Digitalisierung und Logistik
Im vergangenen Jahr hat das Deutsche Verkehrsforum DVF ein neues Positionspapier für eine Digitalwende im Verkehrsbereich erarbeitet. Zentrale Forderung: ein Digitalpakt für intelligente Mobilität. Vorhandene technische Lösungen müssen endlich flächendeckend umgesetzt werden, dafür braucht es einen modernen und einheitlichen Rechtsrahmen.
Digitalpakt für smarte Mobilität
Datennetz, Datenverfügbarkeit, intelligente Verkehrsinfrastruktur und Rechtsrahmen sind die vier Grundpfeiler für smarte Mobilität. Ein Digitalpakt für Mobilität muss alle vier reformieren. Bund, Länder und Kommunen müssen sich ebenso einbringen wie die Mobilitätswirtschaft, die Baubranche, die Systemhäuser und die Telekommunikationsdienstleister. Das Ziel muss sein: Von unzähligen Pilotprojekten in Deutschland zu einer breitflächigen Anwendung zu kommen.
Das DVF hat dazu einen Digitalisierungs-Tracker aufgesetzt, um die Umsetzung der geforderten Maßnahmen seit der Veröffentlichung seines Positionspapiers „Digital bewegt! Intelligent. Vernetzt. Mobil. Forderungen zu einem Digitalpakt Intelligente Mobilität“ nachvollziehbar zu machen.
Zudem ist es aus DVF-Sicht wichtig, den Datennetzausbau durch ein Monitoring der Bundesnetzagentur (BNetzA) aktiv zu begleiten sowie ein Netzkataster in den Kommunen einzuführen. Notwendig ist eine stärkere Koordinierung von Breitband- und Mobilfunkförderung, insbesondere zur Abdeckung der Versorgungslücken im ländlichen Raum sowie die rasche Sicherstellung der Versorgung aller Verkehrswege mit mindestens 4G.
Wir brauchen nach den unzähligen Versuchs- und Pilotprojekten endlich eine Umsetzungskultur! Also schnellstens eine großflächige Anwendung der Digitalisierung bei allen Verkehrsträgern mit intelligenten Mobilitätslösungen, die auch der Allgemeinheit zugutekommen.
Agnes Heftberger
Geschäftsführerin, VP Sales, IBM Global Markets, IBM Deutschland GmbH
Digitalisierung der Verkehrsträger Wasserstraße und Schiene
Die Digitalisierung der Binnenschifffahrt oder des Schienenverkehrs muss mit viel höherem Tempo und Konsequenz vorangetrieben werden. Die Transportpotenziale des Binnenschiffs müssen auch angesichts der Klimaziele stärker genutzt und für die Zukunft abgesichert werden. Dafür ist die Digitalisierung ein Schlüsselfaktor, denn sie erhöht die Effizienz und macht die Binnenschifffahrt für Verlader attraktiver. Mit dem Masterplan Binnenschifffahrt, bei dem sich das DVF aktiv eingebracht hat, soll auch die digitale Vernetzung der Binnenschifffahrt und der Wasserstraßen vorangebracht werden. Flächendeckender und leistungsfähiger Mobilfunk entlang der Wasserstraßen, zuverlässige Echtzeitinformationen über Wasserstände und freie Liegestellen, Optimierung des Schleusenzulaufs und Schleusenmanagements, Tracking & Tracing der Ladung, Automatisierung der Binnenschifffahrt – die Liste nützlicher Ansatzpunkte ist lang, doch das Tempo der Umsetzung muss erhöht werden. Das gilt auch für die personelle Ausstattung der Wasserstraßenverwaltung mit Digitalexpertinnen und -experten.
Mit der Digitalen Schiene Deutschland (DSD) wollen Politik und Bahnbranche mehr Kapazität im Schienennetz schaffen, um mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Dabei ist das Europäische Zugsicherungs- und Leitsystem (ETCS) das Trägersystem für die Automatisierung des Bahnbetriebs und damit die Basis für das Kapazitätsmanagement auf dem Schienennetz. Im September 2019 startete die DSD-Rollout-Initiative, jedoch steht eine durchgehende Finanzierung, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, immer noch aus, ebenso wie der sogenannte Rolloutplan, der allen Nutzern aufzeigen soll, wann die moderne Technik wo eingebaut wird. Aktuell sind lediglich 340 km des insgesamt 33.000 Kilometer umfassenden deutschen Schienennetzes mit ETCS ausgestattet. Von den 280 geplanten Digitalen Stellwerken sind nur zwei in Betrieb, drei weitere folgen bis 2023. Geht es in diesem Tempo weiter, ist eine flächendeckende Digitalisierung bis 2035 in Deutschland nicht zu schaffen.
Ebenso wie beim Digitalen Knoten Stuttgart (DKS) muss die Ausrüstung der Schienenfahrzeuge mit ETCS-Technik überall in Deutschland gefördert werden. Ohne die notwendigen On-Board-Units in den Loks - dem rollenden Gegenstück zur verbauten ETCS-Technik im Gleis - wird kein Zug in Deutschland fahren können. Was zu tun ist, hat das DVF gemeinsam mit weiteren Branchenvertretern in einem Eckpunktepapier zusammengefasst.
