Wie die Digitale Schiene Deutschland Fahrt aufnimmt

Quelle: DB AG Max Lautenschläger
Quelle: DB AG Max Lautenschläger

Es sind drei Dinge zu tun. Erstens muss der Bund durch die Absicherung der Finanzierung der DSD im Bundeshaushalt 2023 Planungssicherheit schaffen. Zweitens muss eine Bundesorganisation die Umsetzung steuern und koordinieren. Drittens müssen die Prozesse beschleunigt werden, damit die Vorteile der Investitionen schneller wirken können und die teure Umstellungsphase abgekürzt werden kann.

1. Finanzierung sichern

Der erfolgreiche flächendeckende Rollout der DSD setzt Investitionen der Hersteller sowie die Ausbildung des Fachpersonals voraus. Die Investitionen in Produktions- und Werkstätten sowie der Aufbau eines Stamms an Fachpersonal für die Herstellung, den Einbau und die Prüfung der Komponenten und das Training der Triebfahrzeugführer, Werkstattpersonale, Disponenten und Fahrdienstleiter erfolgen erst dann, wenn der Bund sich verbindlich zur DSD bekennt und diese aktuell durch den Bundeshaushalt oder - entsprechend der Empfehlung des Zukunftsbündnisses Schiene - zukünftig über Sondervermögen finanziert. Übersetzt in die mittelfristige Finanzplanung des Bundes ab 2023 sind ausreichende jährliche Verpflichtungsermächtigungen in Milliardenhöhe erforderlich, um parallel zum Starterpaket bereits mit dem flächenhaften DSD-Rollout zu beginnen.

Schneller und effizienter und damit kostengünstiger wird die Umsetzung, wenn die Finanzierung der DSD aus einem Guss statt aus einer Vielzahl an Haushaltstiteln erfolgt. Dies allein würde bereits einen deutlichen Impuls Richtung Geschwindigkeit und Effizienz in der Umsetzung setzen. Die Nutzung von GVFG-Mitteln führt beispielsweise dazu, dass sämtliche Kosten für die Digitalisierung der Infrastruktur im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnung (Standardisierte Bewertungsmethodik) angerechnet werden müssen und somit die Fördervorhaben größtenteils unwirtschaftlich machen. Auch die Novelle der Standardisierten Bewertungsmethodik bringt hier keine Verbesserung.

Der jahrelang andauernde Prozess der Gewährung von Bundesfinanzmitteln (Ausstellung von Finanzierungsvereinbarungen, Genehmigungen von vorzeitigen Maßnahmen und Genehmigungen der Baufreigabe in finanzieller Hinsicht) durch das Eisenbahn-Bundesamt zeigt am Beispiel der Starterpaketprojekte, dass erhebliches Beschleunigungspotential bei der Förderantragstellung besteht.

Entscheidend wird die nationale Förderung der Fahrzeugausrüstung sein. Allein die der Infrastruktur vorausgehende Ausrüstung der Fahrzeuge vermeidet die notwendige Errichtung einer doppelten Leittechnik. Neben den Kostennachteilen würde eine solche Doppelausrüstung zudem Qualität und Kapazität im Netz verringern – wie am Beispiel der Rheintalbahn/Korridor A bereits ersichtlich wird.

2. Bundeskoordinierung einrichten

Die flächendeckende Digitalisierung der Schieneninfrastruktur ist komplex. Für eine ressourcenschonende Umsetzung bedarf es einer schlagkräftigen Bundesorganisation für die Koordinierung und Steuerung. Die Umstellung der Technik im Netz ist mit der Ausrüstung der Fahrzeuge so abzustimmen, dass alle Bestandsfahrzeuge vor der Digitalisierung der Strecke umgerüstet sind und alle ab jetzt zu bestellenden neuen Fahrzeuge ebenfalls mit der neuen digitalen Technik beschafft werden. Allein diese Koordinierung bedarf einer sehr engen Abstimmung mit den Ländern bzw. Aufgabenträgern, die die Regionalverkehre ausschreiben. Gleichzeitig ist zu gewährleisten, dass ein bundesseitiger Koordinator die beste Lösung für das Gesamtsystem ansteuert, ohne einzelne Akteure zu bevorteilen. Welche Schritte bis wann zu entscheiden sind, ergibt sich aus dem Zieldatum 2035 und der Dauer der Umstellungsprozesse. Der verbindliche Startschuss muss jetzt erfolgen.

