Standortpolitik

Die Verkehrs- und Wirtschaftspolitik der 20. Legislaturperiode muss die Schäden der Corona-Krise abfedern, Klimaziele erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit der Mobilitäts- und Logistikbranche erhalten. Die neue Bundesregierung muss auch solide Grundsteine für die Zukunft setzen, indem sie in (digitale) Infrastruktur investiert, durch internationale Kooperationen für ausreichend saubere Kraftstoffe sorgt und offen ist für alternative Antriebe. Mobilitätssektor und Wirtschaftsstandort stehen an vielen Stellen im globalen Wettbewerb. Darum müssen Industrie-, Ordnungs- und Steuerpolitik das Engagement der Unternehmen für Umwelt, Wirtschaftlichkeit und Innovation aktiv begleiten und stärken.

Neue Bundesregierung

Im Vorfeld der Bundestagswahlen 2021 hat das DVF eine verkehrspolitische Agenda 2021plus veröffentlicht. Die vier Handlungsfelder darin lauten:

  1. Investitionsmittel erhöhen, Planung und Umsetzung beschleunigen
  2. Innovationen vorantreiben, Digitalisierung und Automatisierung ausbauen
  3. Nachhaltige Mobilität stärken, Entwicklung neuer Geschäftsfelder und Technologien fördern
  4. Standortbedingungen optimieren, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz stärken

In diesen vier Handlungsfeldern finden sich insgesamt 98 Maßnahmenvorschläge wieder.

Das DVF hat den Koalitionsvertrag der Ampelregierung positiv bewertet. Wichtig ist der starke Fokus auf der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Bereits im ersten Regierungsjahr will die Bundesregierung hier die notwendigen Weichen stellen. Auch die Erhöhung der Mittel für die Infrastruktur und den Vorrang für Erhalt begrüßt das DVF. Weitere positiv bewertete Vorhaben sind ambitionierte Ziele beim Hochlauf der Elektromobilität und dazugehöriger Infrastruktur, die Einbeziehung des Straßenverkehrs in den europäischen Emissionshandel, die Weiterentwicklung des Energie- und Klimafonds (EKF) zu einem Klima- und Transformationsfonds sowie die Schaffung von Finanzierungskreisläufen für die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer, die in nachhaltige Flugkraftstoffe, Forschung und Entwicklung sowie Flottenmodernisierung fließen sollen.

Allerdings fehlen auch wichtige Vorhaben: Noch nicht erreicht sind neue, überjährige Finanzierungsmodelle für die Schieneninfrastruktur anlag zur Autobahn GmbH, ebenso wenig eine gesetzlich verankerte Finanzierungssicherung für die Wasserstraßeninfrastruktur. Es fehlt zudem die Stärkung des Bundes beim Datenschutz, um bundesweit einheitliche Standards bei der Anwendung des Rechtsrahmens für digitale Anwendungen zu garantieren. Die betonte Technologieoffenheit im Straßenverkehr wird nicht mit einer eindeutigen Positionierung zugunsten von E-Fuels unterfüttert. Das DVF wird sich für diese und weitere Notwendigkeiten gegenüber der neuen Bundesregierung weiter einsetzen.

Wir brauchen mehr Tempo beim Infrastrukturausbau – deshalb müssen wir Genehmigungsverfahren modernisieren, entbürokratisieren und digitalisieren. Von der Entscheidung über die Planung bis zur Umsetzung müssen wir schneller werden.

Daniela Kluckert MdB
Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr

Trauen Sie eher dem Staat oder einem privaten Unternehmen zu, größere Projekte schnell und kostengünstig umzusetzen?

Verlagerung Verkehrsströme im Luftverkehr 2010 bis 2019

Passagierströme von Deutschland nach Afrika und Asien 2010 vs. 2019 via (in Mio. Passagieren)

Quelle: Deutsche Lufthansa AG

(insbesondere Instanbul und Golf-Airports)

Beschleunigung von Planung und Genehmigung

Ein zentrales Thema der neuen Bundesregierung ist die Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung. Laut Koalitionsvertrag ist es das erklärte Ziel, die Verfahrensdauer mindestens zu halbieren. Zwar hatte die letzte Bundesregierung vier Beschleunigungsgesetze für Planung und Genehmigung auf den Weg gebracht. Diese reichen jedoch für einen großen Beschleunigungs-Ruck nicht aus. Zum einen fehlen nach wie vor qualifizierte Personalkapazitäten in den Verwaltungen wie Eisenbahnbundesamt, Bundesfernstraßenamt und anderen Genehmigungsbehörden und Gerichten und zum anderen müssen diese staatlichen Behörden digitalisiert werden. Diese Themen adressiert das DVF seit längerem und hat empfohlen, zusätzlich private Planungs- und Ingenieurbüros bei Belastungsspitzen einzusetzen. Hinsichtlich der Verteuerung von Bauprojekten im Planungsverlauf verweist das DVF darauf, entsprechende Kostensteigerungs- und Risikopuffer vorzusehen. Generell muss der Bund zu einer Lebenszyklusbetrachtung seiner Infrastruktur kommen. Diese Vorschläge wurden im Koalitionsvertrag der Ampelregierung aufgegriffen, ebenso wie die Einführung von materieller Präklusion und Stichtagsregelungen, frühe Öffentlichkeitsbeteiligung, Straffung von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren sowie Digitalisierung der Prozesse.

