum bemüht, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit von Güterzügen weiter zu stärken. So wollen wir unsere Position im Wettbewerb und klimaneutrale Transporte weiter ausbauen.“
„Für die Klimawende ist die Verlagerung der Frachtkapazität auf die Schiene erforderlich“, so Max Aicher, Geschäftsführer Max Aicher GmbH und Co. KG. Mit sinnvoller Trennung der Netze des Personen- und Frachtverkehrs ließen sich Kapazitätsverluste aufgrund unterschiedlicher Geschwindigkeiten abbauen. Würden mehr Strecken für höhere Achslasten des Frachtverkehrs ertüchtigt, würde dies zu einer höheren Flexibilität im Betrieb, bei Baustellen und Störungen führen.
Hinsichtlich der Probleme im Schienengüterverkehr berichtete Hugo Gratza, Leiter der Abteilung Eisenbahnen beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr, über die bisherigen Gesprächsergebnisse: „Wir haben bereits drei Gesprächsrunden zu diesem Thema geführt. Die DB Netz AG hat zugesagt, Auslastungssteuerung und Baustellenmanagement spürbar zu verbessern und die Krisenkommunikation mit ihren Kunden zu optimieren. Aber auch das letzte Gespräch im Oktober 2022 hat gezeigt, dass es noch immer viel Verbesserungspotential gibt. Ziel muss es sein, mit einer leistungsfähigen und verlässlichen Infrastruktur dem Schienengüterverkehr die Grundlage für Sicherung und Erweiterung seines Marktanteils zu bereiten.“
Nagl erklärte dazu: „Ganz klar: Eine solche Situation darf sich nicht wiederholen, und in diesem Herbst waren bisher keine so drastischen Maßnahmen erforderlich. Wir überprüfen sämtliche größeren Baumaßnahmen auf ihre betriebliche Gesamtwirkung, stabilisieren Betriebskonzepte für Bauphasen und setzen verstärkt auf Prävention. Gleichzeitig optimieren wir die Verkehrssteuerung auf den Güterverkehrskorridoren mit zusätzlichem Personal und interdisziplinären Teams.“