Digitalisierung und Security
Es herrscht ein Defizit hinsichtlich einer bundesweit einheitlichen Daten- und Digitalisierungspolitik. Hier muss ein klarer Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr an die Bundesinstitutionen und öffentliche Unternehmen erfolgen, Daten zu erheben und zu nutzen sowie digitale Schnittstellen anzubieten. Genauso wichtig ist ein Auftrag an die Bundesländer, Kommunen und öffentliche Unternehmen, rechtliche, regulatorische und technische Vorgaben einheitlich umzusetzen, sei es im Datenschutz, im Eichrecht und bei Datenplattformen. Schlüsselparameter für die schnelle Umsetzung sind eine ausreichende Finanzierung und passgenaue Förderprogramme, einheitliche faire Regulierungsrahmen und vorhandene Lösungen.
Digitalstrategie des Bundes
Die Digitalstrategie der Bundesregierung soll als Dachstrategie für die Ressorts dienen und die zentralen digitalpolitischen Vorhaben der Bundesregierung bündeln. Für unterschiedliche Anwendungsbereiche wurden Zukunftsszenarien skizziert sowie Zielsetzungen und Meilensteine für die Umsetzung bis 2025 und darüber hinaus beschrieben. Das DVF hat die Digitalstrategie analysiert und der Bundesregierung Empfehlungen an die Hand gegeben. Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die Digitalstrategie auf die Weiterentwicklung von Rahmenbedingungen für die Datennutzung und -verarbeitung abzielt. Doch in vielen Punkten bleibt die Strategie zu vage, rechnet mit unrealistischen Zeitplänen und biete wenig konkrete Maßnahmen an. So soll etwa der Ausbau für Mobilfunk- und Datennetze durch einfachere und digitalisierte Genehmigungsverfahren und alternativer Verlegetechniken beschleunigt werden. Dazu bedarf es allerdings Normierungs- und Standardisierungsverfahren. Besonders wichtig ist nach DVF-Meinung, dass bei der Schaffung eines Gigabit-Grundbuches als Zugangsportal zu relevanten Informationen für die Ausbauplanung auch ein digitales Netzkataster für die Kommunen aufgebaut werden muss, das Auskunft über die bauliche Lage von Leitungen gibt. Zu den Themen Datenverfügbarkeit, -zugang, -nutzung, -freigabe und -schutz sowie dem automatisierten und autonomen Fahren hat das DVF Konkretisierungsempfehlungen erarbeitet.
Wir sorgen für Tempo beim Infrastrukturausbau durch schlanke digitale Antrags- und Genehmigungsverfahren, Normierung alternativer Verlegetechniken und Aufbau eines bundesweiten Gigabit-Grundbuchs. Wir wollen die Förderung ganzer Cluster in den Fokus rücken und Markterkundungsverfahren schneller und verbindlicher machen.
Dorothee Martin MdB
Verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion
(Bildquelle: DVF/Photothek)
KRITIS-Dachgesetzes
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen den physischen Schutz kritischer Infrastrukturen in einem KRITIS-Dachgesetz zu bündeln. Das Bundeskabinett hat im Dezember 2022 Eckpunkte für ein KRITIS Dachgesetz beschlossen. Darin werden Anforderungen für Betreiber kritischer Infrastrukturen beschrieben, die in einem noch ausstehenden Gesetz münden sollen. Unter anderem soll mit einem KRITIS-Dachgesetz durch verpflichtende Schutzstandards für die physische Sicherheit die Resilienz des Gesamtsystems der kritischen Infrastrukturen gestärkt werden. In den Eckpunkten begründet das federführende Bundesinnenministerium (BMI) seine nationale Initiative mit den vielfältigen sektorübergreifenden Verflechtungen. Daher soll das KRITIS Dachgesetz erstmals das Gesamtsystem zum physischen Schutz kritischer Infrastrukturen in den Blick nehmen und gesetzlich regeln. Mit dem KRITIS-Dachgesetz soll darüber hinaus die EU-Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen (Critical Entities Resilience / CER-Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt werden. Das DVF bringt sich in den Erarbeitungsprozess ein.
IT-Sicherheitsgesetz 2.0
Trotz starker Proteste von Wirtschafts- und Verbraucherverbänden einschließlich des DVF veränderte die Bundesregierung das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (IT-SiG 2.0) nur in wenigen Punkten. Das Gesetz wurde im Mai 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist damit in Kraft. Es enthält weiterhin unbestimmte Rechtsbegriffe, wodurch unklar bleibt, welche Unternehmen erhöhte Sicherheitsauflagen und entsprechend umfangreiche Nachweise gegenüber dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu erfüllen haben, verbunden mit dem Risiko deutlich erhöhter Sanktionsmaße. Das BSI plant, neue verpflichtende Anforderungen zur Nachweisführung zu definieren. Das DVF hat sich im Februar 2023 auch dazu eingebracht.
Die föderalen Datenschutzaufsichtsstrukturen stehen einer praktikablen Umsetzung entgegen, weil der Austausch untereinander fehlt. Der Austausch und Zugang zu Daten muss jedoch grundsätzlich vereinfacht werden.
Marc Henrichmann MdB
Stellv. Mitglied des Digitalausschusses, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
(Bildquelle: anjatiwisina)
Digitalisierungsgrad der EU-Länder gemäß dem Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI*) in 2022
Quelle: Europäische Kommission
Digitale Schiene Deutschland
In einer Stellungnahme hatte das DVF drei wesentliche Maßnahmen erarbeitet, wie die Digitale Schiene Deutschland (DSD) Fahrt aufnehmen kann. Erstens muss der Bund durch die Absicherung der Finanzierung der DSD im Bundeshaushalt 2023 Planungssicherheit schaffen. Die Finanzierung sollte aus einer Hand erfolgen anstatt einer Vielzahl von Haushaltstiteln. Entscheidend ist auch die nationale Förderung der Fahrzeugausrüstung. Zweitens muss eine Bundesorganisation die Umsetzung steuern und koordinieren. Drittens müssen die Prozesse beschleunigt werden. Ein DSD-Rollout bis 2035 wird nur mit schnelleren Planungs-, Förder-, Zulassungs- und Genehmigungsprozessen gelingen.
Die Digitale Schiene Deutschland könnte ohne kostenintensiven Ausbau der Infrastruktur rund 20 Prozent mehr Leistung durch kürzere Zugfolgezeiten ermöglichen. Allerdings ist es zwingend erforderlich, auch die Ausrüstung der Loks mit den dazu notwendigen Onboard-Units seitens des Bundes zu fördern. Sie sind der rollende Teil der technischen Ausrüstung am Gleis. Bisher ist der Bund jedoch nicht bereit, diese Finanzierungshilfe zu gewähren. Der flächendeckende Roll-out mit dem ETCS-System kann nur wirksam sein, wenn auch alle Schienenfahrzeuge die technische Ausrüstung haben, um vom Zugbeeinflussungssystem erfasst zu werden.
Und ohne eine starke Schiene werden wir die deutschen und europäischen Klimaziele nicht erreichen. Deshalb müssen wir die Schiene konsequent modernisieren und digitalisieren. Nur so wird ihr Anteil am Modal Split steigen. Das ist eine enorme Herausforderung für die gesamte Branche.
