Infrastruktur, Finanzierung und Resilienz

Der Wert des öffentlichen Kapitalstocks im Infrastrukturbereich lag 2021 inflationsbereinigt unterhalb des Werts von 2004. Erst seit 2016 sind die Investitionssummen wieder angewachsen. Dieser Aufwuchs wurde jedoch durch die Baukostensteigerung 2022 um 20 Prozent mehr als aufgezehrt. Die Aufgabe den Verkehrssektor bis 2045 klimaneutral zu transformieren, zeitgleich zu sanieren und modernisieren ist mit der für 2023 beschlossenen Investitionssumme im Verkehrshaushalt, den überbordenden bürokratischen Auflagen und dem Problem der überlangen Planungs- und Bauzeiten nicht zu lösen. Das DVF hat auch im vergangenen Jahr eine Systemänderung in der Finanzierung, die Anpassung der Investitionssumme und eine Reform des Bundesverkehrswegeplans gefordert.

Präsidiumsbrief an die Bundesregierung

Die sich verschlechternde Situation der Infrastruktur und die daraus resultierende Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt hat das DVF-Präsidium veranlasst, sich mit einem Brandbrief an die Bundesregierung zu wenden. Darin hat das DVF vier existenzielle Rahmenbedingungen für den Erhalt und die Transformation des Verkehrssektors eingefordert:

  1. Solide Infrastrukturen für klimafreundlichen Verkehr
  2. Solide und nachhaltige Finanzierung
  3. Innovationsfreundliche und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen
  4. Bürokratieabbau

Brückenpaket

Ein richtiger Ansatz war das von Verkehrsminister Wissing im März 2022 vorgestellte Brückenpaket. Der 9-Punkte-Plan für Autobahnbrücken kann mit seiner Priorisierung besonders kritischer Infrastrukturen ein wichtiger Beschleuniger sein. Das DVF hat vor allem das Bekenntnis zu einer intelligenten Verkehrsinfrastruktur und einem konzertierten Vorgehen bei Ausschreibung, Vergabe, Planung und Genehmigung begrüßt. Darüber hinaus müssen die Finanzmittel für den Erhalt der Fernstraßenbrücken planungssicher festgeschrieben, Planungsverfahren bei Ersatzneubauten erleichtert und vereinfacht sowie ein Digitalisierungsbudget für Verkehrswege neu eingeführt werden.

Brücken der Bundesautobahnen Zustandsnoten nach Anteil der Teilbauwerke

Quelle: bast 01.09.2021; Erklärung: 1,0 – 1,4 = sehr guter Zustand, 1,5 – 1,9 = guter Zustand, 2,0 – 2,4 = befriedigender Zustand, 2,5 – 2,9 = ausreichender Zustand, 3,0 – 3,4 = nicht ausreichender Zustand, 3,5 – 4,0 = ungenügender Zustand

Mit unserem Brückenprogramm kommen wir gut voran und ich setze auch stark auf die geplanten Korridorsanierungen, die die Deutsche Bahn aktuell Schritt für Schritt angeht. Die Investitionen, die wir jetzt in unsere Infrastruktur tätigen, sind Investitionen in unsere Zukunft und vor allem in die Zukunft nachfolgender Generationen.

Dr. Volker Wissing
Bundesminister für Digitales und Verkehr

(Bildquelle: Bundesregierung/Jesco Denzel)
Quelle: Bundesregierung/Jesco Denzel

Verkehrsinvestitionen erhöhen

Deutschland braucht den Hochlauf der Infrastrukturinvestitionen bei allen Verkehrsträgern, bei Tank- und Ladenetzen, der Digitalinfrastruktur und den erneuerbaren Energien. Leider wurden auch im letzten Jahr und für den Bundeshaushalt 2023 keine ausreichenden Mittel bereitgestellt, die enormen Kostensteigerungen und den Rückstand in diesen Investitionsfeldern auszugleichen.

2021 und 2022 gingen bei den Verkehrsinvestitionen 4,3 Milliarden Euro durch die gestiegenen Bau-, Energie- und Rohstoffpreise verloren. Die Neuberechnung der Bedarfspläne ergab einen zusätzlichen Bedarf von über 42 Milliarden Euro. Die Preissteigerungen müssten im Verkehrshaushalt berücksichtigt werden. Das DVF unterstützt die Forderung nach Verankerung einer verlässlichen Infrastruktur als Staatsziel im Grundgesetz. Aus dieser Verankerung sollten dann nicht nur rechtliche, sondern auch finanzielle Ansprüche resultieren.

Quelle: Bundesregierung/Jesco Denzel

Damit wir hierzulande Weltspitze bleiben, müssen Automatisierung und Digitalisierung der Schiene ganz nach oben auf die politische Agenda. Das gilt erstens für Ausschreibungen, zweitens für verkehrspolitische Entscheidungen und drittens für den Haushaltsplan des Bundes.

Andre Rodenbeck
Geschäftsführer Schieneninfrastruktur Siemens Mobility GmbH

Strukturänderung bei Finanzierung von Infrastrukturen

Mit dem kameralistischen Finanzierungssystem werden Erhalt und  Ausbau der Infrastruktur, Modernisierung und Transformation nicht zu bewältigen sein. Neben einer angepassten Finanzierung an die Infrastrukturerfordernisse bedarf es der Reform der Finanzierungsystematik. Notwendig ist vor allem eine langfristige Finanzierungsgarantie: Erhalt und Ausbau der Infrastruktur sind eine langfristige Aufgabe. Daher müssen investive Mittel über den gesamten Zeitraum verlässlich bereitstehen, auch damit Planungskapazitäten bei den Vorhabenträgern und in Behörden aufgebaut und vorgehalten werden, ausführende Unternehmen Personal- und Maschineneinsatz auf diese Aufgaben ausrichten und Zulieferindustrien ihre Kapazitäten planen können.

