Umstellung des Energiesektors ist gewaltige Aufgabe

Umstellung des Energiesektors ist gewaltige Aufgabe

Bild Quelle: DVF/Photothek/ Dr. Heike van Hoorn

DVF-Geschäftsführerin Dr. Heike van Hoorn sagte in ihrer Einführung: „Die Umstellung der Energiebasis ist das schwierigste und gewaltigste Projekt in der Geschichte dieses Sektors." Durch die bereits angestoßenen Maßnahmen wie H2Global mit der ersten abgeschlossenen Bieterphase, dem Instrument der IPCEI, jeweils 300 Millionen Euro Fördermittel für die Beschaffung und den Absatz von Ammoniak, Methanol und synthetischem Flugkraftstoff, der Vorbereitung einer europäischen Wasserstoffbank und den Gesprächen der Bundesregierung zu Wasserstoffpartnerschaften, könne man den Eindruck erhalten, dass die Weichen gestellt sind. Das ist laut van Hoorn zu kurz gesprungen.

"Die Revolution, von der wir sprechen, ist in keiner Weise ein Selbstläufer."

Drei Handlungsfelder müssten nun besonders engagiert angepackt werden:

1) Mehr Tempo bei den Rahmenbedingungen für die Elektromobilität

Das Bemühen, die Pkw-Ladeinfrastruktur auszubauen sei nicht ausreichend. Van Hoorn mahnte mehr Leistung und stärkere Stromanschlüsse in der gesamten EU an, inbesondere für Schnellladen und Lkw-Ladestellen. Man müsse überprüfen, wie ist der Effekt vom „Osterpaket“ aus dem vergangenen Jahr, ob die Beschleunigung real spürbar sei bis hin in die lokalen Anschlüsse und wenn nicht, wie nachgesteuert werden müsse. Es sei festzuhalten: Der Gleichklang von Zielvorgaben und Rahmenbedingungen in der Elektromobilität sei noch bearbeitungsbedürftig.

2) Mehr Tempo für Investitionen  und das Verfügbarmachen von nachhaltigen Kraftstoffen, von Wasserstoff und E-Fuels

Der Aufbau großformatiger Produktionsanlagen und globaler Lieferketten sowie die Überbrückung des sehr hohen Preises strombasierter Kraftstoffe seien enorme Aufgaben, damit diese Kraftstoffe im Verkehr tatsächlich verfügbar werden. Die U.S.A. hätten mit dem Inflation Reduction Act eine sehr gute Ausgangslage geschaffen, um die notwendigen Investitionen ins Land zu holen. Dagegen wirke die Förderung in Deutschland und Europa kleinteilig, bürokratisch, die ganze Vorgehensweise regulierungsverliebt.

3) Weiterentwicklung eines wirkungsvollen Anreizsystems für die Nutzer

Wenn die Umstellung ein Erfolg für den Standort Deutschland - industriell, verkehrs- und klimapolitisch - werden solle, dann setze das voraus, dass Technologie, Kraftstoffe, Anreize und Alternativen synchron entwickelt und systematisch aufeinander abgestimmt werden.

Bild Quelle: DVF/Photothek/ V. l.: Dr. Christian Geinitz (Moderation); Dr. Daniel Chatterjee; Kristina Haverkamp; Markus Walke; Prof. Dr.-Ing. Thomas Schwarz

Dr. Daniel Chatterjee, Director Sustainability, Technology Strategy & Regulatory Affairs, Rolls-Royce Power Systems AG: „Alternative Kraftstoffe wie Biofuels und E-Fuels sind unverzichtbar, um den Luft- und Seeverkehr klimafreundlich zu machen. Turbinen und Motoren werden hier mangels Alternativen weiterhin benötigt, daher ist es notwendig den Kraftstoff CO2-neutral zu machen. Die Argumentation, dass es E-Fuels noch nicht gibt, ist der falsche Ansatz. Um den Markthochlauf zu schaffen, sind pragmatischere Regulierungsvorgaben und ambitioniertere Ziele auf EU-Ebene notwendig.“

"Die Argumentation, dass es E-Fuels noch nicht gibt, ist der falsche Ansatz."

Dr. Daniel Chatterjee

Die Geschäftsführerin Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) Kristina Haverkamp erklärte: „Das Interesse an der Produktion von Wasserstoff und E-Fuels ist weltweit sehr groß. Entscheidend für den Hochlauf ist eine belastbare und langfristige Perspektive, dass diese Kraftstoffe absetzbar sind. Europa muss den Produzenten diese Perspektive geben.“

"Entscheidend für den Hochlauf ist eine belastbare und langfristige Perspektive, dass diese Kraftstoffe absetzbar sind."

