Logistik für die Energiewende benötigt klaren Regulierungsrahmen und Zugang zu grünen Finanzierungsinstrumenten
DVF-Forum auf der Messe transport logistic
11.05.2023
- Klaren Regulierungsrahmen schaffen
- Europäische Taxonomieregeln anpassen und Zugang zu grünen Förderinstrumenten ermöglichen
- Carbon Management Strategie muss Logistik einbeziehen
München, 11. Mai 2023 – Die Logistikunternehmen stehen bereit, den Weg in die Energiewende logistisch zu begleiten und sind verlässliche Partner beim Hochlauf der erneuerbaren Energien. Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, DVF-Präsidiumsvorsitzender forderte auf dem DVF-Forum bei der Messe transport logistic dazu einen transparenten und klaren Regulierungsrahmen: „Die Politik muss die regulative Flankierung für den Hochlauf der Energiewende liefern, beispielsweise über Preisinstrumente, die Anrechenbarkeit von grünen Kraftstoffen auf die Treibhausgasvermeidung und klaren Regelungen zur Bilanzierung und dem branchen- und länderübergreifenden Austausch von CO2.“ Nur so könnten die neuen Logistikketten in der Menge und Zeitachse abgeschätzt werden.
Um an „grünen“ Finanzprodukten teilhaben zu können und gute Ratings zu erhalten, müssten die europäischen Taxonomieregeln die Realität besser abbilden, so Klinkner weiter. Die Bewertung der Nachhaltigkeitssegmente innerhalb der Taxonomieregeln sollten demnach auch die Anstrengungen zur Teilhabe an der Energiewende honorieren. „In vielen Wirtschaftsbereichen, bei der Energiewirtschaft, bei der chemischen Industrie und bei den Fahrzeugherstellern sorgt die sogenannte Taxonomie dafür, dass Unternehmen sich stellenweise nur noch teuer refinanzieren können, weil sie mitten in der Transformation stecken. Logistiker werden auch in Zukunft immer noch Öl und Diesel transportieren, die Industrie wird mangels ausreichendem Wasserstoff zunächst mit herkömmlichen Verfahren weiter arbeiten müssen. Die Transformation ist ein fließender Prozess. Daher darf es keine Diskriminierung von Unternehmen geben, die noch mit einem Bein in der fossil geprägten Welt stehen. Diese Unternehmen benötigen ebenfalls den Zugang zu grünen Förderinstrumenten und einem günstigen Rating für die Finanzierung von nachhaltigen Projekten.“
Der Hochlauf der Energiewende ist kapitalintensiv und braucht klare Perspektiven, bestätigten die Experten auf dem Podium.
Die deutsche Rolle bei der Energiewende
„Deutschland wird nach der Energiewende teilweise Exporteur erneuerbarer Energien gerade auch im europäischen Verbund sein, aber auch Energie bei europäischen und internationalen Partnern einkaufen, um die Energieversorgung von Bevölkerung und Wirtschaft sicherzustellen“, prognostizierte Burkhard Sommer, Direktor, stellvertretender Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums, PwC Germany. Deutschland werde sich so resilienter und unabhängiger in seiner Energieversorgung aufstellen als in der jüngeren Vergangenheit. „Um dies zu erreichen, werden erhebliche Investitionen notwendig sein.“
Zur aktuellen Situation auf den Energiemärkten nahm Dr. Tobias Block, Leiter Strategie und Inhalt, eFuel Alliance e.V., Stellung. So sei es erfreulich, dass Deutschland wie die EU den Blick ins außereuropäische Ausland öffneten. „Bereits in den jeweiligen Wasserstoffstrategien bekommen Energiepartnerschaften sowie Importe große Aufmerksamkeit.“ Nichtsdestotrotz müssten die Anstrengungen und Gespräche besonders in diesen Bereichen intensiviert und die Ambitionen für den Ausbau internationaler grüner Energiequellen drastischer verfolgt werden. Zudem lasse sich Erneuerbare Energie am Besten als eFuel importieren. „Demnach finden wir uns in der grenzüberschreitenden Logistikkette als Abnehmer wieder. Umgekehrt wirken wir mittels Technologieführerschaft in etwaigen Bereichen als Enabler des globalen Hochlaufs grüner Energien.“