Die Einführung einer Finanzierungsvereinbarung im Bereich der Bundesfernstraßen ist ein Vorhaben der Ampelkoalition, dessen Umsetzung dringend ansteht. Das DVF hat auch für die Wasserstraßeninfrastruktur entsprechende Reformen sowie für die Finanzierung der Schiene eine Fondsfinanzierung nach dem Vorbild der Schweiz. Die Haushaltslinie für die Wasserstraßeninfrastruktur ist 2023 deutlich unter den Bedarf gesunken. Um künftig eine verlässliche Finanzierung und Umsetzung der notwendigen Bauprojekte zu gewährleisten, fordert das DVF gemeinsam mit der „Initiative System Wasserstraße“ auch in diesem Bereich grundlegende Reformen. Zumindest die Mittel für Sanierung und Erhaltung müssen mehrjährig und verlässlich festgeschrieben werden. Die funktionale Verselbständigung des operativen Teils der WSV, verbunden mit einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung kann dafür die Lösung sein.

Die Inflation belastet natürlich Erhalt und Neubau. Nichtsdestotrotz sind wir mit dem Haushalt insgesamt gut aufgestellt und schaffen langfristige Planungssicherheit für leistungsstarke Infrastruktur.

Oliver Luksic MdB
BundParlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr

(Bildquelle: Bundesregierung/Sandra Steins)
Quelle: Bundesregierung

Bundesverkehrswegeplan neu ausrichten

Auch im vergangenen Jahr hat sich das DVF für eine Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) eingesetzt. Der BVWP muss zukünftig nicht nur den Verkehrsbedarf abbilden, sondern auch die notwendige Resilienz, Redundanz und Reserven in der Infrastruktur schaffen. Dazu müssen unter anderem die bisherigen Bewertungsfaktoren angepasst, das Verkehrs-, Energie- und Digitalnetz synchronisiert, die Klimawirkung als Bewertungsfaktor sorgfältig abgewogen und Resilienzparameter eingeführt werden. Wichtig ist auch, die Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur einzubeziehen und intermodale Knoten zu stärken. Bereits bei der Aufstellung des BVWP müssen die vorhandenen Prioritäten in eine Rangfolge gebracht und mit realistischem Finanzbedarf unterlegt werden.

Es ist offensichtlich, dass die Investitionen nicht nachlassen dürfen und die Finanzierungssystematik des Bundes geändert werden muss. Dafür ist ein erkennbarer politischer Wille notwendig!

Nikolaus Graf von Matuschka
CEO HOCHTIEF Solutions AG
Mitglied des Vorstands HOCHTIEF Aktiengesellschaft

Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung

Der Gesamtblick auf den Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung ist ernüchternd. Nur 18,2 Prozent des Gesamtbudgets des KTF sind 2023 für Mobilität reserviert, obwohl der Verkehrssektor neben der Industrie den größten Transformationsaufwand bewältigen muss. Grundsätzlich setzt der KTF gute Impulse im Bereich Wasserstoffwirtschaft, Förderungen bei Bussen und Nutzfahrzeugen oder alternativen Antrieben im Schienenverkehr und Schiffs- und Luftverkehr. Zu bemängeln ist jedoch die Förderungskürzung im Bereich des Elektro-Pkw. Wichtig ist außerdem eine Verbesserung der Förderprogramme und der Förderpraxis: Der geringe Mittelabfluss in einigen Förderlinien im Jahr 2021 hat gezeigt, dass die Förderbedingungen an vielen Stellen unzulänglich sind. Spitzenreiter werden immer noch bestraft, indem sie mit bereits begonnenen Aktivitäten aus der Förderung fallen. Stichtage sind zu kurzfristig angesetzt, vorzulegende Dokumentationen praxisfern. Hier muss dringend nachgebessert werden. Im KTF stecken viele gute Ideen und Maßnahmen für alle Verkehrsträger – nun kommt es auf eine schnelle Umsetzung an.

Eine moderne Verkehrsinfrastruktur ist das Fundament, auf dem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Verkehrssicherheit, Klimaschutz und auch Krisenresistenz unseres Landes stehen. Gerade jetzt wäre es notwendig, langfristig verlässliche und auskömmliche Investitionsmittel bereitzustellen.

Gerhard Hillebrand
Verkehrspräsident ADAC e.V., Allgemeiner Deutscher Automobil-Club

Trassenpreisförderung im Schienengüterverkehr

Gemeinsam mit 15 weiteren Wirtschaftsverbänden hat sich das DVF im Juli 2022 an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags und an die Ministerien für Verkehr, Wirtschaft und Finanzen gewandt und für eine Fortführung der Trassenpreisförderung für den Schienengüterverkehr über 2024 hinaus plädiert. Die beteiligten Verbände arbeiten gemeinsam in der Arbeitsgruppe des Bundesverkehrs­ministeriums zur Umsetzung des Masterplans Schienengüterverkehr mit.

Die Mobilitätswende gelingt nur mit der Schiene. Die Infrastrukturkapazität im deutschen Netz stößt jedoch an ihre Grenzen. Ohne die breite und frühzeitige Beteiligung der Betroffenen, ohne Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern, werden wir nichts erreichen.

Udo Schiefner MdB
Vorsitzender der Parlamentsgruppe Schienenverkehr im Deutschen Bundestag

(Bildquelle: DVF/Photothek)