Klimaschutz, Energie und Akzeptanz

Nationale Klimaschutzpolitik im Mobilitätssektor

Die durch hohe Ausgaben für Soforthilfe- und Entlastungsmaßnahmen angespannte Haushaltslage des Bundes gefährdet Investitionen in die Transformation des Verkehrssektors und den Ausbau nachhaltiger Verkehrsträger. Das DVF hat von der Bundesregierung gefordert, verlässlich, effizient und in ausreichender Höhe in Infrastruktur und Innovationen zu investieren. Ein jährliches Nachsteuern durch Sofortprogramme und wiederholte Ad-hoc-Maßnahmen ist mit einer effizienten und planvollen Infrastrukturpolitik unvereinbar.

Zu viele und komplexe Anforderungen und Auflagen hemmen etwa beim Aufbau der Ladeinfrastruktur, neuer KV-Terminals oder beim Schienenausbau. Bund, Länder und Kommunen müssen Planungsbeschleunigung, Bürokratieabbau und Vereinfachung von Genehmigungsprozessen konsequenter angehen. Der eingeschlagene Weg die Anreize zur CO2-Senkung schrittweise zu erhöhen muss beibehalten werden, auch für den Emissionshandel im Straßenverkehr. Zwingend erforderlich ist ein einheitlicher europäischer Rahmen.

Quelle: Marco Fechner

Die Klimaziele erfordern ambitionierte Maßnahmen und schnelles Handeln. Die Digitale Automatische Kupplung ist dabei ein eindrückliches Beispiel. Entscheidend für eine erfolgreiche Einführung ist die gemeinsame europäische Abstimmung. Der Verkehrsminister kann hier in einem innovativen Projekt eine Führungsrolle in Europa übernehmen.

Stefan Gelbhaar MdB
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag

(Bildquelle: Marco Fechner)

Expertenbeirat Klimaschutz Mobilität

Im Juli 2022 wurde in Berlin der Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität (EKM) gegründet. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat den Expertenbeirat in der Nachfolge der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) eingerichtet. Der Beirat besteht aus 23 Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen und wird bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode als Beratergremium für die Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor arbeiten. Der EKM arbeitet in drei Arbeitsgruppen an den Themen Treibhausgas-Minderung, Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen sowie Potenzialen der Digitalisierung. Das DVF wurde in den Beirat sowie in die Arbeitsgruppe 3 (Digitalisierung) berufen.

Glauben Sie, dass das nach dem Klimaschutzgesetz nötige Ziel, die CO2-Emissionen im Verkehr in acht Jahren zu halbieren, erreicht wird?

Civey-Umfrage im Auftrag des DVF v. 14.03.2022, Stichprobe 5.000 Personen ab 18 Jahren

Versorgungsinfrastruktur ist in vielen Mitgliedstaaten nicht in dem notwendigen Umfang vorangetrieben worden. Die Transformation muss ausreichend abgefedert werden. Der Emissionshandel im Straßenverkehr und der Klimasozialfonds sind untrennbar verbunden, denn der Fonds soll zu einem erheblichen Teil aus dem Europäischen Emissionshandelssystem (ETS) gespeist werden.

Jens Gieseke MdEP
Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), stellv. Vorsitzender im Verkehrsausschuss, stellv. Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlament

(Bildquelle: European Union)
Quelle: European Union

Klimaschutzsofortprogramm

Im Juli 2022 hat das BMDV ein Klimaschutzsofortprogramm veröffentlicht, zu dem das Klimaschutzgesetz jedes Ressort bei einem Verfehlen der sektorspezifischen Minderungsziele verpflichtet. Aus Sicht des DVF enthält das Programm mit dem Ausbau der Tank- und Ladeinfrastruktur, den Ausbauinitiativen im Radverkehr und ÖPNV, der Förderung digitaler Arbeitsformen und einer Ausweitung des Flottenerneuerungsprogramms auf Trailerkomponenten zwar wichtige Bausteine für eine Senkung der CO2-Emissionen. Insgesamt hat das DVF jedoch die mangelnde Synchronisierung von Maßnahmen über alle Sektoren hinweg (insb. Energie-, Digital- und Verkehrssektor), die Verzögerungen bei der Vorlage des Klimaschutzsofortprogramms und das fehlende Budget kritisiert. In der Summe reichen die Maßnahmen des Sofortprogramms für eine Erreichung der Ziele im Verkehrssektor nicht aus.

