Newsletter Magazin Nr. 3/Oktober 2020
22.10.2020
Editorial Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner
Die Lage in Europa hat sich drastisch verändert, und wir sehen uns der erwarteten zweiten Corona-Infektionswelle gegenüber. Jetzt heißt es, die Lehren aus den Erfahrungen des Frühjahrs anzuwenden. Die 3-Säulen-Strategie des DVF hat jetzt umso mehr Gültigkeit ...
Mobilitätswende fällt der Coronakrise nicht zum Opfer
„Die Herausforderungen Klimawandel und Mobilitätswende haben sich durch das Auftreten der Corona-Pandemie nicht erledigt und stehen weiterhin auf der Tagesordnung. Daher werden wir wie in der Vergangenheit unsere finanziellen Ressourcen prioritär dafür einsetzen müssen“, sagte Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Werner Gatzer bei der DVF-Herbstauftaktveranstaltung. Die VDA-Präsidentin Hildegard Müller forderte angesichts der weltweiten Pandemie die Themen Konjunktur und Klimaschutz zusammen zu denken und warnte vor einer weiteren Verschärfung der CO2-Ziele.
Sts. Werner Gatzer: Die Krise als Chance begreifen
Die Krise kann auch als Chance interpretiert werden, wichtige Veränderungen noch intensiver anzustoßen. Standen bereits vor der Krise Maßnahmen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung an zentraler Stelle, wird dieser Fokus nunmehr deutlich verstärkt. Neben der Verkehrs- wird auch die Energiewende beschleunigt vorangetrieben, beispielsweise bei der Wasserstoffstrategie.
EU will neben „green“ und „smart“ auch krisenfest werden
Die Europäische Kommission will mit 750 Milliarden Euro der europäischen Wirtschaft helfen. Können Häfen und Schifffahrt daran partizipieren? Die Leiterin Direktorat D – Water borne, Generaldirektion Mobilität und Verkehr, EU-Kommission Magda Kopczynska sagte beim Lenkungskreis Häfen und Schifffahrt, zu den Zielsetzungen „nachhaltig“ und „smart“ komme nun das Stichwort „krisenfest“ hinzu. Außerdem strebe die EU für 2020/2021 die Einbeziehung der Seeschifffahrt in das europäische Emissionshandelssystem an und werde bis Ende 2020 die angekündigte ReFuel Maritime Initiative vorlegen sowie weitere Initiativen.
Für eine Antriebswende braucht es eine schnellere Energiewende
Im Mobilitätssektor wird zukünftig nicht weniger, sondern mehr CO2-freier Strom benötigt, egal ob für Batteriestrom oder Wasserstoff. Dr. Tamara Zieschang, Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium sagte auf der DVF-Preview Veranstaltung zur InnoTrans Busforum, es gelte für die Umstellung auf einen emissionsfreien Verkehrsmarkt vor allem den Ausbau des Stromnetzes voranzutreiben, etwa für die Verteilung des Stroms aus Nordsee-Windkraft in den Süden von Deutschland. Vorstand Betrieb BVG und DVF-Präsidiumsmitglied Dr. Rolf Erfurt forderte zur Umstellung auf einen E-Bus-Betrieb schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren für die benötigte Infrastruktur sowie höhere Reichweiten von E-Bussen.
Planungssicherheit herstellen und Genehmigungen beschleunigen
Beim DVF Preview-Format zur InnoTrans diskutierten unter anderem der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann MdL, DB-Vorstand Ronald Pofalla, Transdev-Chef Dr. Tobias Heinemann, Sören Bartol MdB, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Larissa Zeichhardt, Geschäftsführerin LAT, wie Investitionen in ein digitales Schienennetz planvoll und zügig erfolgen können und welche Hindernisse bestehen. Damit die Konjunkturmittel der Bundesregierung einen Schub auslösen können, müssen sie schnell abrufbar sein, forderte Norbert Schüßler, Geschäftsführender Gesellschafter Schüßler-Plan GmbH und DVF-Präsidiumsmitglied.
Das neue Normal für die Mobilität: Reboot mit Resilienz
Beim gemeinsamen Branchenforum der Commerzbank und des DVF haben Experten darüber diskutiert, welche Strategien dem Transport- und Logistiksektor aus der Corona-Krise helfen. Die gesamtwirtschaftliche Lage beurteilte Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank AG, so, dass man in Deutschland aufgrund der Lockerungen des Corona-Lockdowns eine reflexhaft starke Erholung der Wirtschaft wahrnehme. Diese steile Kurve flache sich seit Ende Juni allerdings ab. Die Gefahr einer zweiten Corona-Welle müsse aber keine zweite Rezession nach sich ziehen.
