Forum 1: Logistikbranche unter Druck - Regulierung muss Wellenbrecher sein

Die weltweiten Lieferketten sind aus dem Takt geraten. Frachtraum ist knapp, Fachkräfte fehlen und Energiekosten steigen. Gleichzeitig sind internationale und nationale Klimaschutzvorgaben zu erfüllen. „Die Logistikunternehmen stellen sich in diesem herausfordernden Umfeld auf, benötigen aber auch von der europäischen und deutschen Politik sinnvolle Gegenmaßnahmen, um die Wogen zu glätten. Regulierung muss hier zum Wellenbrecher werden“, so Dr. Jörg Mosolf, Vorsitzender des Vorstands MOSOLF SE & Co. KG und DVF-Präsidiumsmitglied.

"Der internationale Druck auf die Branche nimmt zu."

Dr. Jörg Mosolf

Mosolf warnte, dass fehlendes Personal nicht zur Wachstumsbremse werden dürfe. "Von der Regierung erwarten wir den massiven Abbau von Barrieren, Entbürokratisierung und leichtere Einwanderung von Fachkräften." (Hier klicken zur Rede)

Nachhaltigkeit und Klimaneutralität sind wichtige Wettbewerbsmerkmale

„Unternehmen, die Nachhaltigkeit nicht zu einem integralen Bestandteil ihres wirtschaftlichen Handelns machen, riskieren über kurz oder lang ihre „license to operate“, so Uwe Brinks, CEO DHL Freight und DVF-Präsidiumsmitglied. „Dabei ist es essentiell, innerhalb der Logistikbranche alle vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen. Neben den Potentialen, die uns die Digitalisierung oder die Verlagerung auf die Schiene bieten, gilt es insbesondere den Transport über die Straße nachhaltig zu gestalten.“ Brinks betonte, dass im Hinblick auf die Entwicklung der notwendigen Antriebstechnologien sowie der damit einhergehenden Rahmenbedingungen, wie die Bereitstellung der Infrastruktur, „eine starke Kooperation aller Marktteilnehmer unabdingbar ist.“

"Eine starke Kooperation aller Marktteilnehmer ist unabdingbar."

Uwe Brinks

Die Anstrengungen der Branche zur Erfüllung der Klimaziele würden von der Bundesregierung aktiv flankiert, erklärte Johannes Wieczorek, Stellv. Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten, Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV): „Laut Klimaschutzprogramm soll 2030 etwa ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch erfolgen. Das BMDV hat mit dem Gesamtkonzept klimafreundliche Nutzfahrzeuge einen Fahrplan zur Umsetzung der Vorgaben erarbeitet. Es enthält drei Kernmaßnahmen: die Förderung der Anschaffung von klimaschonenden Lkw, die Steuerung des Aufbaus von Infrastruktur und eine CO2-basierte Lkw-Maut.“

 

Bild Quelle: DVF/Bildschön/ V. l.: Matthias Rathmann, Chefredakteur trans aktuell (Moderation); Dr. Sigrid Evelyn Nikutta; Johannes Wieczorek; Dietmar Focke; Uwe Brinks; Robert Ziegler

Transformation läuft auf vollen Touren

Nach Meinung von Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, Vorstand Güterverkehr Deutsche Bahn AG, Vorstandsvorsitzende DB Cargo AG, habe die Politik die Chance, die aktuelle Transformation so zu gestalten, dass Wettbewerbsverzerrungen im Welthandel verhindert würden – etwa mit Strompreisdeckeln für besonders energieintensive Branchen und mit Steuersenkungen für Biokraftstoffe wie HVO. „Zugleich setzt die Reform des europäischen CO2-Emissionshandels weiter konsequent Anreize für die Reduktion von Emissionen und weitreichende Modernisierungen.“

Nach den Worten von Robert Ziegler, General Manager Europe Einride, sei die Zeit für Pilotprojekte vorbei: „Die Transformation läuft auf vollen Touren und Zögerer werden den Zug verpassen.“ Die EU und insbesondere Deutschland hätten starke Ziele gesetzt und diese mit entsprechenden Maßnahmen begleitet, die eine Transformation des Verkehrssektors zweifelsohne antreiben werden.

„Verlader müssen jetzt Mut beweisen und das bestehende Potential der Erneuerbaren konsequenter, schneller und umfangreicher umsetzen.“

Robert Ziegler

Vorstandsmitglied, COO CHRO, Lufthansa Cargo AG, Dietmar Focke, bemängelte allerdings die jüngste Einigung zum Markthochlauf von Sustainable Aviation Fuel (SAF) durch den europäischen Gesetzgeber. „Leider wurde die Chance verpasst, zugleich einen Mechanismus einzuführen, der angesichts der massiven Mehrkosten von SAF die Benachteiligung der europäischen Fluggesellschaften und Luftverkehrsdrehkreuze vermeidet. Anders als bei Nicht-EU-Airlines fallen unsere Lufthansa Cargo Flüge nach zum Beispiel China komplett unter das Regime. Damit werden Emissionen also nicht verhindert, sondern lediglich verlagert."

"Um diesen Carbon Leakage-Effekt zukünftig sinnvoll einzudämmen, gibt es Vorschläge aus der Luftfahrt.“

Dietmar Focke

Forum 2: Wasserstoff und Co: Logistik für die Energiewende

Forum 2: Wasserstoff und Co: Logistik für die Energiewende

Bild Quelle: DVF/Bildschön/ Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner

Auf dem zweiten Forum bei der transport logistic ging es um die Logistik für die Energiewende und umfasst neue Antriebe, alternative Kraftstoffe und neue Produktionsketten. Der Transport von Ammoniak, Wasserstoff, CO2 ist nur eine von vielen Herausforderungen. Die Versorgung von der CO2-Quelle über die e-Fuels-Raffinerie bis hin zum Flugzeug oder Stahlwerk stellt ebenso wie die Versorgung mit nachhaltigem Strom, Wasserstoff oder zwischenzeitlich LNG neue Anforderungen an die Logistik.

Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, DVF-Präsidiumsvorsitzender, sagte eingangs: "Die Politik muss die regulative Flankierung für den Hochlauf der Energiewende liefern, beispielsweise über Preisinstrumente, die Anrechenbarkeit von grünen Kraftstoffen auf die Treibhausgasvermeidung und klaren Regelungen zur Bilanzierung und dem branchen- und länderübergreifenden Austausch von CO2.“ Nur so könnten die neuen Logistikketten in der Menge und Zeitachse abgeschätzt werden. (Hier klicken zur Rede)

Zukunftsmarkt CO2: Einsparung Millionen Tonnen CO2 in den nächsten Jahren möglich

Zukunftsmarkt CO2: Einsparung Millionen Tonnen CO2 in den nächsten Jahren möglich

Bild Quelle: DVF/Bildschön/ V. l.: Michael Cordes (Moderator); Sven Wellbrock; Frank Schnabel, Dr. Tobias Block; Burkhard Sommer; Bildschirm: Kerstin Deller

Sven Wellbrock, Mitglied der Geschäftsführung Chief Operating Officer Europe & Chief Safety Officer, VTG GmbH, begrüßte, dass die Bundesregierung noch in diesem Sommer eine Carbon Management Strategie vorlegen wolle. Darin würden alle notwendigen Transportoptionen betrachtet. „Die Abscheidung von CO2 aus Industrieprozessen, wie der Zement- oder Kalkproduktion, ist eine Säule zur Dekarbonisierung, die bereits in den kommenden Jahren mehrere Millionen Tonnen CO2 einsparen könnte. Die Schiene ist für den CCSU-Markt ein schnell verfügbarer, flexibler und leistungsfähiger Transportträger.“

"Die Abscheidung von CO2 aus Industrieprozessen, wie der Zement- oder Kalkproduktion, ist eine Säule zur Dekarbonisierung."

Sven Wellbrock

Zuversichtlich zeigte sich Kerstin Deller, Unterabteilungsleiterin Grundsatzfragen Effizienz, Wärme und Wasserstoff, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, dass noch vor der Sommerpause die Wasserstoffstrategie 2.0 der Bundesregierung verabschiedet werde. Man sei noch im Diskussionsprozess etwa über die Frage, in welchen Bereichen der Wasserstoff zunächst eingesetzt werden solle. Besonders Unternehmen und Sektoren, die keine Alternative zum Wasserstoff haben, kämen an erster Stelle. Wichtg sei aber auch, dass die Finanzierung im Bundeshaushalt langfristig gesichert sein müsse.

Die deutsche Rolle bei der Energiewende

„Deutschland wird nach der Energiewende teilweise Exporteur erneuerbarer Energien gerade auch im europäischen Verbund sein, aber auch Energie bei europäischen und internationalen Partnern einkaufen, um die Energieversorgung von Bevölkerung und Wirtschaft sicherzustellen“, prognostizierte Burkhard Sommer, Direktor, stellvertretender Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums, PwC Germany. Deutschland werde sich so resilienter und unabhängiger in seiner Energieversorgung aufstellen als in der jüngeren Vergangenheit. „Um dies zu erreichen, werden erhebliche Investitionen notwendig sein.“

Zur aktuellen Situation auf den Energiemärkten nahm Dr. Tobias Block, Leiter Strategie und Inhalt, eFuel Alliance e.V., Stellung. So sei es erfreulich, dass Deutschland wie die EU den Blick ins außereuropäische Ausland öffneten.

„Bereits in den jeweiligen Wasserstoffstrategien bekommen Energiepartnerschaften sowie Importe große Aufmerksamkeit.“

Dr. Tobias Block

Nichtsdestotrotz müssten die Anstrengungen und Gespräche besonders in diesen Bereichen intensiviert und die Ambitionen für den Ausbau internationaler grüner Energiequellen drastischer verfolgt werden. Zudem lasse sich Erneuerbare Energie am Besten als eFuel importieren. „Demnach finden wir uns in der grenzüberschreitenden Logistikkette als Abnehmer wieder. Umgekehrt wirken wir mittels Technologieführerschaft in etwaigen Bereichen als Enabler des globalen Hochlaufs grüner Energien.“

Die Häfen entwickeln sich zum Drehkreuz für die Energiewende. Die Logistikbranche hat dort per Wasser, Schiene und Straße für die damit einhergehende Neugestaltung der Energiemärkte eine elementare Funktion. Frank Schnabel, Geschäftsführer Brunsbüttel Ports GmbH: „Sowohl durch die Errichtung vielseitiger Energie-Import-Infrastrukturen, die zunächst den Import von LNG und langfristig auch von grünen Energieträgern wie Wasserstoff beziehungsweise dessen Derivaten ermöglichen, als auch durch ihre Funktion als leistungsstarke, multimodal angebundene Drehscheiben für Energieträger aller Art, leisten die Häfen einen enorm wichtigen Beitrag dazu, die nationale Energieversorgung zu sichern und langfristig unabhängiger zu gestalten.“