Auf europäischer Ebene hat das DVF das Vorhaben der EU, bei der Umsetzung der Aarhus-Konvention Einspruchsmöglichkeiten zu Entscheidungsverfahren bei Gerichten in Umweltangelegenheiten zu erweitern, kritisiert. Nach Auffassung des DVF eröffnet dies nämlich weitere Verzögerungsmöglichkeiten bei Bauvorhaben von dringend benötigten Infrastrukturen im Verkehrs-, Energie- und Kommunikationssektor.

Wir brauchen einen fairen Wettbewerb in Europa, Ungleichheiten wie das Einfuhrumsatzsteuerverfahren müssen beseitigt werden. Wir benötigen weitere Investitionen in Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Automatisierung und Wasserstoff, z. B. über Forschungsinitiativen wie IHATEC für den Bereich innovativer Hafentechnologien.

Frank Dreeke
Vorstandsvorsitzender BLG LOGISTICS GROUP AG & Co. KG.

Einfuhrumsatzsteuer

Die von Bund und Ländern im Juni 2020 beschlossene und zum 1. Dezember 2020 umgesetzte Einführung des Fristenmodells bei der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer war ein guter Schritt zur Entlastung der Wirtschaft in der Corona-Pandemie. Was fehlt, ist die effektive Angleichung an das Verfahren in anderen EU-Ländern. Durch das sogenannte Verrechnungsmodell würden Bürokratiekosten für die Importeure dauerhaft gesenkt, die Attraktivität des Standortes Deutschland gesteigert und Unternehmensansiedlungen angeregt werden. Mit dem Verrechnungsmodell könnten zudem Einnahmen der öffentlichen Hand und die ökologische Bilanz von Güterströmen verbessert werden. Seit Jahren drängen das DVF und weitere Verbände auf eine Umstellung auf das Verrechnungsverfahren bei der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer.

Durch die Pandemie haben Politik und Gesellschaft sehr schnell erkannt, wie systemrelevant die Logistik ist. Aber natürlich hat es auch bei uns zu Beginn der Pandemie ordentlich geruckelt. Insbesondere an den plötzlich eingeführten innereuropäischen Grenzen war die Lage sehr unübersichtlich.

Uwe Brinks
CEO DHL Freight

Corona-Maßnahmen

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie setzt sich das DVF für einheitliche Regelungen für die Logistik- und Güterverkehrsbranche ein. Bei der Überarbeitung der Corona-Einreiseverordnung wurden Regelungen zu Quarantänevorgaben und Fristen auf Bundesebene gebündelt. Wichtige Punkte, die auch das DVF im Rahmen der Anhörung zu den Eckpunkten beim Bundesverkehrsministerium eingebracht hat, sind unter anderem die Differenzierung zwischen der (erwünschten und erfolgten) Einstufung des Güterverkehrs und wesentlicher Teile der Verkehrsinfrastruktur als systemrelevant einerseits und der (unerwünschten und unnötigen) Einordnung als kritische Infrastruktur andererseits. Beide Begriffe werden im Vorstoß des Bundesverkehrsministeriums miteinander vermischt, so dass mit Blick auf Auflagen aus der KRITIS-Verordnung und dem ITSiG kostenträchtige Bürokratie ohne Mehrwert zu Lasten der Effizienz droht. Ebenso bleibt offen, wer die Kosten einer 24/7-Infrastruktur übernimmt, wenn der Betrieb trotz sinkender Nachfrage aufrechterhalten werden soll. Die Positionierung zu EU-weiten Regelungen hatte das DVF in die Konsultation zum Europäischen Pandemie- und Krisennotfallplan für den Güter- und Personenverkehr der EU-Kommission eingebracht. Das Prinzip „Lebensadern offenhalten“ hatte das DVF auch im zweiten Jahr der Pandemie fest im Blick.

Wir werden uns für eine Stärkung der Investitionen in Maßnahmen zur Erreichung der klimapolitischen Ziele einsetzen. Dazu werden wir vor allem beim Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur mehr investive Mittel einsetzen und wollen auch den Nahverkehr deutlich stärken.

Detlef Müller MdB
stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag