Mobilität für Deutschland - Pressespiegel

Süddeutsche Zeitung

Warum sich die Ampel nicht zwischen Straße und Schiene entscheiden kann

Seit Monaten schon arbeitet die Bundesregierung an ihrem Plan, wichtige Infrastrukturprojekte zu beschleunigen. Aber sie kommt nicht voran. Jetzt soll endlich eine Entscheidung fallen.

Was sich mit Beton alles machen lässt, das haben nun auch die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" entdeckt. Am Mittwoch schütteten sie Beton auf eine Brücke im Berliner Zentrum. Diesen führe man so "einem sinnvolleren Zweck zu als dem Neubau klimaschädlicher Autobahnen", proklamierten die Aktivisten. Und ehe die Polizei die Stelle räumen konnte, war er auch teilweise schon ausgehärtet. So schnell kann das gehen.

Tatsächlich hat die Bundesregierung ganz anderes vor mit dem Beton, und Tempo spielt auch hier eine Rolle. Stromnetze, Windräder, Bahnstrecken - all das soll ausgebaut werden, und zwar schneller als bisher. Reihenweise sollen alte Autobahnbrücken saniert werden, und das alles am besten zügig: Die Dauer von Genehmigungsverfahren will die Ampelkoalition halbieren. Aber gilt das auch für den Neubau von Autobahnen?

Die FDP will Gesetze entsprechend ändern, die Grünen sind vehement dagegen. Ein erster Koalitionsgipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Januar sollten den Streit schlichten - vergeblich. Nun soll nach Angaben aus Regierungskreisen bei einem Koalitionsausschuss im März die Entscheidung fallen. Es werde viel gesprochen, man suche nach einem Termin, um den Streit endgültig zu beenden. Nur wie? Die Süddeutsche Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum ist die Beschleunigung überhaupt wichtig?

An der Dauer von Genehmigungsverfahren arbeiten sich deutsche Regierungen seit 30 Jahren ab. Rund um den Bau von Stromnetzen rankt sich mittlerweile ein halbes Dutzend an Beschleunigungsgesetzen. Dennoch dauern viele Verfahren immer noch sehr lange. Allein die Baupläne eines Windrades liegen im Schnitt zwei Jahre lang in verschiedenen Behörden, ehe sie genehmigt werden.

Doch nun hat der Bau schwimmender Flüssigerdgas-Terminals alle Maßstäbe verschoben: Binnen acht Monaten waren nicht nur die nötigen Anleger und Leitungen fertig, sondern auch die Genehmigungen. Dabei half eine Festlegung, die der Gesetzgeber auch für Ökostrom-Anlagen und Stromnetze getroffen hat: Sie liegen im "überragenden öffentlichen Interesse" und dienen "der öffentlichen Sicherheit". Das soll den Behörden die Entscheidung für ein Projekt erleichtern. Und genau diesen Weg möchte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun auch bei Fernstraßen des Bundes wählen - jedenfalls bei Vorhaben, die der Bundesverkehrswegeplan als "vordringlich" betrachtet. (...)

An welchen Stellen gibt es den größten Ausbau- und Sanierungsbedarf in der Infrastruktur?

"Knotenpunkte in den Ballungsräumen, Brücken und Schleusen", das sind für Florian Eck vom Deutschen Verkehrsforum die neuralgischen Stellen in Deutschland. "Die Schleusen stammen teilweise noch aus der Kaiserzeit, genauso wie manche Stellwerke der Deutschen Bahn." Viele Experten sehen das genauso. Allein die Sanierungskosten verschlingen einen Großteil der Budgets, für neue ambitionierte Projekte fehlt das Geld.

Den von den Grünen angedachten Weg, Autobahnen langsamer und Schienenwege dafür schneller zu bauen, hält Eck aber für zu kurz gegriffen. Zwar sei eine klare Priorisierung der Bauprojekte nötig. Aber der Abbau bürokratischer Hürden müsse alle Verkehrsträger umfassen. "Momentan fehlt der Politik eine Vision, wie Mobilität 2030, 2040, 2050 aussehen kann und eine Bestandsaufnahme, was bis dahin möglich ist und was wir bezahlen können", sagt Eck. (...)