Anwendungsfallspezifische Transportmedien

Als relevante Trägermedien für den Wasserstofftransport wurden aus umfassenden Stakeholdergesprächen mit der Industrie gasförmiger Transport in MEGCs (Multiple Element Gas Container), stofflich gelöster Transport in LOHCs (Liquid Organic Hydrogen Carrier) sowie der Transport als chemische Verbindung in Methanol oder Ammoniak identifiziert. Auch der tiefkalt verflüssigte Transport reinen Wasserstoffs ist perspektivisch auf der Schiene denkbar, allerdings aufgrund fehlenden technisch ausgereiften Wagenmaterials aktuell noch nicht berücksichtigt.

Abbildung 1 greift auf die im Folgenden näher betrachtete Belieferung einer beispielhaften Papierfabrik vor. Der aktuelle Gasverbrauch einer solchen Fabrik ließe sich durch etwa 6.300 t Wasserstoff im Jahr substituieren. Hierzu wäre unter den aufgeführten Annahmen im Windpark eine installierte Leistung von 58 MW erforderlich. Die Kalkulationsmodelle der Projektpartner ermöglichen die differenzierte Darstellung der jährlichen Ganzzugäquivalente für die unterschiedlichen Transportmedien. Aus dieser Betrachtung ergibt sich eine deutlich höhere Transporteffizienz für die chemischen Verbindungen gegenüber dem gasförmigen Transport, während die neueste Technologie der LOHCs sich dazwischen einordnen lässt.

Abbildung 1: Vergleich relevanter Transportmedien; Annahmen:
1 4.500 h Volllaststunden (Fraunhofer ISE; Stromentstehungskosten erneuerbare Energien)
2 Wirkungsgrad 80% (DENA; Fachbrochüre Power-to-Gas)
3 Aufspaltung Wasserstoff vom Trägermedium

Die Entscheidung über das geeignete Transportmedium ist allerdings anwendungsspezifisch und nicht ausschließlich auf Basis der Transporteffizienz zu treffen. Beim gasförmigen Wasserstofftransport unter Druck stehen der im Vergleich geringeren Transporteffizienz beispielsweise Vorteile in Bezug auf die weitere Nutzung des angelieferten Wasserstoffs gegenüber. Zum einen sind die erwarteten Kosten für technische Anlagen am Standort geringer, da kein „Cracker“ zur stofflichen Aufspaltung erforderlich ist. Zum anderen ist die höhere realisierbare Reinheit des Wasserstoffs je nach Prozess relevant.

Pilotzug als Startschuss der Rollenden Wasserstoffpipeline

In der zweiten Projektphase konnten DB Netz AG und SRP Consulting AG Pilotprojekte innerhalb der energieintensiven Fokusbranchen Stahl, Chemie, Glas und Papier sowie der Wasserstoffproduktion identifizieren. Durch die möglichst kurzfristige Pilotierung eines Wasserstofftransports auf der Schiene soll die technische Machbarkeit greifbar werden. Hinter diesem Ziel steht für die kooperierenden Unternehmen auch die wahrnehmbare Vorreiterrolle auf diesem Pfad zur Dekarbonisierung der energieintensiven Industrien.

Wie aus der gemeinsam durchgeführten Studie aus der ersten Projektphase hervorgeht, besteht in vielen Unternehmen eine Wasserstoffstrategie. Ihre Umsetzung im Sinne der Beschaffung scheitert unter den aktuellen Rahmenbedingungen insbesondere am Anschluss an die Wasserstoffinfrastruktur. Eine frühzeitige Prüfung der Schiene als Verkehrsträger zur Anlieferung empfiehlt sich. Im ersten Schritt sind aus der Schienennetzperspektive Möglichkeiten des Baus oder der Ertüchtigung eines Gleisanschlusses zu evaluieren. Aus technologischer Sicht ist die Eingrenzung oder Auswahl der richtigen Transporttechnologie vorzunehmen, um auf dieser Basis Kostenabschätzungen treffen zu können.    

Cases Kostenabschätzung

Eine Strategie zur Reduktion von CO2-Emissionen ist für Unternehmen der energieintensiven Industrien obligatorisch. Dabei spielt der Wasserstoff als nachhaltiger Energieträger eine wichtige Rolle. In Bezug auf die Anlieferung besteht im „Wie“ für den Anwender eine strategische Fragestellung, von der hohe Investitionssummen abhängen. Daraus ergibt sich die komplexe Frage nach technologiespezifischen Kostenabschätzungen, für die im Kooperationsprojekt der DB Netz AG und der SRP Consulting AG Kalkulationsmodelle hergeleitet wurden. Der Erkenntnisgewinn für die strategischen Investitionsentscheidungen der Anwender wird im Folgenden am Beispiel einer Papierfabrik demonstriert.

Wasserstoffanlieferung Papierfabrik auf der Schiene

Im Produktionsprozess für Papier hat Wasserstoff großes Potential zur Reduktion der CO2-Emmissionen. Beim Kochen des Zellstoffes sowie bei den Trocknungsprozessen von Zellstoff und Papier werden aktuell große Mengen an fossilen Energieträgern (vornehmlich Erdgas) verbraucht. Im Case wird eine imaginäre Papierfabrik mit den folgenden Eckdaten betrachtet:

•             Produktionsmenge 150.000 Tonnen Papier pro Jahr

•             Gesamtenergiebedarf 500 Gigawattstunden pro Jahr

Der dabei in konventionellen Produktionsprozessen auf Erdgas entfallende Energiebedarf wird mit einem Anteil von 42 Prozent zu 210 Gigawattstunden im Jahr angenommen. Daraus lässt sich abhängig von der Transporttechnologie gemäß Abbildung 1 zunächst der jährliche Transportbedarf in Ganzzugäquivalenten bestimmen. Weiterhin erlauben die erarbeiteten Kalkulationsmodelle, wie in Abbildung 2 dargestellt, die ebenfalls technologiespezifische Abschätzung der Kosten für die benötigten Anlagen und den Transport des Wasserstoffs. Hier nicht berücksichtigt sind Fixkosten für einen Gleisanschluss, die abhängig von den technischen Anforderungen und dem Status quo vor Ort stark variieren.

Abbildung 2: Kostenindikation je Trägermedium am Beispiel Papierfabrik inkl. Rollmaterial, basierend auf etablierten Modellen technoökonomischer Analysen

Durch die technische Analyse des Gleisanschlusses, die Entscheidung über sinnvoll einsetzbare Transportmedien und die Kostenabschätzung ergibt sich eine Planungsgrundlage auf deren Basis die Weiche für die Rollende Pipeline gestellt werden kann.