Die Koalition hat die verkehrspolitischen Notwendigkeiten erkannt. Jetzt kommt es auf Finanzierung, Tempo und Akzeptanz an - die drei wichtigsten Parameter für den Erfolg der künftigen Mobilitätspolitik.
Editorial: Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner
Vorsitzender des Präsidiums
Editorial
Vorwort Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner
DVF Jahresbericht 2021/2022
Verkehrssektor hält die Lebensadern offen.
Gerne hätte ich diesen Jahresbericht eingeleitet mit einer Würdigung der Leistungen der Mobilitätswirtschaft in der Coronakrise und einem zuversichtlichen Ausblick auf eine weitere Normalisierung der Lage. Doch seit einigen Wochen müssen wir uns an die schlimme Wahrheit gewöhnen, dass der Angriffskrieg nach Europa zurückgekehrt ist. Wir sind mit einer Entwicklung konfrontiert, die auf uns anachronistisch wirkt, so sehr ins 20. Jahrhundert gehörend, dass wir sie lange nicht wahrhaben wollten. Erneut muss der Transportsektor die Lebensadern offenhalten. Diesmal führen sie von West nach Ost und umgekehrt: Hilfsgüter in den Osten und Menschen in den Westen bringen, Sanktionsgebiete umfahren und umfliegen und so die zerrissenen Lieferketten wieder notdürftig flicken. Nach zwei Jahren andauernder Pandemie haben wir viel gelernt und sind auf diese Herausforderungen immerhin besser vorbereitet als 2020.
Auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie musste Deutschland mit Lockdowns und teilweise nicht praktikablen Quarantäne- oder Einreiseregelungen leben. Das DVF hat beharrlich vor allem in den ersten und letzten Monaten des Jahres 2021 mit den politischen Entscheidungsträgern verhandelt und sich für die Belange der Mitgliedsunternehmen eingesetzt, damit sie ihrer Versorgungsaufgabe nachkommen können. Im Sommer entspannte sich die Pandemiesituation und die Hoffnung auf eine längerfristige Normalisierung folgte. Doch Corona kam mit verstärkter Wucht und neuen Varianten zurück. Das DVF warnte vor einer weiteren Belastung der Lieferketten und Unternehmen durch 3G-Regeln und forderte beispielsweise Ausnahmeregelungen bei Fahrpersonal und Unterstützungen bei Kontrollen im ÖPNV.
Eine neue Bundesregierung
Im Bundestagswahljahr 2021 präsentierte das DVF seine verkehrspolitische Agenda 2021plus inklusive einer interaktiven Plattform auf der DVF-Website. Die 20. Legislaturperiode wird der Bundesregierung alles abverlangen – auch im Verkehrsbereich. Vier wesentliche Themenbereiche in der Agenda beschreiben den dringenden Handlungsbedarf:
- Investitionsmittel erhöhen, Planung und Umsetzung beschleunigen
- Innovation vorantreiben, Digitalisierung und Automatisierung ausbauen
- Nachhaltige Mobilität stärken, Entwicklung neuer Geschäftsfelder und Technologien fördern
- Standortbedingungen optimieren, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz stärken
Den Koalitionsvertrag hat das DVF überwiegend positiv bewertet. Die Koalition hat die verkehrspolitischen Notwendigkeiten erkannt. Jetzt kommt es auf Finanzierung, Tempo und Akzeptanz an - die drei wichtigsten Parameter für den Erfolg der künftigen Mobilitätspolitik.
Digitalisierung und Klimaschutz vorantreiben
Thematisch sind Digitalisierung und Klimaschutz von größter Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt. In dem Positionspapier „Digital bewegt! Intelligent. Vernetzt. Mobil.“ forderte das DVF einen Digitalpakt für intelligente Mobilität. Auch hier verfolgt das DVF mit dem Digitalisierungs-Tracker die Umsetzung der geforderten Maßnahmen. Der Verkehrswende muss eine Digitalwende zugrunde liegen, denn ohne flächendeckende Internetversorgung in Deutschland kann der Verkehrsbereich seine Klimaziele nicht erreichen. Digitalisierung und Klimaschutz gehen Hand in Hand.
Final seien an dieser Stelle der europäische Green Deal und das Legislativpaket „Fit for 55“ genannt. Es hat in der DVF-Arbeit eine wesentliche Rolle eingenommen. Wir haben uns dazu intensiv mit EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans ausgetauscht und zudem eine Analyse und Bewertung der darin enthaltenen Maßnahmen angefertigt. Dieses Paket muss sorgfältig weiterentwickelt werden, denn es enthält erhebliche standortpolitische Risiken und Unklarheiten in der Realisierung der Maßnahmen. Eine solche nie dagewesene Transformation des Verkehrssektors benötigt einen langfristig und systematisch angelegten Regelungsrahmen.
Zum Schluss möchte ich mich sehr herzlich bei unseren Mitgliedern bedanken, die uns auch in harten Zeiten unterstützen und wertvolle inhaltliche Beiträge liefern. Zu den vielen weiteren Themen im Berichtsjahr 2021 bis 2022 erhalten Sie hier ausführliche Informationen.
Ihr Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner
Vorsitzender des Präsidiums