„Ohne ein flächendeckendes Internet keine logistisch optimalen und automatisierten Abläufe! Automatisierung passiert nicht automatisch, sondern muss mit klaren Zielvorgaben, Förderprogrammen und einem verlässlichen Planungshorizont für die Mobilitätswirtschaft erfolgen.
Müslüm Yakisan
President DACH Region, ALSTOM
Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
Logistik noch stärker digitalisieren
Auch die Verwaltung und die öffentliche Hand müssen bei der Digitalisierung aufholen. Das DVF hat deshalb im Juni 2020 die Verabschiedung der EU-Verordnung zur elektronischen Frachtinformation (eFTI) durch das Europäische Parlament begrüßt. Die Verordnung verpflichtet Unternehmen des Logistiksektors und Behörden dazu, Frachtinformationen in elektronischer Form entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Rund ein Jahr später hat der Bundestag das e-CMR-Protokoll am 10. Juni 2021 in deutsches Recht übernommen. Das Gesetz trat nach Bekanntmachung des Bundesrates mit Drucksache 665/21 am 17. September 2021 in Kraft. Damit ist Deutschland eines der letzten Länder, die den sogenannten „e-CMR“ (elektronischer Frachtbrief) anerkennen und einführen. Das DVF fordert, dass umgekehrt auch Behörden wie der Zoll den Schritt zur Digitalisierung mitgehen Rückmeldungen zu laufenden Behördenprozessen auch im digitalen Format geben.
Digitale Plattformen und Verfahren sind in der Logistik entscheidende Wettbewerbsfaktoren. Kleinere und mittlere Unternehmen dürfen den Anschluss nicht verlieren und sollten bei der Digitalisierung unterstützt werden. Das DVF hat dafür ein De-minimis-Programm vorgeschlagen, mit dem etwa die Programmierung von Schnittstellen, die Anschaffung von Hardware oder Schulungen unkompliziert gefördert werden könnten.
„Die Mängel in der Digitalisierung sind nicht erst in der Corona-Pandemie aufgetaucht. Den elektronischen Frachtbrief beispielsweise fordern wir seit vielen Jahren. Allerdings sind hier auch Hürden auf europäischer Ebene zu beseitigen und auch über die Kosten der Einführung brauchen wir Klarheit.
Kirsten Lühmann MdB
Verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion
Mobilitätsdatenverordnung nicht eindeutig geregelt
Im Nachgang zur Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) legte die Bundesregierung eine Mobilitätsdatenverordnung vor, in der Mobilitätsunternehmen und Infrastrukturbetreiber im Einklang mit EU-Recht zur Bereitstellung von Mobilitätsdaten verpflichtet werden. Aus Sicht des DVF droht weiterhin eine unübersichtliche Dreifachregulierung durch PBefG, PSI-Richtlinie und delegierte EU-VO 2017/1926. Das DVF hat empfohlen, nur auf die bereits in der Umsetzung befindliche delegierte EU-VO 2017/1926 abzustellen und darüber hinaus erforderliche Daten genau zu definieren.
- Kritisch am modernisierten PBefG ist nach Einschätzung des DVF, dass bestimmte Datensätze zu Regulierungszwecken an relevante Behörden zu übermitteln sind. Es ist jedoch in der Umsetzung der Mobilitätsdatenverordnung nicht erkennbar, welche Daten zu Regulierungszwecken und welche Daten für die Allgemeinheit übermittelt werden. Aus Wettbewerbsgründen mahnt das DVF an, die Daten klar voneinander abzugrenzen.
Neuauflage IT-Sicherheitsgesetz
Der Bundestag hat das Zweite Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz 2.0) im April 2021 beschlossen. Das DVF hat diese Fassung heftig kritisiert, denn der Kreis der betroffenen Unternehmen, die Kosten und der Mehrwert waren weiterhin nicht definiert. Diese wesentlichen Punkte wurden erst nach der Verabschiedung des Gesetzes über eine Rechtsverordnung geregelt – ohne Einbeziehung des Parlaments.
So sind Sicherheitsgewinn und Mehrwert für Mobilität und Logistik nach DVF-Auffassung auch in der geänderten Fassung des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0 (ITSiG 2.0) nicht erkenntlich, gleichzeitig erzeugt das Gesetz zusätzliche Bürokratielasten bei den Unternehmen und ist damit das genaue Gegenteil des politisch geforderten Belastungsmoratoriums.
In einer Novellierung des Gesetzes müssen Maßnahmen mit eindeutigem Sicherheitsgewinn in den Fokus gestellt und die wahren Kosten der Regulierung benannt werden. Verwaltung und Wirtschaft brauchen eine gesetzliche Firewall gegen schädliche IT-Angriffe, keine Black Box.
Die Digitalisierung der Mobilität erhöht die Sicherheit und schont die Umwelt. So können digital vernetzte Fahrzeuge in Echtzeit vor Gefahren- und Unfallstellen warnen. Darüber hinaus macht die digitale Vernetzung den Verkehr effizienter und damit umweltfreundlicher, wenn zum Beispiel Staus und hohes Verkehrsaufkommen intelligent umfahren werden.
Renata Jungo Brüngger
Vorstandsmitglied Integrität und Recht, Daimler AG