Ein Blick auf die Praxis zeigt, wie gewaltig die Herausforderungen sind. Denn hierzulande vergeht von der Planung bis zur endgültigen Genehmigung wichtiger Infrastrukturvorhaben nicht selten ein ganzes Jahrzehnt.

"Dabei sind es im Kern die hohen inhaltlichen Anforderungen an umweltrelevante Vorhaben, die zu einer kaum mehr zu bewältigenden Komplexität führen. "

Das europäische Natur- und Artenschutzrecht sowie das Wasserrecht erfordern immer umfangreichere Umweltuntersuchungen, die mehrere Monate oder sogar Jahre dauern und deren Dokumentation in den Antragsunterlagen oft mehrere hundert, wenn nicht tausend Seiten einnimmt. Und während der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Rechtsschutz im Umweltrecht kontinuierlich ausgeweitet hat, zeichnen sich die deutschen Verwaltungsgerichte zugleich durch eine immens hohe Kontrolldichte aus. Im Ergebnis erweisen sich die deutschen Planungs- und Genehmigungsverfahren als echte Fortschrittsbremse.

Quelle: DVF/Photothek

Dr. Christiane Kappes, Rechtsanwältin, Partnerin bei CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB: "Das europäische Natur- und Artenschutzrecht sowie das Wasserrecht erfordern immer umfangreichere Umweltuntersuchungen, die mehrere Monate oder sogar Jahre dauern und deren Dokumentation in den Antragsunterlagen oft mehrere hundert, wenn nicht tausend Seiten einnimmt."

Und während der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Rechtsschutz im Umweltrecht kontinuierlich ausgeweitet hat, zeichnen sich die deutschen Verwaltungsgerichte zugleich durch eine immens hohe Kontrolldichte aus. Im Ergebnis erweisen sich die deutschen Planungs- und Genehmigungsverfahren als echte Fortschrittsbremse.

Misere erkannt

Der Gesetzgeber hat die Misere erkannt und eine ganze Reihe neuer Beschleunigungsgesetze auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt der Bemühungen stand zuletzt die Sicherstellung der Energieversorgung beispielsweise durch weitreichende Verfahrenserleichterungen des LNG-Beschleunigungsgesetzes und der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien durch die Gesetzesänderungen des Oster- und Sommerpakets. Erhebliche Erleichterungen für erneuerbare Energien und Stromnetze bringt nun die Umsetzung der EU-Notfallverordnung (Verordnung EU 2022/2577), wonach für diese Projekte vorübergehend die UVP-Pflicht und die Prüfung des Artenschutzes entfällt.

Modernisierungspaket bleibt hinter den Möglichkeiten zurück

Modernisierungspaket bleibt hinter den Möglichkeiten zurück

Bild Quelle: Deutsche Bahn AG Oliver Lang

Notwendig ist aber auch eine Beschleunigung für Verkehrsinfrastrukturvorhaben. Das nach langem Ringen Ende März vorgelegte Modernisierungspaket der Koalition enthält begrüßenswerte Ansätze zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich, die neben bestimmten Schienenprojekten sowie Ersatzneubauten für marode Brückenbauwerke nun immerhin auch besonders wichtige Neu- und Ausbauvorhaben für Bundesfernstraßen erfassen. Insgesamt bleibt es aber hinter den Möglichkeiten zurück. Die aus dem Energiebereich übernommene gesetzliche Regelung des überragenden öffentlichen Interesses für bestimmte Schienenvorhaben und besonders wichtige Bundesfernstraßen zur Engpassbeseitigung ist hilfreich für behördliche Abwägungsentscheidungen und Ausnahmeprüfungen.

Das Beschleunigungspotential ist aber auch hier begrenzt. Denn die für diese Entscheidungen erforderlichen, aufwendigen Alternativenprüfungen müssen weiterhin erstellt werden. Zudem sind maßgebend für die Planungsdauer die Anforderungen an die umweltfachlichen Untersuchungen. Die geplante Einführung gesetzlicher Genehmigungsfristen für Planfeststellungsverfahren für TEN-V-Schienenprojekte und immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren wird wohl ein stumpfes Schwert, denn die Nichteinhaltung der Frist wird in der Regel rechtlich folgenlos bleiben. Die hohen inhaltlichen Anforderungen des Umweltrechts gelten auch für diese Vorhaben. Kürzere Fristen helfen dann nicht weiter, denn korrekt abgearbeitet werden müssen die Anforderungen trotzdem. Wenn eine zur Fristeinhaltung erteilte Zulassungsentscheidung anschließend von den Verwaltungsgerichten kassiert wird ist nichts gewonnen.

Umweltrecht handhabbar machen

Der Schlüssel für nachhaltige Beschleunigung in der Breite liegt an anderer Stelle. Für den großen Wurf muss sich der Gesetzgeber an die schwierigeren Themen des materiellen Rechts heranwagen. Das Umweltrecht muss wieder handhabbar werden. Dafür sollte sich die Bundesregierung bei der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten für eine Anpassung der europäischen Richtlinien insbesondere zum Gebiets- und Artenschutz sowie zum Wasserrecht einsetzen.

"Dass die europarechtlichen Vorgaben ein wesentlicher Hemmschuh der Planungsbeschleunigung sind, hat die Kommission mit der befristeten Freistellung von Energievorhaben von der Umweltverträglichkeitsprüfung und dem Artenschutz durch die EU-Notfallverordnung gerade selbst unterstrichen."

Notwendig ist eine praxistaugliche Stichtagsregelung

Notwendig ist eine praxistaugliche Stichtagsregelung

Bild Quelle: Deutsche Bahn AG Hans-Christian Plambeck

Auf nationaler Ebene liegt echtes Beschleunigungspotential in der Einführung praxistauglicher Stichtagsregelungen im Hinblick auf die Datenaktualität bei Umweltuntersuchungen. Besondere Bedeutung kommt der Einführung praxistauglicher Stichtagsregelungen zu. Das betrifft nicht nur die Anwendung von Rechtsvorschriften, sondern vor allem die Daten- und Methodenaktualität bei Umweltuntersuchungen. Die zahlreichen fachlichen Unsicherheiten sollten durch Standardisierung behoben werden. Bei verbleibenden Unsicherheiten sollten behördliche Beurteilungsspielräume gestärkt werden. Dadurch ließe sich auch die gerichtliche Kontrolle stärker determinieren und vom Streit um das fachliche Richtig oder Falsch entlasten.

"Dabei geht es nicht darum, Umweltschutzstandards abzusenken."

"Es müssen aber verlässliche Planungsgrundlagen geschaffen werden, mit denen der hierzulande betriebene Aufwand in Planungs-, Zulassungs- und Gerichtsverfahren wieder in ein vernünftiges Verhältnis zu dem damit verbundenen Erkenntnisgewinn gebracht wird."

Das alles ist sehr ambitioniert und der Weg ist bisweilen steinig. Aber wenn der Ausbau wichtiger Energie- und Infrastrukturvorhaben nicht an den langen Genehmigungsverfahren scheitern sollen, führt an mutigem Handeln kein Weg vorbei.

Autorin: Dr. Christiane Kappes