Klimaschutz und Mobilität - wie finden wir den gesellschaftlichen Konsens?

Einführungsrede Dr. Heike van Hoorn, DVF-Geschäftsführerin

Dr. Heike van Hoorn
Dr. Heike van Hoorn

Am 9. Oktober hat die Bundesregierung das Klimaschutzprogramm 2030 und den Entwurf zum Klimaschutzgesetz beschlossen.

Dies war, so könnte man sagen, der vorläufige politische Höhepunkt einer Diskussion über die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr, die an Intensität immer mehr zugenommen hat.

Der Schlusspunkt sind diese politischen Beschlüsse ganz sicher nicht. Die Protestaktionen von Extinction Rebellion auf der einen, der große Zulauf zur Plattform Fridays for Hubraum auf der anderen Seite zeigen, dass die Bewertung des Themas insgesamt vollkommen unterschiedlich ist. Hierbei handelt es sich um weit mehr als nur um ein technisch-politisches Problem, bei dem sich die Lösungsansätze eher im Detail unterscheiden. Nein, beim Klimaschutz scheint die Gesellschaft so gespalten, dass schon strittig ist, ob wir es überhaupt mit einem Problem zu tun haben, das wir lösen müssen – oder können.

Strittig ist dieses Thema nicht zuletzt, weil jenseits der Frage nach ein paar Millionen Elektroautos mehr oder weniger auf unseren Straßen über allem die Ahnung schwebt, dass es damit vielleicht nicht getan sein könnte. Dass der Klimaschutz uns weit mehr an Umstellung unserer Lebensgewohnheiten abverlangen könnte, als wir uns das vorstellen möchten. Und dass dies alles mit Massenkonsum und Massenwohlstand zu tun hat.

Mit Ahnungen darf sich die Politik freilich nicht aufhalten. In der nächtlichen Sitzung des Klimakabinetts im September sind realpolitische Würfel gefallen: Der Einstieg in die CO2-Bepreisung ist vorsichtig. Mit einem nationalen Emissionshandel wird der Preis für Benzin und Diesel in den nächsten Jahren langsam angehoben.

Die Bundesregierung hat vereinbart, dass das Geld an Verbraucher, Unternehmen und für Klimaschutzmaßnahmen zurückfließen soll. Die Förderung für innovative Antriebe, für den Schienenverkehr und den ÖPNV wird ausgebaut. Rund 55 Mrd. für Maßnahmen im Bereich Klimaschutz und Verkehr – das ist finanziell eine Ansage.

Aber es bleiben noch reichlich offene Fragen.

Die Herausforderung 40 % CO2 bis 2030 zu senken, ist und bleibt extrem ambitioniert. Eine derartige Umstellung unter Zeitdruck hat es im Verkehrssektor noch nie gegeben.

Der Vollzug dieses Plans wird sehr teuer – nicht nur für die Autofahrer, sondern auch für die Wirtschaft und die öffentliche Hand. Ob ein „Aufbohren“ des Energie- und Klimafonds ausreicht, um die enormen finanziellen Mittel für den klimapolitischen Umbau der Mobilität langfristig zu sichern: Wir werden sehen.

Angesichts der enormen Erwartungen an den Zuwachs beim Schienenverkehr stellt sich dringend die Frage, wie wir die Planung, Bau und Digitalisierung der notwendigen Infrastruktur beschleunigen.

Für die Elektrifizierung schwerer Lkw wird es in Zukunft Lösungen geben. Aber auch das wird sehr teuer. Wir brauchen die Infrastruktur dafür – und eine einheitliche Umsetzung in Europa.

Auch für strombasierte Kraftstoffe und Wasserstoff bedarf es starker Anreize und Initiativen.

Ein wichtiger Anwendungsfall dafür ist der Luftverkehr: Die Bundesregierung hat eine Erhöhung der Luftverkehrsteuer angekündigt, die unter Wettbewerbsgesichtspunkten sehr problematisch ist und sicher nicht zu weniger Flugverkehr führt. Wenn dem Klima tatsächlich geholfen werden soll, dann müssen die Einnahmen zumindest für den Aufbau von E-Fuels in den Luftverkehr zurückgeleitet werden.

Die klimapolitischen Ziele stehen also fest, die Veränderung im Verkehrssektor beginnt, aber das Tempo der Umstellung wird in Zukunft erhöht werden müssen.

Ab 2021 greift die Lastenteilungsverordnung der EU. Deutschland muss dann Emissionsrechte von anderen Mitgliedstaaten zukaufen. Der Veränderungsdruck wird zunehmen, während gleichzeitig der finanzielle Spielraum sinkt.

Die gesellschaftlichen und politischen Konflikte im Zusammenhang mit dem Thema „Klimaschutz im Verkehr“ könnten in Zukunft schärfer und grundlegender werden.

Wieviel Mobilität, welche Mobilität und zu welchem Preis beanspruchen als Bürgerinnen und Bürger für uns?

Akzeptieren wir Einschränkungen und Verbote? Akzeptieren wir Eingriffe in unsere tägliche Mobilität? Einen spürbaren Preisanstieg an der Zapfsäule?

Funktionieren künftig die Geschäftsmodelle der Autohersteller, der Zulieferer, der Kraftstoffwirtschaft noch? Wo sind die Jobs, wenn Mobilität mit viel weniger Autos funktioniert und unser Alleinstellungsmerkmal – der Verbrennungsmotor – eine immer geringere Rolle spielt?

Müssen wir auf Mobilität verzichten?

Oder lässt sich am Ende doch alles bruchlos transformieren?

Wenn die Kosten und Zumutungen steigen, andererseits aber die klimapolitischen Ziele verfehlt werden – wie wird es dann in zehn Jahren um den gesellschaftlichen Konsens bestellt sein? Werden sich die Konflikte radikalisieren?

Was hat das für politische Folgen?

Was können die Unternehmen tun?

Wir starten heute Abend mit Ihnen das neue Format DVF Quergedacht, weil wir mit Ihnen über solche fundamentalen Themen reden wollen.

Das Ziel ist eine Spiegelung der Themen des Mobilitätssektors – durch ausgewiesene Experten –wissenschaftlich fundiert, langfristig gedacht und durchaus auch provokant.

Dieser Dialog ist wichtig. Er kann uns voranbringen. Wir als DVF verstehen uns als Plattform für einen solchen Dialog.

Ich freue mich, dass wir für diesen Diskurs Herrn Prof. Dr. Rammler und Herrn Langhoff gewinnen konnten.

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