Infrastruktur, Resilienz und Intermodalität
Wenn Infrastruktur das Rückgrat unserer Wirtschaft ist, dann hängt unser Wohlstand davon ab, dass wir es gesund erhalten. Der Mobilitätssektor braucht alle Verkehrsträger, um die verschiedenen Transportbedarfe abzudecken und Belastungen auszubalancieren. Allerdings wirken sich die Sparsünden der letzten Jahrzehnte immer noch aus: Schlechte Zustandswerte, absehbar geringe Restlaufzeit von Verkehrswegen und immer mehr gesperrte Brücken geben Anlass zur Sorge. Unsere Schienen, Wasserstraßen und Brücken müssen ertüchtigt und dringend notwendige Redundanzen geschaffen werden.
Reform Bundesverkehrswegeplan
Ein „weiter so“ beim Bundesverkehrswegeplan (BVWP) darf es nach Ansicht des DVF nicht mehr geben. Anstatt ein Netz für eine angenommene Verkehrsnachfrage auszugestalten, muss der BVWP ein stimmiges Gesamtangebot aufzeigen, das auch Redundanzen, also Puffer für baubedingte Engpässe einbezieht und politische Zielsetzungen berücksichtigt. Im Ergebnis muss ein verlässlicher und stabiler Betrieb auf dem Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetz gesichert werden.
Die Verkehrsprognose muss diese angebotsorientierte Netzplanung unterstützen, von einem realistischen Netzzustand ausgehen, dynamische Rahmenbedingungen abbilden und konsistente Annahmen zum CO2-Preis treffen.
Bei der anstehenden Überarbeitung des BVWP selbst müssen folgende Punkte einbezogen werden:
- Bewertungsfaktoren anpassen: Vernetzung, Auswirkung auf das Gesamtnetz und volkswirtschaftliche Effekte einbeziehen, dabei eine Verzögerung von Projekten vermeiden.
- Synchronisierungsbedarf des Ausbaus von Verkehrs-, Energie- und Digitalnetz berücksichtigen.
- Ein zusätzlicher Resilienz-Parameter für die Projektbewertung muss künftig den Einfluss einer einzelnen Maßnahme auf die Resilienz des Gesamtnetzes widerspiegeln.
- Bereits bei der Aufstellung des BVWP müssen die vorhandenen Prioritäten in eine Rangfolge gebracht und mit realistischem Finanzbedarf unterlegt werden.
Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
Es ist wichtig, die Qualität, das Angebot und das Ticketing auf hohem Niveau zu halten und zu verbessern, etwa durch stabilen Internetempfang im Zug, einfaches Ticketkaufen für die gesamte Reisekette, schnelle Reisezeiten und nahtloses Umsteigen.
Cem Özdemir MdB
Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur und Vorsitzender der Parlamentsgruppe Schienenverkehr im Deutschen Bundestag
Resilienz im Verkehrsnetz
Sowohl die andauernde Corona-Pandemie als auch Extremwetterereignisse, wie die Flut im Ahrtal, haben 2021 das Thema Widerstandsfähigkeit in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Zur Schaffung resilienter Verkehrsinfrastrukturen sind angepasste Streckenführungen zu planen und Frühwarnsysteme beim Bau einzubeziehen. Das DVF sieht hier Handlungsbedarf für zukünftige Bauwerke und plädiert dafür, die Erfordernisse für resilientes Bauen im Bundesverkehrswegeplan zu berücksichtigen. Prozessuale Maßnahmen im Betrieb der Infrastruktur tragen ebenfalls zur Resilienz bei, benötigen jedoch entsprechende Daten über die Infrastruktur.
Hinsichtlich der Resilienz von Logistikdienstleistungen hat das DVF den Bund aufgefordert, die Erkenntnisse seit dem Pandemieausbruch auf die Widerstandsfähigkeit der Logistik anzuwenden. Bisherige Erfahrungen und Best Practices aus der Pandemie sollten genutzt werden, um die logistischen Lebensadern offenzuhalten und eine Langfriststrategie im Umgang mit ähnlichen Situationen zu entwickeln. Das DVF hat beispielsweise bundesweit einheitliche Maßnahmen und eine konsequente Digitalisierung der Test,- Melde- und Prüfprozesse angemahnt.
Ich freue mich auch, dass die Ampel-Koalition für den Güterverkehr die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung beschleunigen sowie KV-Terminals und Gleisanschlüsse fördern will.