Dr. Richard Lutz
Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG
Mobilitätsdatenverordnung
Im Nachgang zum Personenbeförderungsgesetz (PBefG) hat die Bundesregierung eine Mobilitätsdatenverordnung vorgelegt. Darin werden die Mobilitätsunternehmen und Infrastrukturbetreiber im Einklang mit EU-Recht zur Bereitstellung von Mobilitätsdaten verpflichtet. Aus Sicht des DVF droht weiterhin die unübersichtliche Dreifachregulierung über PBefG, PSI-Richtlinie und delegierte EU-VO 2017/1926. Das DVF empfiehlt daher, nur auf die bereits in der Umsetzung befindliche delegierte EU-VO 2017/1926 abzustellen und darüber hinaus erforderliche Daten genauer zu bezeichnen. Kritisch ist unter anderem, dass Umsetzungsfristen nicht eindeutig geregelt sind und die Unternehmen zur Datenlieferung verpflichtet werden, ohne den Erhebungsaufwand hierzu in Relation zu setzen oder die Ausnahme von „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ genauer zu definieren. Nicht ohne Grund sieht die EU-VO 2017/1926 ein Teilen von Daten nur vor, wenn diese Daten vorhanden sind und ein Teilen technisch möglich ist. Ebenso ist dort eine Entgeltregelung vorgesehen. Kritisch ist zudem die fehlende Differenzierung von Daten: Das modernisierte PBefG sieht vor, bestimmte Datensätze zu Regulierungszwecken an relevante Behörden zu übermitteln. Damit spiegelt die Verordnung eine Differenzierung von Regulierungsdaten und Daten für die Allgemeinheit nicht wider. Aus wettbewerbsrelevanten Gesichtspunkten ist hier eine Abgrenzung der Daten erforderlich. Weitere Kritikpunkte sind u. a. personenbezogene Daten, Datenschutzbelange und fehlende Hinweise zur Erstattung von Aufwendungen.
Im Straßenverkehr hat der Gesetzgeber bereits einen Schritt in die richtige Richtung getan. Hier wurden die rechtliche Rahmenbedingungen für das automatisierte Fahren geschaffen. Gleiches brauchen wir dringend auch für die Schiene. Die Gesetzgebung muss die anstehende technischen Weiterentwicklung des Schienenverkehrs flankieren.
Müslüm Yakisan
Präsident DACH Region ALSTOM
EU-Data Act, Mobilitätsdatengesetz
Die Europäische Kommission hat im Februar 2022 mit dem Data Act einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der für alle beteiligten Akteure den Austausch und die Nutzung von Daten ermöglichen soll. Konkret geht es dabei um nicht-personenbezogene Daten, die durch die Nutzung beweglicher und vernetzter Güter und Maschinen generiert werden. Enthalten sind Regelungen für die Nutzung von Daten zwischen Unternehmen (B2B), zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) und – in Ausnahmefällen – zwischen Unternehmen und Behörden (B2G). Der zwischenzeitlich abgestimmte Bericht aus den Reihen des Europäischen Parlaments hat bereits einige Unschärfen des Kommissionsentwurfes korrigiert. Aus Sicht des DVF gibt es jedoch weiterhin Präzisionsbedarf mit Blick auf den Schutz von Innovationen und Geschäftsgeheimnissen. So bedarf es einer Sicherstellung, dass Maßnahmen zur Unterbindung der Entwicklung von Konkurrenzprodukten wirksam greifen und Haftungsregelungen, die den Fall einer Umgehung sanktionieren und nachgehalten werden können. Ferner ist eine klarere Abgrenzung zu anderen datenbezogenen Rechtsvorschriften sowie die Auflösung von Widersprüchen, insbesondere im Spannungsfeld von Data Act und DSGVO, angezeigt. Regelungslücken, die anschließend noch verbleiben, sollen mit Blick auf den Verkehrssektor über das Mobilitätsdatengesetz geschlossen werden. Das BMDV hat für dieses Vorhaben im Dezember 2022 den Konsultationsprozess mit einer Reihe von Workshops gestartet, deren Ergebnisse zunächst in ein Eckpunktepapier einfließen, das vor der parlamentarischen Sommerpause fertiggestellt sein soll. Das DVF hat sich im Workshop zum Thema Infrastrukturdaten eingebracht und dort u. a. seine Forderung nach der Erstellung eines Netzkatasters bekräftigt.