Branche unterstützt europäischen Pandemie-Notfallplan
Beim DVF-Lenkungskreis Güterverkehr und Logistik begrüßte Steffen Bilger MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister einen europäischen Notfallplan für die Logistik: „Für die deutsche Ratspräsidentschaft und auch für uns als Transitland Nummer 1 ist der Notfallplan für die Logistik und den Güterverkehr der wichtigste Tagesordnungspunkt für die EU-Verkehrsministerkonferenz.“ Der Lenkungskreisvorsitzende Dr. Jörg Mosolf, CEO, MOSOLF SE & Co. KG, sah die Initiative des Bundesverkehrsministeriums sehr positiv: „Die Krise hat gezeigt, dass die Mitgliedstaaten sich noch stärker und vor allem schneller koordinieren müssen.“
Nur wenige Lkw mit alternativen Antrieben auf der Straße
Der Einsatz klimafreundlicher Antriebe und Kraftstoffe im Güterverkehr ist klimapolitisch gewünscht und wird mit Förderprogrammen unterstützt. Dennoch verharren Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen mit alternativem Antrieb auf niedrigem Niveau. Axel Kröger, Geschäftsführer Konrad Zippel Spediteur GmbH & Co. KG. ist ein positives Vorbild: „Wir haben frühzeitig unsere Transportkette dahingehend verändert. Die Schienentransporte werden heute zu 100 Prozent mit Ökostrom betrieben und wir setzen zwei Hybridrangierlokomotiven ein.“ Bei Fahrzeugen könne auch auf eine elektrische Antriebsachse gewichtsneutral umgerüstet werden, erklärte Josha Kneiber, Bergische Achsen KG BPW. Erfahrungsgemäß werde dieses Thema von OEMs nicht engagiert vorangetrieben, weil sie kleine Stückzahlen nicht gewohnt seien.
Mit Digitalisierung besser auf Kundenbedürfnisse eingehen
Die Geschäftsführerin der Mainzer Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) Eva Kreienkamp und der Datenexperte, Co-Founder, Chairman und Head of Product Teralytics GmbH Georg Polzer zeigten, welche Möglichkeiten der ÖPNV durch Digitalisierung in der Corona-Krise hat, um Fahrgäste zu gewinnen, beispielsweise durch eine digitale Haltestelle und eine genaue Kenntnis über die Bewegungsströme.
Termine
Das DVF wird seine erfolgreichen Hybrid- und Digitalformate fortsetzen. Etwa am 18. November mit der Abendveranstaltung „Elektromobilität sucht Verstärkung – Wie schaffen wir Wasserstoff und E-Fuels bis 2030?“ u. a. mit DVF-Präsidiumsmitglied Wolfgang Langhoff, Vorsitzender des Vorstands, BP Europa SE und Andreas Feicht, Staatssekretär Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Am 16. Dezember findet in Berlin die Abendveranstaltung „Masterplan Binnenschifffahrt umsetzen – Anschub für ein leistungsfähiges und nachhaltiges System Wasserstraße“ statt mit DVF-Präsidiumsmitglied Frank Dreeke und weiteren Gästen wie Dr. Michael Güntner, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur; Claudia Müller MdB, Sprecherin für maritime Wirtschaft; Niels A. Anspach, Supply Manager NWE, BP Europa SE; Heiner Dettmer, CEO, Dettmer Group KG und weitere.
Parlamentsgruppe Schienenverkehr diskutiert über Schutz vor Bahnlärm
Enak Ferlemann MdB, Parl. Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister zog ein positives Resümee des deutschen Schienenlärmschutzgesetzes, das ab Dezember 2020 laute Güterwagen verbietet. In der Auseinandersetzung mit der EU- Kommission um ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren wegen des vorzeitigen Verbots lauter Güterwagen in Deutschland sicherte der Vorsitzende der PG Schienenverkehr, Cem Özdemir MdB, der Bundesregierung Unterstützung zu. Elisabeth Werner von der EU-Kommission, wies darauf hin, dass ab Dezember 2024 laute Güterwagen von den verkehrsreichsten Eisenbahnstrecken seitens der EU verbannt würden. Sven Wellbrock, Vorstandsmitglied VTG Rail Europe GmbH: „Die flächendeckende Umrüstung der Flotte auf leise Bremssohlen war für die gesamte Branche ein Kraftakt.“
EEG-Novelle 2021: Nicht alle Verkehrsträger profitieren
„Die Begrenzung der EEG-Umlage für Landstrom in Seehäfen ist ein wichtiger, notwendiger Schritt, um Landstrom künftig wettbewerbsfähig gegenüber der Verwendung von fossilem Schiffskraftstoff zu machen“, so DVF-Geschäftsführerin Dr. Heike van Hoorn. Allerdings sind zusätzliche Entlastungen für den Strombezug durch Schienenbahnen - über den bereits bestehenden § 65 EEG hinaus - nicht im Entwurf enthalten. Genauso wenig wie ein Entlastungstatbestand für den Strombezug durch E-Busse.