Fachkräftemangel: Klinkner will Ressortstrategie des Verkehrsministeriums

39. DVF-Mitgliederversammlung

Fachkräftemangel: Klinkner will Ressortstrategie des Verkehrsministeriums

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  • Bundesverkehrsministerium muss Fachkräftemangel dauerhaft zum Thema machen
  • Staatssekretärin Gebers kündigt Ausbildungsgarantie an und stellt modernisiertes Einwanderungsgesetz vor
  • Hürden bei Einwanderung und Qualifikation abbauen

Berlin, 21. April 2023 – Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, der Weiterbildungsstrategie, der Modernisierung von Ausbildungsordnungen sowie weiteren Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits wichtige Weichen zur Fachkräftegewinnung gestellt. Doch um dem Fachkräftemangel im Mobilitätssektor wirksam zu begegnen, sei eine eigene Ressortstrategie im Bundesverkehrsministerium notwendig, so DVF-Präsident Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner auf der 39. DVF-Mitgliederversammlung.

„Alle paar Jahre ein Fachkräftegipfel des Verkehrsministeriums reicht nicht aus“, erklärte Klinkner. „Insbesondere bei der Ausbildung und Qualifizierung, der Erhöhung der Attraktivität der Berufsbilder in der Logistik sowie beim Vorantreiben der Digitalisierung sehen wir Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten des Bundesverkehrsministeriums.“ Klinkner forderte auch, die vorhandenen staatlichen Einrichtungen zu stärken anstatt immer neue öffentliche Gesellschaften, Behörden oder Institute zu bilden. „Bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes beispielsweise könnte der operative Teil rechtlich verselbständigt und somit die gesamte Einrichtung flexibler, schlagkräftiger und attraktiver für Nachwuchskräfte werden.“

Trotz eines Höchststandes an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erlebe Deutschland mit fast zwei Millionen offenen Stellen bereits jetzt einen gravierenden Fach- und Arbeitskräftemangel, sagte Leonie Gebers, Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Fachkräftesicherung sei eine Aufgabe mit hoher Priorität für die Bundesregierung. Dazu sei das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2.0 im Kabinett verabschiedet worden. Die Fachkräftestrategie des Bundes werde nun mit Gesetzesvorhaben und Handlungsfeldern unterlegt. So wolle man eine Ausbildungsgarantie sowie einen Mobilitätszuschuss auf den Weg bringen. Unternehmen, die besonders stark von der Transformation betroffen seien, würden mit einem Qualifizierungsgeld für die Weiterbildung ihrer Beschäftigen unterstützt. Zudem werde das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz das modernste in Europa sein. Um schneller Visa erteilen zu können, werde der bisher papierbasierte Prozess digitalisiert und eine neue Steuerungsrunde führe die Aufgaben der verschiedenen Bundesressorts zusammen.  

Unternehmen investieren bereits viel in Personal

In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es darum, wie Unternehmen der Transportwirtschaft und Industrie mit eigenen Maßnahmen Arbeitskräfte gewinnen und halten. Sabine Kohleisen, Personalvorständin und Arbeitsdirektorin der Mercedes-Benz Group AG, die Personalsituation im Konzern, betonte: „Mercedes-Benz ist eine Marke mit hoher Strahlkraft, sehr guten Arbeitsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Allein in Deutschland erhalten wir jährlich eine sechsstellige Anzahl von Bewerbungen und können bislang alle Stellen mit hochqualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten besetzen. Trotzdem: Auch bei Mercedes-Benz spüren wir den verstärkten Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Auch deshalb setzen wir neben gezieltem Recruiting auf eine bedarfsorientierte Aus- und Weiterbildung sowie Umschulungen unserer Beschäftigten, insbesondere in den Bereichen Elektromobilität und Digitalisierung. Mit unserer breiten Qualifizierungsoffensive Turn2Learn investieren wir allein in Deutschland mehr als 1,3 Milliarden Euro in Aus- und Weiterbildung bis 2030.“

