Mobilität für Deutschland - Pressespiegel

TAGESSPIEGEL Politikmonitoring 47/2023

KTF: Verkehrssektor fürchtet finanzielle Vollbremsung

"Das Urteil trifft uns ins Mark", hieß es am Mittwoch bei einem Verkehrsverband. "Mit Kürzungsforderungen hat niemand gerechnet." An anderer Stelle war nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von einem "herben Rückschlag" und einer "Klatsche für die Ampel" die Rede. Ob Schiene oder Straße, Industrie- oder Umweltverband – die Entscheidung des obersten deutschen Gerichts, dass die Bundesregierung Investitionsmittel aus dem Corona-Fonds nicht in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) hätte übertragen dürfen, versetzt die Mobilitätsbranche in helle Aufregung (vgl. TPM 2023.46).

Schienennetzsanierung, Elektromobilität, Ladeinfrastruktur, Wasserstoffhochlauf – bei etlichen großen Investitionsvorhaben des Verkehrssektors müssen die Karten nun neu gemischt werden. Zugesagte und fest eingeplante Finanzmittel aus dem KTF stehen nicht mehr zur Verfügung, dessen Wirtschaftsplan muss neu erstellt werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verhängte am Mittwoch eine Ausgabensperre für den Fonds.

Im ohnehin auf Kante genähten Bundeshaushalt (vgl. Analyse I) müssen (bestenfalls) anderswo Spielräume geschaffen werden. Ein neuer Koalitionskrach über die Prioritäten beim Thema Transformation und Klimaschutz ist wahrscheinlich. Während Teile der SPD und der Grünen die Schuldenbremse infrage stellen, sehen FDP-Politiker:innen diese gestärkt. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer meint sogar, das Urteil "verdeutlicht, dass eine Aussetzung der Schuldenbremse nur unter der Erfüllung sehr spezifischer Kriterien erfolgen darf". "Jetzt schlägt die Stunde der Konsolidierung und Priorisierung auch im Klima- und Transformationsfonds." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekräftigte, "alle zugesagten Verpflichtungen" würden eingehalten.

Für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist der KTF ein wichtiger Stützpfeiler. Allein dafür sollten laut Regierungsentwurf für das Haushaltsgesetz 2024 insgesamt knapp zehn Milliarden Euro aus dem Fonds stammen – vor allem für die Sanierung der Eisenbahninfrastruktur, die Anschaffung von Elektrofahrzeugen, den weiteren Ausbau von Tank- und Ladeinfrastruktur, die Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie (vgl. TPM 2023.28). (...)

FINANZMITTEL FEHLEN, DER INVESTITIONSBEDARF BLEIBT

Die Branche ist alarmiert. In zahlreichen Stellungnahmen appellierten Vertreter:innen am Mittwoch an die Bundesregierung, Zusagen einzuhalten und fehlende Finanzmittel auszugleichen. "Wie diese nun entstandene finanzielle Lücke geschlossen werden kann, wird Gegenstand der gesamtstaatlichen Beratungen sein", teilte das Bundesverkehrsministerium (BMDV) auf Nachfrage mit. Der Einzelplan des BMDV sei vom Urteil des Verfassungsgerichts unberührt.

"Wir benötigen jeden Euro, um die Zukunftsinvestitionen zu realisieren und die Infrastrukturen zu sanieren, sonst können wir die Klimaziele und die Zukunft unserer Volkswirtschaft abschreiben", warnte Florian Eck, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums (DVF). Benötigt werde Planungssicherheit über Verpflichtungs-ermächtigungen und Finanzierungsvereinbarungen, "damit die Transformation von Verkehrs-, Energie- und Digitalsektor gelingt."

"DER INVESTITIONSBEDARF BLEIBT DERSELBE"

Vor allem die Schienenverkehrsbranche fürchtet um die vereinbarten Investitionen. Im KTF, so hatte man eigentlich geglaubt, wurde die Lösung für den Investitionsstau gefunden. Die Bundesregierung sah im Entwurf für das Haushaltsgesetz vier Milliarden Euro für Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur der Eisenbahninfrastruktur-unternehmen (EIU) des Bundes vor. Das Finanzministerium wollte ausweislich der Bereinigungsvorlage des Ministeriums diesen Betrag sogar noch auf 4,5 Milliarden Euro erhöhen. (...)