Kristina Haverkamp

Aus Sicht eines OEM sagte Prof. Dr.-Ing. Thomas Schwarz, Leiter Politik und Außenbeziehungen Berlin, Audi AG: „Beim Wandel hin zu nachhaltiger Mobilität leistet gerade die Automobilindustrie einen wichtigen Beitrag. Sie ist Teil der Lösung und stemmt die größte Transformation ihrer Geschichte. Dafür benötigt sie verlässliche politische Rahmenbedingungen, um weiter gezielt Investitionen in eine CO2-neutrale Zukunft zu tätigen.“

"Beim Wandel hin zu nachhaltiger Mobilität leistet gerade die Automobilindustrie einen wichtigen Beitrag."

Prof. Dr.-Ing. Thomas Schwarz

Das Tempo beim Aufbau der Tank- und Ladeinfrastruktur bemängelte Markus Walke, Director Business Organisation DACH, DSV Air & Sea Germany GmbH: „Der Einsatz von großen E-Lkw scheitert aktuell an der Ladeinfrastruktur. Entgegen den öffentlichen Beteuerungen ist das Tempo bei den Netzanschlüssen viel zu langsam. Die Voraussetzungen sind weder für Wasserstoff noch für Batterieelektrik erfüllt. Die Politik muss realistische Zwischenschritte zulassen, wirtschaftliche und praktikable Lösungen.“

"Der Einsatz von großen E-Lkw scheitert aktuell an der Ladeinfrastruktur."

Markus Walke

Bild Quelle: DVF/Photothek/ V. l.: Andreas Jung MdB; Markus Hümpfer MdB; Stefan Gelbhaar MdB

Aus Sicht der Bundestagspolitik diskutierten die Abgeordneten über Innovationen, Anreize und eines schnelleren Aufbaus der Tank- und Ladeinfrastruktur.

Der Berichterstatter der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Energie der SPD-Bundestagsfraktion Markus Hümpfer MdB verwies darauf, dass die Bundesregierung bereits grundlegende Maßnahmen auf den Weg gebracht habe, um Erneuerbare Energien und deren Bereitstellung im Verkehrssektor zu beschleunigen: "Insbesondere das Osterpaket, Energiewirtschaftsgesetz und den Ausbau der Netze und der Ladeinfrastruktur. Die große Herausforderung liegt jetzt in der konsequenten Umsetzung auf lokaler und kommunaler Ebene.“

"Die große Herausforderung liegt jetzt in der konsequenten Umsetzung auf lokaler und kommunaler Ebene.“

Markus Hümpfer MdB

Der Stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Energie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Andreas Jung MdB dazu: "Der Klimaschutz auf Bundesebene läuft nicht erst seit zwei Jahren. Bund, Länder und Kommunen müssen das Ziel übergreifend angehen. Bei den Kraftstoffen sind klare Leitplanken nötig, klare Signale durch die CO2-Bepreisung und weitere Reformen bei den Energiesteuern und Umlagen. Steuerfreiheit für CO2-neutrale Kraftstoffe ist dazu ein wichtiger Beitrag.“

"Steuerfreiheit für CO2-neutrale Kraftstoffe ist dazu ein wichtiger Beitrag.“

Andreas Jung MdB

In allen Sektoren stünden die Zeichen auf Wende, so Stefan Gelbhaar MdB, Verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. "Wind und Solar boomen. Das Umsetzungstempo im Verkehr reicht jedoch nicht, wiewohl mit dem 49-EUR-Ticket, der Bahnreform, Lkw-Maut und StVG richtige Schritte zu sehen sind. Die Debatte über E-Fuels hingegen ist eine Phantomdebatte. Stand heute stehen diese Kraftstoffe nicht zur Verfügung, obwohl sie bitter im Luft- und Schiffsverkehr gebraucht werden. Klimaschutz im Verkehr funktioniert nur, wenn die Politik den Rahmen schnell und konsequent in Richtung Nachhaltigkeit gestaltet."

"Die Debatte über E-Fuels hingegen ist eine Phantomdebatte. Stand heute stehen diese Kraftstoffe nicht zur Verfügung, obwohl sie bitter im Luft- und Schiffsverkehr gebraucht werden."

Stefan Gelbhaar MdB