Dr. Richard Lutz
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG
Förderung Intermodalität und Kombinierter Verkehr
Ein wichtiger Schlüssel für mehr Gütertransporte auf der Schiene ist die Schaffung neuer Zugangspunkte ins Schienennetz. Seit dem1. März 2021 unterstützt die Förderrichtlinie für Gleisanschlüsse Verlader, Speditionen und Eisenbahnen bei Aus-/Neubau, Reaktivierung und Erhalt von Gleisanschlüssen und multifunktionalen Güterterminals. Die Gleisanschluss-Charta haben das DVF sowie 43 weitere Verbände und Vereine mitgezeichnet. Ziel ist es, dem Markt leistungsfähige und wirtschaftlich darstellbare Transportsysteme im Kombinierten Verkehr und im Wagenladungsverkehr anbieten zu können. Mit der neuen Gleisanschlussförderrichtlinie hat der Bund einige Vorschläge aus der Gleisanschluss-Charta umgesetzt. Ein weiteres wichtiges Standbein der Förderung des Schienengüterverkehrs ist die Förderrichtlinie für den Kombinierten Verkehr. Ziele der nun anstehenden und vom DVF aktiv begleiteten Reformen müssen u. a. eine Vereinfachung der Förderverfahren, die Einbeziehung von Digitalisierungsmaßnahmen und Ersatzinvestitionen sein.
Auch mit dem Masterplan Binnenschifffahrt soll die multimodale Transportkette gestärkt und der Anteil der der Binnenschifffahrt am Transportaufkommen erhöht werden. Im Beirat zum Masterplan hat das DVF aktiv mitgearbeitet. Aus DVF-Sicht ist die Bilanz positiv, allerdings müssen die Maßnahmen in den Bereichen Infrastruktur, Digitalisierung und Vernetzung noch erheblich intensiviert werden, damit relevante Effekte beim Modal-Split feststellbar werden.
Hinsichtlich der intermodalen Anbindung der Flughäfen bestehen Lücken, die von der neuen Bundesregierung dringend geschlossen werden müssen. Mit Blick auf den Klimaschutz und die Verlagerungsziele ist es schwer verständlich, dass der Flughafen München als eines der größten europäischen Luftverkehrsdrehkreuze immer noch nicht an das Fernbahnnetz angebunden ist.
Bei der Überarbeitung der Bahnpassagierrechte gab es leider keinen signifikanten Fortschritt. Hier muss die EU nachlegen, damit das Bahnfahren in der EU eine echte Alternative zum Fliegen wird. Dafür brauchen wir einen offenen Austausch und Zugang zu Ticketdaten. Notfalls in Form einer europäischen Buchungsplattform.
Anna Deparnay-Grunenberg MdEP
Vize-Präsidentin Rail Forum Europe, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Tourismus des Europäischen Parlaments
ÖPNV, smart mobility
Die Verknüpfung und Erweiterung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) mit neuen Mobilitätsangeboten ist ein Hebel, um Fahrgäste zurück- und neue dazuzugewinnen sowie insgesamt das Verkehrsaufkommen im städtischen Bereich zu verringern und auf dem Land attraktivere Angebote zu schaffen. Dabei ist das Handy der Schlüssel zur Multimodalität. Nachhaltig, vernetzt und bezahlbar soll der öffentliche Nahverkehr sein: smart mobility-Angebote komplettieren das Spektrum. Auf der Veranstaltung zur Messe MES EXPO – Mobility Electronic Suppliers Expo wurde erörtert, wie technische Entwicklungen neue Möglichkeiten eröffnen. Linienverkehre, on-demand-Verkehre oder Sharing-Angebote müssen sich ergänzen und einfach zu nutzen sein. Das DVF hat hierzu die Akteure für einen Austausch zusammengebracht und setzt sich für Benefits wie Mobilitätsbudgets oder durchgehende Tickets und Informationen für alle Verkehrsmittel über Verbundgrenzen hinweg ein.
ÖPNV sowie gute und sichere Radwege sind dabei sehr wichtige Faktoren. Das schafft Akzeptanz. Die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur und des städtischen Raumes muss durchdacht, eine Umgestaltung gut vorbereitet sein.
Gerhard Hillebrand
ADAC-Verkehrspräsident
Sicherer und attraktiver Radverkehr
Das DVF hat sich dafür ausgesprochen, den Radverkehr mit konkreten Maßnahmen auszubauen und zu stärken. Der Nationale Radverkehrsplan 3.0 enthält sehr gute Zielsetzungen. Entscheidend sind jedoch die realen Rahmenbedingungen für den Radverkehr in den Kommunen und Regionen. Das DVF hat vorgeschlagen:
- langfristige Verstetigung und Aufstockung der Bundesmittel für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur und die Förderung des Radverkehrs auch nach 2023
- weitere Verbesserung der Schnittstelle zum ÖPNV, insbesondere durch die Errichtung von nutzerfreundlichen Fahrradabstellanlagen und optimierte Mitnahmemöglichkeiten im Nah- und Fernverkehr
- Förderung von Lastenrädern für den gewerblichen und privaten Gebrauch
- Nutzung weiterer Möglichkeiten der fahrradfreundlichen Reform des StVG und der StVO
- Erhöhung der Radverkehrssicherheit durch bessere Infrastruktur und Digitalisierung des Straßenverkehrs