Die Häfen entwickeln sich zum Drehkreuz für die Energiewende. Die Logistikbranche hat dort per Wasser, Schiene und Straße für die damit einhergehende Neugestaltung der Energiemärkte eine elementare Funktion. Frank Schnabel, Geschäftsführer Brunsbüttel Ports GmbH: „Sowohl durch die Errichtung vielseitiger Energie-Import-Infrastrukturen, die zunächst den Import von LNG und langfristig auch von grünen Energieträgern wie Wasserstoff beziehungsweise dessen Derivaten ermöglichen, als auch durch ihre Funktion als leistungsstarke, multimodal angebundene Drehscheiben für Energieträger aller Art, leisten die Häfen einen enorm wichtigen Beitrag dazu, die nationale Energieversorgung zu sichern und langfristig unabhängiger zu gestalten.“
Zukunftsmarkt CO2: Einsparung Millionen Tonnen CO2 in den nächsten Jahren möglich
Kerstin Deller, Unterabteilungsleiterin Grundsatzfragen Effizienz, Wärme und Wasserstoff, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, war zuversichtlich, dass noch vor der Sommerpause die Wasserstoffstrategie 2.0 der Bundesregierung verabschiedet werde. Allerdings sei man hier immer noch im Diskussionsprozess etwa über die Frage, in welchen Bereichen der Wasserstoff zunächst eingesetzt werden solle. Besonders Unternehmen und Sektoren, die keine Alternative zum Wasserstoff haben, kämen an erster Stelle. Wichtg sei aber auch, dass die Finanzierung im Bundeshaushalt langfristig gesichert sein müsse.
Sven Wellbrock, Mitglied der Geschäftsführung Chief Operating Officer Europe & Chief Safety Officer, VTG GmbH, begrüßte, dass die Bundesregierung noch in diesem Sommer eine Carbon Management Strategie vorlegen wolle. Darin würden alle notwendigen Transportoptionen betrachtet. „Die Abscheidung von CO2 aus Industrieprozessen, wie der Zement- oder Kalkproduktion, ist eine Säule zur Dekarbonisierung, die bereits in den kommenden Jahren mehrere Millionen Tonnen CO2 einsparen könnte. Die Schiene ist für den CCSU-Markt ein schnell verfügbarer, flexibler und leistungsfähiger Transportträger.“
Block ergänzte dazu, dass mit Blick auf die schwer zu elektrifizierenden Bereiche sowie für den Bestand, flüssige und gasförmige erneuerbare Kraftstoffe unerlässlich seien. „Als eFuel Alliance wirken wir bereits als Netzwerk, das sich über die gesamte Wertschöpfungskette von Wasserstoff und eFuels legt und mittels politischer Arbeit einen entsprechenden Nährboden für die langfristige Öffnung der Wirtschaft und Industrie schafft und zu weiteren Partnerschaften und Kooperationen anregt.“
Energiewende braucht Kontraktlogistik
Laut Sommer gebe es hinsichtlich der CO2-Abscheidungen zahlreiche Kooperationen beispielsweise zwischen Transportunternehmen und Unternehmen der chemischen Industrie, die entsprechende Studien durchführen und gemeinsam Systeme entwickeln. „Die Entwicklung einer großen Energie-Kontraktlogistik ist bisher nicht zu erkennen“, sagte Sommer. Die VTG reagiere auf die Bedürfnisse des Marktes und biete ihren Kunden optimierte Logistikkonzepte und Assets für ihre Projektvorhaben, so Wellbrock. Dazu sei eigens die Business-Development-Einheit „New Energies“ neu gegründet worden. „Darüber hinaus unterstützen wir auch die Transformation unserer Industriekunden hin zur verstärkten Nutzung von Wasserstoff oder Wasserstoffderivaten sowie von Bioenergieträgern.“
Wellbrock forderte zudem eine Vereinfachung und Beschleunigung bei den administrativen Verfahren für die Zulassungsverfahren der Kesselwagen. „Wenn wir über vereinfachte und beschleunigte Genehmigungsverfahren sprechen, sollte der Fokus auf dem Ausbau der Schieneninfrastruktur liegen. Nur so können wir die dringend notwendige Steigerung der Gleiskapazitäten erreichen – und damit schlussendlich auch die Klimaziele im Verkehrssektor.“