Mosolf „Regulierung muss Wellenbrecher sein und fairen internationalen Wettbewerb schaffen“

DVF-Forum auf der Messe transport logistic

Dr. Mosolf
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  • Personalmangel wird zur Wachstumsbremse
  • Klimaschutzvorgaben planungssicher gestalten
  • Sanktionsmaßnahmen klar regeln, Handelshemmnisse mit Augenmaß einsetzen

München, 10. Mai 2023 – Hohe Standortkosten in Deutschland, steigende Energiekosten, eine kapitalbindende Einfuhrumsatzsteuerregelung und Fachkräftemangel verschärfen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Logistikbranche. „Die Logistikunternehmen stellen sich in diesem herausfordernden Umfeld auf, benötigen aber auch von der europäischen und deutschen Politik sinnvolle Gegenmaßnahmen, um die Wogen zu glätten. Regulierung muss hier zum Wellenbrecher werden“, so Dr. Jörg Mosolf, Vorsitzender des Vorstands MOSOLF SE & Co. KG und DVF-Präsidiumsmitglied auf dem DVF-Forum bei der Messe transport logistic.

Der internationale Druck auf die Branche nehme zu, erklärte Mosolf weiter. So würden die USA mit dem Inflation Reduction Act gezielt auch grüne Antriebe, Speichertechnologien, Fahrzeuge oder Kraftstoffe für ihre Transportunternehmen fördern. Auf europäischer Ebene fehlten entsprechende Antworten.

Mosolf forderte daher, die staatliche Regulierung an vier Handlungsfeldern auszurichten: „Erstens darf fehlendes Personal nicht zur Wachstumsbremse werden. Von der Regierung erwarten wir den massiven Abbau von Barrieren, Entbürokratisierung und leichtere Einwanderung von Fachkräften. Zweitens muss mit Blick auf den Klimaschutz der Staat die Investitionen in grüne Technologien bei den Unternehmen fördern. Nicht nur bei der Elektrifizierung, sondern auch über einfache Antrags- und Genehmigungsverfahren. Drittens müssen sich CO2-Preise transparent und konsistent entwickeln. Eine Doppelbelastung wie bei der Maut und Kraftstoffen darf es nicht geben. Zudem benötigen wir die Marktzulassung von HVO100 und nachhaltigen Treibstoffen für den Schiffs- und Luftverkehr. Und viertens gilt es, den geopolitischen Rahmen klar abzugrenzen und die Wettbewerbsneutralität für die Branche sicherzustellen. Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass die Unternehmen Sanktionsmechanismen zügig umsetzen können, wenn sie international abgestimmt sind.“

Nachhaltigkeit als Richtschnur für unternehmerisches Handeln

Die Experten auf dem Podium waren sich einig, dass sich Nachhaltigkeit und Klimaneutralität in der Logistikbranche zu wichtigen Wettbewerbsmerkmalen entwickelt haben.

„Unternehmen, die Nachhaltigkeit nicht zu einem integralen Bestandteil ihres wirtschaftlichen Handelns machen, riskieren über kurz oder lang ihre „license to operate“, so Uwe Brinks, CEO DHL Freight und DVF-Präsidiumsmitglied. „Dabei ist es essentiell, innerhalb der Logistikbranche alle vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen. Neben den Potentialen, die uns die Digitalisierung oder die Verlagerung auf die Schiene bieten, gilt es insbesondere den Transport über die Straße nachhaltig zu gestalten.“ Brinks betonte, dass im Hinblick auf die Entwicklung der notwendigen Antriebstechnologien sowie der damit einhergehenden Rahmenbedingungen, wie die Bereitstellung der Infrastruktur, „eine starke Kooperation aller Marktteilnehmer unabdingbar ist.“

Die Anstrengungen der Branche zur Erfüllung der Klimaziele würden von der Bundesregierung aktiv flankiert, erklärte Johannes Wieczorek, Stellv. Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten, Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV): „Laut Klimaschutzprogramm soll 2030 etwa ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch erfolgen. Das BMDV hat mit dem Gesamtkonzept klimafreundliche Nutzfahrzeuge einen Fahrplan zur Umsetzung der Vorgaben erarbeitet. Es enthält drei Kernmaßnahmen: die Förderung der Anschaffung von klimaschonenden Lkw, die Steuerung des Aufbaus von Infrastruktur und eine CO2-basierte Lkw-Maut.“ Man habe in Deutschland ein sehr gutes Förderklima. Es werde noch ein drittes Förderprogramm aufgelegt. Perspektivisch solle sich daraus ein Markt für klimafreundliche Lkw entwickeln.

