Bild Quelle: DVF/Photothek/ Sts Leonie Gebers

Trotz eines Höchststandes an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erlebe Deutschland mit fast zwei Millionen offenen Stellen bereits jetzt einen gravierenden Fach- und Arbeitskräftemangel, sagte Leonie Gebers, Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Fachkräftesicherung sei eine Aufgabe mit hoher Priorität für die Bundesregierung. Dazu sei das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2.0 im Kabinett verabschiedet worden. Die Fachkräftestrategie des Bundes werde nun mit Gesetzesvorhaben und Handlungsfeldern unterlegt. So wolle man eine Ausbildungsgarantie sowie einen Mobilitätszuschuss auf den Weg bringen. Unternehmen, die besonders stark von der Transformation betroffen seien, würden mit einem Qualifizierungsgeld für die Weiterbildung ihrer Beschäftigen unterstützt. Zudem werde das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz das modernste in Europa sein. Um schneller Visa erteilen zu können, werde der bisher papierbasierte Prozess digitalisiert und eine neue Steuerungsrunde führe die Aufgaben der verschiedenen Bundesressorts zusammen.  

Unternehmen investieren viel in Personal

Unternehmen investieren viel in Personal

Bild Quelle: DVF/Photothek/ V. l.: Julia Löhr (Moderatorin); Ulrich Lange MdB; Detlef Müller MdB; Dr. Heike van Hoorn (DVF); Sabine Kohleisen; Dr. Susanne Seyda; Sts Leonie Gebers; Tobias Jerschke; Dr. Florian Eck (DVF); Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner

In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es darum, wie Unternehmen der Transportwirtschaft und Industrie mit eigenen Maßnahmen Arbeitskräfte gewinnen und halten. Sabine Kohleisen, Personalvorständin und Arbeitsdirektorin der Mercedes-Benz Group AG, die Personalsituation im Konzern, betonte: „Mercedes-Benz ist eine Marke mit hoher Strahlkraft, sehr guten Arbeitsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Allein in Deutschland erhalten wir jährlich eine sechsstellige Anzahl von Bewerbungen und können bislang alle Stellen mit hochqualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten besetzen."

"Trotzdem: Auch bei Mercedes-Benz spüren wir den verstärkten Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte."

Sabine Kohleisen

Auch deshalb setzen wir neben gezieltem Recruiting auf eine bedarfsorientierte Aus- und Weiterbildung sowie Umschulungen unserer Beschäftigten, insbesondere in den Bereichen Elektromobilität und Digitalisierung. Mit unserer breiten Qualifizierungsoffensive Turn2Learn investieren wir allein in Deutschland mehr als 1,3 Milliarden Euro in Aus- und Weiterbildung bis 2030.“

Auch Kühne + Nagel investiere viel in seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagte Tobias Jerschke, Vorsitzender der Geschäftsleitung Kühne + Nagel (AG & Co.) KG und DVF-Präsidiumsmitglied: „Wir bieten unseren Mitarbeitern neben einer spannenden und zukunftsfähigen Aufgabe moderne Arbeitsplätze und hybrides Arbeiten. Junge Talente können bei uns ein Duales Studium absolvieren. Im kaufmännischen wie auch im gewerblichen Bereich bieten wir unseren Mitarbeitenden neben wettbewerbsfähigen Gehältern viele Extras wie beispielsweise eine Krankenzusatzversicherung oder Firmenfitness.“

Vorhandene Kapazitäten besser nutzen

Vorhandene Kapazitäten besser nutzen

Bild Quelle: DVF/Photothek/ V. l.: Ulrich Lange MdB; Detlef Müller MdB

Ulrich Lange MdB, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag forderte, die Ampel-Regierung müsse jetzt handeln, da ansonsten sehr negative Auswirkungen auf Wirtschaft, Versorgung und Personenverkehr zu befürchten sind. "Meine Fraktion hat im vergangenen Jahr einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, mit dem wir umfassende Maßnahmen zur Überarbeitung des Berufsqualifikationsgesetzes, zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Berufskraftfahrer sowie zur leichteren Anerkennung ausländischer Führerscheine vorgeschlagen haben. Hierzu zählen unter anderem Erleichterungen bei der Fahrausbildung, die Schaffung von sicheren Raststätten mit sanitären Anlagen und die Reduktion des Mindestalters für Busfahrerinnen und -fahrer.“

Detlef Müller MdB, Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, verwies auf digitale Lösungsansätze, um das Arbeitsvolumen zu vergrößern: „Gleichzeitig müssen wir die vorhandenen Kapazitäten insbesondere im Bereich der Planung durch Digitalisierung und Vereinfachung von Prozessen entlasten, um Personalressourcen effizienter einsetzen zu können und die Arbeit attraktiver zu gestalten. Hier wird das geplante Genehmigungs-beschleunigungsgesetz deutliche Verbesserungen bringen."

"Wir müssen erstens die nationalen Potenziale heben und zweitens Fachkräfte aus dem Ausland anwerben."

Ulrich Lange MdB

Dem stimmte Lange zu: „Wir müssen erstens die nationalen Potenziale heben und zweitens Fachkräfte aus dem Ausland anwerben. Ansonsten werden wir einen zukunfts- und wettbewerbsfähigen Wirtschafts- und Arbeitsmarkt nicht gewährleisten können. Es müssen sich aber auch die Unternehmen einbringen.“

Arbeitsanreize im Steuersystem erhöhen

Arbeitsanreize im Steuersystem erhöhen

Bild Quelle: DVF/Photothek/ Dr. Susanne Seyda

Es müsse an allen Stellschrauben gedreht werden, forderte Dr. Susanne Seyda, Teamleiterin Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.: „An vielen Stellen bedingen sich politisches, individuelles und unternehmerisches Handeln: Um beispielsweise die individuelle Wochenarbeitszeit zu erhöhen und dennoch den Menschen die Vereinbarkeit verschiedener Lebensziele zu ermöglichen, sind flexible Arbeitszeitmodelle in den Unternehmen wichtig. Gleichzeitig sollten wir die Arbeitsanreize im Steuersystem erhöhen. Und eine verlässliche Kinderbetreuung ist auch eine notwendige Voraussetzung.“

"Gleichzeitig sollten wir die Arbeitsanreize im Steuersystem erhöhen."

Dr. Susanne Seyda

Dass auch politische und finanzielle Rahmenbedingungen eine große Rolle spielen, damit Unternehmen Personalressourcen aufbauen, erläuterte Müller: "Neben Instrumenten wie der Fachkräftestrategie der Bundesregierung braucht es vor allem ein klares Zeichen an die Branche, dass wir die geplanten Kapazitätserhöhungen bei Ausbau und Betrieb durch verlässliche Finanzierungen unterlegen. Hier schaffen wir beispielsweise durch die Beschlüsse des Koalitionsausschusses mehr Planungssicherheit."