Finanzarchitektur ist von zentraler Bedeutung

Finanzarchitektur ist von zentraler Bedeutung

Bild Quelle: DVF/Photothek/ Dr. Levin Holle

Dr. Levin Holle, Vorstand Finanzen & Logistik, Deutsche Bahn AG: „Wir brauchen eine deutliche Vereinfachung der Finanzierungsarchitektur. Heute finanzieren wir unsere Projekte mit rund 190 verschiedenen Positionen, alle mit unterschiedlichen Regeln und aus einer Vielzahl verschiedener Haushaltstitel. In Zukunft sollten wir diese in deutlich weniger Positionen bündeln, um den Prozess einfacher und schneller zu machen.“

„Wir brauchen eine deutliche Vereinfachung der Finanzierungsarchitektur."

Dr. Levin Holle

Eine Finanzierung der Schiene aus einer Vielzahl von Finanzierungsquellen sei unhaltbar, bestätigte Prof. Dr. Christoph Walther, Head of Global Research PTV Planung, Transport, Verkehr. „Allein schon für jede Maßnahme an der Infrastruktur müssen die Finanzierungszusagen aller betroffenen Finanzquellen zeitlich harmonisiert werden.“ Walther erschien daher der Vorschlag des Bundesverkehrsministeriums (BMDV) mit einer Konzentration auf zwei Fonds für Aus- und Neubau sowie für Erhaltung als vielversprechend.

Alle Beteiligten würden hart an den strukturellen Neuerungen, wie der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung der neuen Infrastrukturgesellschaft und den finanziellen Rahmenbedingungen arbeiten, erklärte Prof. Dr. Corinna Salander, Leiterin Abteilung Eisenbahnen im Bundesverkehrsministerium. Dies werde in zwei Stufen geschehen: zunächst würden die Verschmelzung der DB Einheiten Netz sowie Serivce&Stationen erfolgen zum 01.01.2024. Die Umgestaltung der Finanzierungsarchitektur sei die zweite Stufe, benötige aber mehr Zeit.

Sachverstand von Politik und Branche nutzen

Sachverstand von Politik und Branche nutzen

Bild Quelle: DVF/Photothek/ V. l.: Schwietering (Moderator); Prof. Dr. Salander; Dr. Holle; Donth MdB; Prof. Dr. Walther; Münker-Tiedge

Udo Schiefner MdB (SPD), Vorsitzender der Parlamentsgruppe Schienenverkehr im Deutschen Bundestag, meinte in seiner Begrüßungsrede, es sei bereits klar, dass für die Ausgestaltung der Gesellschaft die DB Bereiche Netz und Stationen verschmolzen und die Finanzarchitektur vereinfacht werden solle. "Offen ist aber, was unter dem Begriff Gemeinwohlorientierung zu verstehen ist und wie die neue InfraGo durch das Bundesverkehrsministerium kontrolliert wird." Schiefner bat darum, den gesamten Sachverstand der Branche und der Politik schnell in die Aufbauarbeiten einzubeziehen und die hausinternen Strukturen so aufzubauen, dass der Bund als Eigentümer der DB AG seine Aufsichtsfunktion im Sinne des Gemeinwohls ausüben könne.

"Offen ist aber, was unter dem Begriff Gemeinwohlorientierung zu verstehen ist."

Udo Schiefner MdB

"Gemeinwohlorientierung kann vieles bedeuten, im eisenbahnpolitischen Sinn aus meiner Sicht vor allem: Sicherstellung einer hohen Qualität und Kapazität des Schienennetzes, Kundenorientierung, Diskriminierungsfreiheit zur Sicherstellung des Wettbewerbs und eine effektive und effiziente Mittelverwendung", so Michael Donth MdB (CDU), stellvertretender Vorsitzender der Parlamentsgruppe Schienenverkehr. "Es braucht nicht nur eine grundlegend neue Struktur innerhalb des DB-Konzerns für die InfraGO, sondern auch eine Neuaufstellung der Finanzierung - transparent und überjährig. Die Infrastruktursparte ist klar von der Betriebssparte des DB-Konzerns zu trennen, Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge aufzukündigen."

Und Prof. Dr. Walther erklärte den Begriff so: "Der zentrale Auftrag an die neue Gesellschaft InfraGo ist es, eine am Gemeinwohl orientierte Infrastruktur bereitzustellen und zu betreiben. Damit wird – über eine effiziente und transparente Infrastrukturerstellung und -nutzung hinaus – eine weitere Anforderungsebene definiert."

"Zur Gemeinwohlorientierung gehören insbesondere die Daseinsvorsorge im Hinblick auf Mobilität, die Orientierung am Kundennutzen, Umwelt- und Energieaspekte und eine optimale, die natürlichen Lebensgrundlagen schonende Aufteilung des Verkehrsraums zwischen allen Verkehrsträgern."

Prof. Dr. Christoph Walther

Wie konnte es soweit kommen?

Wie konnte es soweit kommen?

Bild Quelle: DVF/Photothek/ 1. Reihe v. l.: Dr. Holle, Dr. Walther, Donth MdB, Münker-Tiedge 2. Reihe Dr. Salander, Dr. van Hoorn (DVF), Schwietering (Moderator)

Anke Münker-Tiedge, Referatsleiterin Eisenbahn, Schieneninfrastruktur, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, stelle die Frage "Wie konnte es soweit kommen?" Die Referatsleiterin schilderte, dass im Rhein-Main-Gebiet 1.000 Baustellen im Schienennetz gebe und 20 Millionen betroffene Fahrgäste. So ein Zustand dürfe sich in Zunkunft nicht wieder einstellen. Das Konzept der Hochleistungskorridore beinhalte im Kern die Bündelung von Baumaßnahmen. „Die Entscheidung von Bahn und Bund zur Umsetzung dieses Konzeptes der mehrmonatigen Komplettsperrungen wird daher grundsätzlich begrüßt, erfordert aber insbesondere auch eine verursachergemäße vollständige Finanzierung des erforderlichen Schienenersatzverkehrs durch den Bund."

Holle wies an dieser Stelle darauf hin, dass der Instandhaltungsrückstau sich bereits seit 30 Jahren aufbaue. Die Bahn können nur mit dem Geld arbeiten, welches zu Verfügung gestellt werde.

„Wir verfolgen einen Weg, mit dem wir die Bahn wieder auf Kurs bringen werden. Dazu gehört ein konsequentes Konzept zur Sanierung des Netzes genauso wie die Umstrukturierung des Konzerns inklusive einer gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte. Das gilt es nun Punkt für Punkt abzuarbeiten. Und das tun wir konsequent. Aktuell laufen die Vorbereitungen, damit die Generalsanierung der am meisten belasteten Korridore ab 2024 starten kann", sagte Salander.

"Aktuell laufen die Vorbereitungen, damit die Generalsanierung der am meisten belasteten Korridore ab 2024 starten kann."

Prof. Dr. Corinna Salander