Masterplan Ladeinfrastruktur II

Die Weiterentwicklung des Masterplans Ladeinfrastruktur II hat das DVF begrüßt. Allerdings besteht bei wichtigen Maßnahmen Zeitverzug.  Die Elektromobilität ist der Kernbaustein für den Klimaschutz im Straßenverkehr, daher ist der schnelle und flächendeckende Ausbau der Ladeinfrastruktur die entscheidende Voraussetzung. Vor allem bei der Vorbereitung der Ladeinfrastruktur für den elektrifizierten Lkw-Fernverkehr besteht Zeitverzug.  Deshalb hat das DVF gefordert, die komplexe Regulierung, die fragmentierten Zuständigkeiten und den uneinheitlichen Vollzug bei Netzanschlüssen, Zulassungsanforderungen und technischen Anschlussbedingungen zu vereinfachen und zu verbessern. Flächenbereitstellung, Verfügbarmachung von Echtzeitdaten und problemfreie Bezahlverfahren sind weitere Herausforderungen, die zügig gelöst werden müssen. In Analogie zum Masterplan Ladeinfrastruktur sind ebenso wirkungsvolle Strategien und Zeitpläne zum Aufbau der Versorgungsinfrastruktur für Wasserstoff im Verkehrssektor erforderlich.

Eine der größten Herausforderungen bei batterieelektrischen Lkw ist – neben der Nutzlast und Reichweite – vor allem die Ladeinfrastruktur. Denn gerade auf der Langstrecke braucht es ein dichtes und effizientes Ladenetz.

Uwe Brinks
Chief Executive Officer DHL Freight, DHL Freight Germany Holding GmbH

Fit for 55 - Emissionshandel

Im Juni 2022 hat das Plenum des Europäischen Parlaments über einen Teil des Klimaschutzpaketes Fit for 55 abgestimmt. Der Hauptbericht über die Fortentwicklung des europäischen Emissionshandelssystems fand keine Mehrheit, wodurch auch die erforderlichen Beschlüsse zur Einbeziehung des Straßenverkehrs und des Seeverkehrs in den Emissionshandel ausblieben. Das DVF hat vom EU-Parlament rasche Beschlüsse und eine faire Regulierung gefordert, da die Antriebs- und Kraftstoffwende in extrem kurzer Zeit vollzogen werden muss. Inzwischen haben Rat, Parlament und Europäische Kommission eine Einigung über diese Punkte erzielt. Für den Straßenverkehr und den Gebäudesektor soll bis 2027 ein separates EU-Emissionshandelssystem eingerichtet werden – das so genannte ETS II. Der Schiffsverkehr wird künftig ebenfalls in den Emissionshandel einbezogen. Die Zertifikate im Luftverkehrs-ETS werden verknappt und verteuert. Positiv ist die Vergabe von freien Zertifikaten für die Beimischung von nachhaltigen Flugkraftstoffen. Die Menge der SAF-Allowances, welche die EU einplant, ist allerdings viel zu gering. Kritisch ist die Ankündigung der EU, das europäische Emissionshandelssystem künftig auch auf den Flugverkehr mit Drittstaaten anzuwenden, wenn die Ergebnisse des internationalen CORSIA-Systems den Anforderungen aus EU-Sicht nicht genügen. Das DVF-Positionspapier zu Fit for 55 geht auf weitere Handlungsempfehlungen ein.

Auch bei der Ausgestaltung des EU-Klimaschutzprogramms Fit for 55 ist eine wettbewerbsneutrale Ausgestaltung extrem wichtig für die europäische Luftverkehrswirtschaft.

Dr. Stefan Schulte
Vorsitzender des Vorstands, Fraport AG

Klimaneutrale Kraftstoffe im Luft- und Seeverkehr

Zur EU-Verordnung „ReFuel EU Aviation“ haben Rat, Parlament und Europäische Kommission noch keine abschließende Einigung erzielt. Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, dass  die Kraftstoffanbieter in der EU verpflichtet werden, dem Kerosin ab 2025 wachsende Anteile an nachhaltigen Kraftstoffen beizumischen. Für Schiffskraftstoffe haben die EU-Institutionen bereits eine entsprechende Einigung erzielt. Das DVF hat gemahnt, dass ein Produktionshochlauf nachhaltiger Kraftstoffe entscheidend für das Erreichen der Ziele ist. Momentan sind die für den Luft- und Seeverkehr verfügbaren Mengen an nachhaltigen Kraftstoffen viel zu gering, um die Quoten zu erfüllen und die Preise zu hoch. Kritik äußerte das DVF zur Überlegung der EU-Kommission, eine Kerosinsteuer einzuführen und auch Schiffskraftstoffe künftig zu besteuern. Durch eine einseitige Besteuerung entsteht eine erhebliche Gefahr von Carbon-Leakage-Effekten.

Klimaneutrale Kraftstoffe sind nicht die einzige Lösung. Weitere Kraftstoffeinsparungen bei herkömmlichen Antrieben und durch Vermeidung von Leer- und wenig ausgelasteten Flügen sind für den Klimaschutz genauso wichtig.