3. Verbindlichkeit schaffen

Ein DSD-Rollout bis 2035 wird nur mit beschleunigten Planungs-, Förder-, Zulassungs- und Genehmigungsprozessen gelingen. Der erste Schritt ist mit dem im Dezember 2020 in Kraft getretenen Investitionsbeschleunigungsgesetz erfolgt, so dass die erforderlichen Baumaßnahmen im Rahmen der Digitalisierung einer Bahnstrecke, insbesondere deren Ausstattung mit Signal- und Sicherungstechnik des Standards ERTMS inkl. ETCS und GSM-R, genehmigungsfrei nach § 18 AEG sind. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (nach § 14a UVPG) entfällt ebenfalls.

Darüber hinaus bedarf es jedoch noch einer Vereinbarung, dass die Projekte zur Leit- und Sicherungstechnik – auch aus anderen Finanzierungsquellen wie Bedarfsplan, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) oder der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (Anlage 8.7 der LuFV) – mit dem beschleunigten Rollout abzustimmen sind. Andernfalls werden neue Strecken mit alter Sicherungstechnik gebaut, die kurzfristig wieder ausgewechselt werden müssen, was bereits geschieht. Mit den aktuellen Abschreibungszeiträume der Bundesförderung würde sich der Rollout um weitere 20 Jahre verzögern. Ebenso ist eine gemeinsame und kontinuierliche Arbeit aller Beteiligten an einer Vereinfachung, Standardisierung und Digitalisierung von Planungsprozessen, Prozessschnittstellen, Förder- Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erforderlich.

Keine Lösung ist es, die europäische Zugsicherungstechnik als Netzzugangsbedingung festzuschreiben, im Glauben, dass sich die Eisenbahnverkehrsunternehmen in der Folge selbst um die Ausstattung der Fahrzeuge kümmern. Dies würde einerseits eine Marktzugangsbarriere für einen großen Teil der Nutzer darstellen und gegen nationales und europäisches Recht verstoßen. Andererseits kann über diesen Weg rechtlich nicht gewährleistet werden, dass eine notwendige vollständige DSD-Fahrzeugausrüstung in die Fahrzeuge integriert wird. Ohne vollständige DSD-Fahrzeugausrüstung entsprechend dem DSD-Zielbild sind angestrebten Kapazitätssteigerungen ausgeschlossen. Der Bund muss die Förderrichtlinie für den „Digitalen Knoten Stuttgart“ mit klaren Fördervoraussetzungen auf ganz Deutschland ausdehnen.

Bei der Aktualisierung des Nationalen Umsetzungsplans ist darauf zu achten, dass im Voraus eine Bundesförderung bereitgesellt wird, um im Rahmen der Anhörung des Bahnsektors eine Unterstützung für die Umsetzung des bundesweiten DSD-Rollouts zu bewirken.

Was passiert, wenn nichts passiert?

Ohne Entscheidungen zur Koordinierung, rechtlichen Verbindlichkeit und gesicherten Finanzierung der DSD im Jahr 2022, wird es zunehmend Störungen im Netz geben. In der Folge werden bestehende Kunden im Personen- und Güterverkehr zur Straße wechseln. Das schließt eine Fahrgastgewinnung aus.

Und es würde teuer, ohne dass der Nutzen steigt. Die Wartung der variantenreichen bestehenden Leittechnik ist kostspielig. Teils werden Produkte heute bereits nicht mehr hergestellt, weswegen Ersatzteile aufwändig bevorratet oder nur durch den Ausbau bei anderen, nicht mehr genutzten Bauteilen beschafft werden können. Hinzu kommt, dass mit dem absehbaren Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter die Fachkräfte für die Wartung der Technik fehlen werden. Gleichzeitig wird sich junges Personal kaum für alte Relaistechnik interessieren und daran ausbilden lassen.

Der erforderliche Personalaufbau für die Digitalisierung, den die Unternehmen im Vertrauen auf die politische Zielsetzung begonnen haben, würde gestoppt bzw. wieder rückgängig gemacht. Beschäftigungsimpulse blieben aus.