Auch Kühne + Nagel investiere viel in seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagte Tobias Jerschke, Vorsitzender der Geschäftsleitung Kühne + Nagel (AG & Co.) KG und DVF-Präsidiumsmitglied: „Wir bieten unseren Mitarbeitern neben einer spannenden und zukunftsfähigen Aufgabe moderne Arbeitsplätze und hybrides Arbeiten. Junge Talente können bei uns ein Duales Studium absolvieren. Im kaufmännischen wie auch im gewerblichen Bereich bieten wir unseren Mitarbeitenden neben wettbewerbsfähigen Gehältern viele Extras wie beispielsweise eine Krankenzusatzversicherung oder Firmenfitness.“

Besser über Berufsbilder aufklären, Digitalisierung ausbauen und Bürokratie verringern

„Die Logistik zählt zu den systemrelevanten Branchen, und das wird spätestens seit der Pandemie in der Öffentlichkeit vermehrt positiv wahrgenommen“, so Jerschke weiter. Das größte Problem sei der Fachkräftemangel bei Kraftfahrern. Auf dem Arbeitsmarkt gebe es viel mehr Nachfrage nach Arbeitnehmern als Angebote. Jerschke forderte von der Politik, das Image und die Ausbildung der Logistikbranche generell bzw. bestimmter Berufsgruppen wie die Kraftfahrer oder Lagerfachkräfte gezielter zu fördern.

Dieses Problem sah auch Ulrich Lange MdB, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. „Deshalb muss die Ampel-Regierung jetzt handeln, da ansonsten sehr negative Auswirkungen auf Wirtschaft, Versorgung und Personenverkehr zu befürchten sind. Meine Fraktion hat im vergangenen Jahr einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, mit dem wir umfassende Maßnahmen zur Überarbeitung des Berufsqualifikationsgesetzes, zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Berufskraftfahrer sowie zur leichteren Anerkennung ausländischer Führerscheine vorgeschlagen haben. Hierzu zählen unter anderem Erleichterungen bei der Fahrausbildung, die Schaffung von sicheren Raststätten mit sanitären Anlagen und die Reduktion des Mindestalters für Busfahrerinnen und -fahrer.“ Außerdem sprach sich Lange dafür aus, bereits in Schulen besser und intensiver über Berufsbilder aufzuklären, etwa über mehrwöchige Praktika in den Betrieben.

Detlef Müller MdB, Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, verwies auf digitale Lösungsansätze, um das Arbeitsvolumen zu vergrößern: „Gleichzeitig müssen wir die vorhandenen Kapazitäten insbesondere im Bereich der Planung durch Digitalisierung und Vereinfachung von Prozessen entlasten, um Personalressourcen effizienter einsetzen zu können und die Arbeit attraktiver zu gestalten. Hier wird das geplante Genehmigungsbeschleunigungsgesetz deutliche Verbesserungen bringen."

Politik und Unternehmen gleichermaßen gefordert

Es müsse an allen Stellschrauben gedreht werden, forderte Dr. Susanne Seyda, Teamleiterin Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.: „An vielen Stellen bedingen sich politisches, individuelles und unternehmerisches Handeln: Um beispielsweise die individuelle Wochenarbeitszeit zu erhöhen und dennoch den Menschen die Vereinbarkeit verschiedener Lebensziele zu ermöglichen, sind flexible Arbeitszeitmodelle in den Unternehmen wichtig. Gleichzeitig sollten wir die Arbeitsanreize im Steuersystem erhöhen. Und eine verlässliche Kinderbetreuung ist auch eine notwendige Voraussetzung.“

Dass auch politische und finanzielle Rahmenbedingungen eine große Rolle spielen, damit Unternehmen Personalressourcen aufbauen, erläuterte Müller: "Neben Instrumenten wie der Fachkräftestrategie der Bundesregierung braucht es vor allem ein klares Zeichen an die Branche, dass wir die geplanten Kapazitätserhöhungen bei Ausbau und Betrieb durch verlässliche Finanzierungen unterlegen. Hier schaffen wir beispielsweise durch die Beschlüsse des Koalitionsausschusses mehr Planungssicherheit.“

Lange sah Engagement und Einfallsreichtum auf allen Ebenen als notwendig an: „Wir müssen erstens die nationalen Potenziale heben und zweitens Fachkräfte aus dem Ausland anwerben. Ansonsten werden wir einen zukunfts- und wettbewerbsfähigen Wirtschafts- und Arbeitsmarkt nicht gewährleisten können. Es müssen sich aber auch die Unternehmen einbringen.“