Thomas Lutze MdB
Verkehrspolitischer Sprecher, Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag

(Bildquelle: Thomas Lutze/Felix Schulz)

49-Euro Ticket / Modal Shift

Das DLR hat in einer Panelbefragung untersucht, wie das 9-Euro-Ticket das Mobilitätsverhalten verändert hat. Im Sommer 2022 ist demnach der Anteil der Personen, die multimodal unterwegs waren, stark angestiegen. Doch der Anteil der Personen mit einem 9-Euro-Ticket sank über die drei Monate hinweg. So nutzte etwa die Hälfte der befragten Personen das Ticket für vier oder weniger Fahrten. Damit hat das Ticket nur einen kleinen Anteil an der Gesamtmobilität ausgemacht. Ein Erfolg dieses Angebots sei es gewesen, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf den ÖPNV zu lenken und damit das Routineverhalten der eigenen Mobilität zu unterbrechen. Ein zweiter wichtiger Erfolg war die Einfachheit des Tickets und damit die vereinfachte Nutzbarkeit des ÖPNV-Angebots. Daran müsse man nun anknüpfen. Aus Sicht des DVF ist neben einem einfach nutzbaren und kostengünstigen ÖPNV-Ticket fvor allem ein sehr gutes ÖPNV-Angebot wichtig, damit Nutzer vom Auto auf den ÖPNV umsteigen. Auf die Verkehrsunternehmen kommt die große Aufgabe zu, ihre Flotte auf klimaneutrale Fahrzeuge umzustellen und gleichzeitig ein attraktives Angebot als Alternative zum Auto bereitzustellen.

Die Verkehrsunternehmen werden ihren Beitrag für die Modernisierung und Transformation des ÖPNV leisten, aber sie können die zusätzlichen Kosten nicht alleine aus den Fahrgeldeinnahmen stemmen. Zudem braucht es freie Fahrt für den ÖPNV in unseren Städten – nur ein schneller ÖPNV ist ein attraktiver ÖPNV.

Dr. Rolf Erfurt
Vorstand Betrieb, Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), AöR

Technologieoffenheit und Ausbau von Ladeinfrastruktur

Die Einigung zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat zu den CO2-Flottengrenzwerten für Pkw und leichten Nutzfahrzeugen führt zu einem weitgehenden Verbot für Verbrennungsmotoren ab 2035. Das DVF betrachtet die Elektromobilität als Kernelement der Klimatransformation im Straßenverkehr. Planungssicherheit für diesen Transformationsprozess ist wichtig. Es ist zu begrüßen, dass ein Weg für die Nutzung von E-Fuels offen gehalten wird. Synthetische Kraftstoffe können einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Bestandsflotte leisten. Damit die Elektromobilität funktioniert, muss die Ladeinfrastuktur schneller ausgebaut werden. Alleine in Deutschland müssen bis 2030 mindestens 4.000 Megawatt-Ladepunkte für den Straßengüterverkehr errichtet werden. Die Einigung über die AFIR-Regulierung auf EU-Ebene ist wegen der Festlegung auf verbindliche Ziele zu begrüßen. Beim Tempo muss jedoch nachgebessert werden.

Gemeinsam mit Verbänden und Unternehmen hat sich das DVF  auch für die Freigabe von HVO100 für den Einsatz im Straßenverkehr eingesetzt. Denn im Gegensatz zu Deutschland erlauben die meisten EU-Mitgliedstaaten und die USA die Nutzung dieses nachhaltigen Bio-Kraftstoffs aus Rest- und Abfallstoffen. Damit könnte Deutschland kurzfristig einen Klimabeitrag leisten, denn dieser Kraftstoff kann ohne Umrüstung dem Dieselkraftstoff beigemischt werden.

Auch wenn wir im Personenverkehr vornehmlich auf Elektromobilität setzen, ist für eine effektive CO2-Reduktion im Straßenverkehr eine breite Palette von Antriebstechnologien erforderlich. Hier spielen fortschrittliche Biokraftstoffe für die Reduzierung der CO2-Emissionen eine ebenso wichtige Rolle, wie kohlenstoffarmer Wasserstoff und batterieelektrische Lkws für den Schwerlastverkehr – bis zu ihrer Marktreife brauchen wir BioLNG und BioCNG als Brückentechnologien.

Patrick Wendeler
Vorsitzender des Vorstands, BP Europa SE

Carbon Management Strategie

Zur Bekämpfung des Klimawandels ist neben einer Reduktion der Treibhausgasemissionen auch die Speicherung (CCS) bzw. Wiederverwendung (CCU) der nicht vermeidbaren Emissionen von CO2 notwendig. Die Bundesregierung hat deshalb die Erarbeitung einer Carbon Management Strategie (CMS) angekündigt. Der Transportsektor ist ein Schlüsselfaktor für das Gelingen von CCUS. Seine Transportmittel und Infrastrukturen machen eine Kohlendioxid-Kreislaufwirtschaft erst möglich. Aus diesem Grund hat das DVF in einem Werkstattgespräch am 15.2.2023 das Vorhaben der Bundesregierung für eine CMS begrüßt. Dabei kommt es darauf an, den CO2-Transportprozess so effizient wie möglich zu organisieren. Anreizstrukturen für Investitionen der Transportwirtschaft in CCUS-Strukturen sind ebenso wichtig, wie die Schaffung eines einheitlichen europäischen und globalen Rechtsrahmens. Das DVF wird sich mit dieser Positionierung weiter in die Debatte einbringen.