Die Wirksamkeit einer Förderkulisse unterstrich an dieser Stelle Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, Vorstand Güterverkehr Deutsche Bahn AG, Vorstandsvorsitzende DB Cargo AG: „Die von der Bundesregierung zugesagte stärkere Förderung des Einzelwagenverkehrs ist die richtige Maßnahme zur richtigen Zeit. Denn die deutsche Wirtschaft braucht diese Form des Schienengüterverkehrs mehr denn je; die Nachfrage ist groß und steigt weiter. Und schon heute sparen wir allein mit dem Einzelwagenverkehr rund zwei Millionen Tonnen CO2 jährlich und ersetzen über sechs Millionen Lkw-Fahrten.“

Transformation läuft auf vollen Touren

Aber auch in die Verkehrsinfrastruktur muss investiert werden, so die Branchenvertreterinnen und Branchenverterter. „Wir brauchen jetzt vor allem Tempo beim Auf- und Ausbau der notwendigen Infrastrukturen“, forderte Nikutta. Denn zum Erreichen der Energiewende und Klimaneutralität „haben wir ein echtes Window of Opportunity, das beweist auch das von der Koalition beschlossene Modernisierungspaket.“

Aus der Sicht eines jungen Startup-Unternehmens ist die Zeit für Pilotprojekte vorbei. Robert Ziegler, General Manager Europe Einride: „Die Transformation läuft auf vollen Touren und Zögerer werden den Zug verpassen.“ Die EU und insbesondere Deutschland hätten starke Ziele gesetzt und diese mit entsprechenden Maßnahmen begleitet, die eine Transformation des Verkehrssektors zweifelsohne antreiben werden. „Verlader müssen jetzt Mut beweisen und das bestehende Potential der Erneuerbaren konsequenter, schneller und umfangreicher umsetzen.“

Fairer Wettbewerb ist auf faire Regulierung angewiesen

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen im internationalen Logistikgeschäft. „Klimaschutz und globaler Wettbewerb müssen in der Luftfracht kein Widerspruch sein, solange vergleichbare Rahmenbedingungen gelten“, sagte Dietmar Focke, Vorstandsmitglied, COO CHRO, Lufthansa Cargo AG. Focke bemängelte jedoch die jüngste Einigung zum Markthochlauf von Sustainable Aviation Fuel (SAF) durch den europäischen Gesetzgeber. „Leider wurde die Chance verpasst, zugleich einen Mechanismus einzuführen, der angesichts der massiven Mehrkosten von SAF die Benachteiligung der europäischen Fluggesellschaften und Luftverkehrsdrehkreuze vermeidet. Anders als bei Nicht-EU-Airlines fallen unsere Lufthansa Cargo Flüge nach zum Beispiel China komplett unter das Regime. Damit werden Emissionen also nicht verhindert, sondern lediglich verlagert. Um diesen Carbon Leakage-Effekt zukünftig sinnvoll einzudämmen, gibt es Vorschläge aus der Luftfahrt.“

Nach Meinung der DB-Cargo Chefin Nikutta habe die Politik die Chance, die aktuelle Transformation so zu gestalten, dass Wettbewerbsverzerrungen im Welthandel verhindert würden – etwa mit Strompreisdeckeln für besonders energieintensive Branchen und mit Steuersenkungen für Biokraftstoffe wie HVO. „Zugleich setzt die Reform des europäischen CO2-Emissionshandels weiter konsequent Anreize für die Reduktion von Emissionen und weitreichende Modernisierungen.“